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Junge Liebe – Teil 05

VII.

Kurze Zeit später waren Peter und Nadia angezogen – und mehr oder minder zurechtgemacht – bereit, ihren Hunger zu stillen.
Es hatte ein wenig gedauert, bis sich Nadia von ihrem Freund hatte überzeugen lassen, dass ihre Augen von der vielen Heulerei nicht grauenhaft aussahen. Sie glaubte ihm zwar eigentlich kein Wort, aber andererseits konnte sogar sie selbst im Spiegel erkennen, dass ihr glückliches Strahlen davon ablenkte.
Wettgemacht hatte sie die Zeit dann beim eigentlichen Anziehen, denn zu Peters großer Freude wählte sie ein kurzes, schwarzes Paillettenkleidchen und musste dann nur noch ihre Schuhe anziehen.
Die Nervosität, die das Wissen um ihre Nacktheit unter dem Stoff bei ihm auslöste, zauberte ein andauerndes Lächeln auf ihr Gesicht.

Bei der Auswahl seiner Klamotten hatte Nadia sich allerdings mit klaren Vorstellungen eingebracht. Zu ihrer Überraschung hatte er nämlich nicht nur weite Shirts und Hosen, sondern sehr wohl auch figurbetontere Sachen. Und die wollte sie unbedingt an ihm sehen.
Als er dann zunächst in einer wirklich perfekt sitzenden Jeans vor ihr stand, hätte sie ihn am liebsten wieder ausgezogen. Wusste der Geier, wie er an seinen Komplexen festhalten konnte, mit einem derartig knackigen Arsch in der Hose.
Oder mit einem Oberkörper, der sogar die klassische V-Form aufwies, was das anging. Er hatte zwar keinen Sixpack, aber damit hatte sich die Mängelliste dann auch schon wieder erledigt. Zum Ausgleich waren seine Schultern breit, sein Brustkorb kraftvoll und seine Arme ziemlich muskulös. Man sah ihm die Kraft durchaus an, die sie schon am eigenen Körper erfahren hatte.

Bezüglich seiner Brustbehaarung war sie anfangs noch unentschlossen. So ganz passte das eigentlich nicht in ihr Idealbild. Ebenso wenig, wie seine unentschlossene Frisur, die ein wenig wirkte, als könne er sich nicht zwischen Kurzhaarschnitt und langer Matte entscheiden.
Ansonsten hatte sie allerdings wirklich nichts auszusetzen. Im Gegenteil!
Er hatte ein sympathisches Gesicht. Es sah weder zu hart und brutal, noch zu weich und kindlich aus. Wozu sicherlich sein Bart um den Mund einen gewissen Beitrag leistete. Und seine Augen waren sowieso ein echter Hingucker.

Peter hatte ihre Musterung ruhig über sich ergehen lassen, aber sie konnte in seinem Blick die Furcht sehen, ihren Ansprüchen nicht zu genügen. Eine völlig blödsinnige Sorge, wie sie ihm auch unmittelbar klarmachte, indem sie ihn in die Arme schloss und ihm ihre Lieblingsstellen oberhalb der Gürtellinie ins Ohr flüsterte, während sie mit ihren Fingern die jeweiligen Highlights unterstrich.
Was hätte er dieser Argumentation entgegensetzen sollen?

Irritierenderweise machte Nadia genau dabei irgendwie ihren Frieden mit seiner haarigen Brust, denn sich daran zu lehnen und mit den Fingern durch die Haare zu gleiten hatte etwas… Es fühlte sich… richtig an.
Ohne den Rest der Welt davon in Kenntnis zu setzen, überlegte sie sich, dass es eigentlich sogar viel besser war, als glatte Haut. Es war sehr männlich und irgendwie ursprünglich.
Was interessierte sie ihre Meinung von voriger Woche da noch?
Mit einer Ausnahme natürlich, aber das Thema Schambehaarung verschob sie auf einen passenderen Zeitpunkt. Er würde ihren Argumenten in dieser Hinsicht kaum etwas entgegenzusetzen haben. Dafür würde sie schon sorgen.

Bedauerlicherweise war Peter kategorisch dagegen, sich nur ein offenes Hemd überzuziehen, damit seine Brust frei zugänglich blieb. Aber er ließ sich zur Abwechslung von einem vernünftig sitzenden Shirt überzeugen, über dem er ein offenes Hemd trug. Ein Kompromiss, mit dem sie beide leben konnten.
Und so waren sie dann kurz darauf unterwegs und gaben nach Nadias Meinung ein wirklich sehenswertes Paar ab. Sie im kleinen Schwarzen und bereit, sich von ihrem Freund zu jeder Zeit an jeder Stelle befummeln zu lassen. Und er vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben in Klamotten, die seine Vorzüge unterstrichen, anstatt seine eingebildeten Fehler zu verstecken.

„Ich werde dich sehr genau im Auge behalten müssen“, murmelte sie halblaut, als sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte.
„Huh?“
„Du wirst Aufmerksamkeit erregen, mein Freund“, erklärte sie. „Vor allem, weil du jetzt nicht mehr den Kopf einziehst und dich kleiner und schlechter machst, als du bist.“
Er stutzte, lächelte dann aber leicht. „Dein Glanz strahlt vielleicht ein ganz klein wenig auf mich ab. Neben einem lupenreinen Diamanten sieht selbst ein Kieselstein noch blendend aus.“
Nadia starrte ihn forschend an, aber unglaublicherweise konnte er ihren Blick erwidern, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sie japste mit einer gewissen Verzögerung und musste sich einfach an seinen Arm klammern.
Tränen der Rührung waren jetzt definitiv inakzeptabel. Und eigentlich hätte sie ihm allein deswegen böse sein müssen. Aber mal ehrlich… Wie konnte man?

Während er sie aufs Haar küsste und sich dann wieder auf die Straße konzentrierte, fragte sie sich flüchtig, wie dieser ‚Kieselstein‘ bislang allen Frauen hatte entgehen können. Es hatte ein wenig was von einem unerwarteten Goldfund im Wasser. Aber nicht in einem Bachbett, sondern eher in einem viel besuchten Freibad.
Da musste man doch anfangen, sich über Schicksal Gedanken zu machen, oder?

Peter chauffierte sie in die Stadt und fragte gar nicht erst, wo sie essen gehen sollten. Sie kannte sich in der Gegend sowieso nicht aus, aber als er auf den Parkplatz eines Italieners rollte, war sie doch überrascht, dass er nicht nach ihren Wünschen gefragt hatte. Positiv überrascht, allerdings!
Es hatte schon etwas Ermüdendes, wenn man zu jeder Kleinigkeit befragt wurde. Es war viel angenehmer, wenn ein Mann die Entscheidungen in die Hand nahm. Unter der Voraussetzung, dass er dabei die Richtigen traf.
Aber bei Peter musste man sich da eigentlich keine Sorgen machen, denn er war ziemlich aufmerksam. Er traf nur bei sich selbst dauernd Fehlentscheidungen.

Arm in Arm betraten sie das Restaurant, in dem es gleich wieder eine Überraschung gab. Peter wurde dort nämlich von den Angestellten begrüßt, als wäre er ein Familienmitglied oder so etwas.
Der unsichere, schüchterne Peter, der sich dauernd selbst im Weg stand und Nadia gezwungen hatte, fast jeden Schritt auf ihn zuzumachen, damit sie ihn endlich für sich gewinnen konnte, war… beliebt! Und er bemerkte das nicht einmal.

Nadia machte große Augen, als sie der Reihe nach allen Angestellten eines voll besetzten Restaurants inklusive der Küchenbesatzung vorgestellt wurde, die sich alle die Zeit nahmen, ein paar Worte mit ihm und ihr zu wechseln, obwohl die Hütte brannte.
Und fast jeder aus der überwiegend italienischen Belegschaft reagierte in etwa gleich, wenn Peter sie als seine Freundin vorstellte: Sie blickten sie an, musterten sie mehr oder minder unauffällig und bedankten sich dann mit einem kleinen Stoßgebet bei Gott.
Ohne Witz!
Sie blickten nach oben und schienen etwas zu denken wie ‚Na endlich‘. Und es war ehrliche Freude, wenn sie ihm gratulierten. In sehr unverblümter und italienischer Weise übrigens, die nicht mit Anzüglichkeiten sparte und sogar Nadia ein paar Mal erröten ließen.

Ein Mann namens Angelo, offensichtlich der Inhaber von ‚Angelos‘, brachte es auf einen ziemlich genauen Punkt:
„Madonna, Pietro! Es wurde auch Zeit.
Und ist es, wie ich dir gesagt habe? Ist es schließlich eine bildhübsche Signorina, deren Herz du eroberst?
Aber ganz bestimmt ist sie das! Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich vielleicht selbst…“
Er sagte es so charmant, dass Nadia nur lächeln konnte, aber er fügte dann nach einem prüfenden Blick in ihre Augen hinzu: „Aber ihr Herz würde ich dennoch nicht gewinnen. Das ist bereits vergeben. Ahh… Amore…!“

Es war so… absurd!
Ihr Freund mit den völlig unbegründeten Minderwertigkeitskomplexen nannte Volltrottel seine Freunde, die ihn nur aufzogen, und war auf der anderen Seite beinahe so etwas wie ein Familienmitglied bei seinem Stammitaliener.
Besitzergreifend drängte sie sich noch näher an ihn heran, als sie mit der Vorstellungsrunde bei den jungen Damen am Tresen anlangten. Die schienen Peter nämlich spätestens jetzt, wo er eine hübsche Frau an seiner Seite hatte, mit anderen Augen zu betrachten. Sie waren wohl die Einzigen, deren Stoßgebete einen etwas anderen Inhalt hatten.
Anschließend führte sie Angelo persönlich zum Familientisch. Dem einzigen Tisch, der nicht voll besetzt war. Und an dem nur Mitglieder von ‚la Familia‘ sitzen durften, wie der Italiener energisch erklärte.

Kurz, bevor sie dort ankamen, hörte Nadia allerdings etwas, dass ihre Aufmerksamkeit erregte.
„Ach das wird noch eine Cousine von ihm sein“, erhob sich eine Stimme über das Gemurmel im Lokal. „Oder eine Professionelle vielleicht.“
Peter bemerkte es gar nicht, denn Angelo belegte ihn mit Beschlag. Aber Nadia hielt inne und blickt hinüber zur Quelle der Stimme. Dort sah sie eine aufgedonnerte Brünette in etwa ihrem Alter – soweit sich das bei der zentimeterdicken Schminke sagen ließ – an einem Tisch sitzen. Ihr Begleiter war deutlich älter, wenn auch nicht ganz alt genug, um ihr Vater zu sein, und eher von der Sorte Geschäftsmann.
Ein kurzer Blick auf die Haltung der beiden machte schnell klar, dass sie weder verwandt waren, noch ihre Beziehung auf rein berufliche Ebene beschränkten.

Peter war ebenfalls stehen geblieben und folgte ihrem Blick. Seine Miene verzog sich kurz gequält, als der die Schnepfe ansah, aber dann wandte er sich dem Tisch zu. Er und der Mann begrüßten sich wie Bekannte. Höflich, aber distanziert. Die Brünette begrüßte Peter allerdings eher wie jemanden, den er schon lange kannte. Und keinesfalls zu treffen gehofft hatte…
„Jochen, Nadine. Das ist Nadia“, stellte er sie dann vor. „Das ist ein Architekt, mit dem mein Stiefvater zusammenarbeitet. Und eine… alte Schulfreundin.“
Er musste gar nicht mehr dazu sagen, denn sein Tonfall und seine Haltung verrieten Nadia genug. Was auch immer zwischen den beide vorgefallen war, gehörte nicht zu seinen angenehmen Erinnerungen.
Höflich schüttelte sie die Hand des Mannes, dessen Aufmerksamkeit sich nicht nur auf ihr Gesicht beschränkte. Bei der Schnepfe zögerte sie dann absichtlich und sagte: „Ein schöner Tag, um mit seinem Vater essen zu gehen, was?“

Der üppig vor der Hütte beholzte und ansonsten nicht eben sportliche Bauerntrampel wurde rot und schnappte nach Luft. Jochen hustete verlegen, bevor er Peter anblickte. Der machte allerdings keine Anstalten, das ‚Missverständnis‘ klarzustellen.
„Nadine und ich sind… ähm… sie ist meine… Sekretärin.“
„Oh…“, machte Nadia und heuchelte Überraschung. Dann schlug sie sich vor den Kopf. „Ja natürlich! Verzeihung. Ihre Tochter kauft ihre Kleider sicherlich nicht im Discounter und kennt ihre Kleidergröße.“

Es war natürlich simpel und nicht subtil, aber es reichte für das Landei. Und warum sollte sie ihre erleseneren Giftigkeiten bei so einer verschwenden? Außerdem war manchmal ein Holzhammer genau das Richtige.
Die Schnalle kriegte einen knallroten Kopf und der Herr Architekt lockerte seine Krawatte, als ihm die Luft knapp wurde. Aber Nadia war noch nicht ganz fertig.
„Ich bin beeindruckt, dass sie ihre Mitarbeiter so sehr schätzen und sich ihretwegen die Abende um die Ohren schlagen, wo sie doch sicherlich lieber bei ihrer Frau wären. Ich wünschte, mein Chef wäre auch ein wenig so…“
Ziemlich offensichtlich ergriff sie dann Peters Hand und ließ sie über ihre Taille nach unten streichen. Als sie sicher war, dass Jochen den Mangel an Unebenheiten unter dem Stoff bemerkt hatte, fügte sie hinzu: „Aber andererseits würde mich das von meinem Freund fernhalten. Und sie wissen, wie das ist… Frisch Verliebte treiben es wie die Karnickel.
Sie entschuldigen uns?!“

Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern wandte sich ab. Zusammen mit Peter schlenderte sie hinüber zum wartenden Angelo, dessen Lächeln ihr entgegenblitzte. Jede Sorge, er könne ungehalten sein, weil sie seine Gäste belästigt hatte, erwies sich als unbegründet, als er sich für das Feuer und Temperament der Jugend und ihre ‚beinahe italienische Veranlagung‘ begeisterte.
Als Peter dann nach einem Augenblick über die Schulter schauen wollte, hielt sie ihn zurück.
„Der siegreiche Feldherr blickt nicht zurück auf den massakrierten Feind. Er weiß, wie vernichtend sein Angriff war“, erklärte sie und brachte Angelo damit vor Vergnügen ganz aus dem Häuschen.
„Ahh…“, machte der. „Ich wünschte, du wärst meine Tochter, Bella. Obwohl ich Pietro dann die Eier abschneiden müsste.“
Ja. Nadia mochte den Kerl.

Als sei dann saßen und auf ihr Essen – die Spezialität des Hauses – warteten, fragte Peter, weswegen sie es getan hatte. Nicht vorwurfsvoll oder aufgebracht. Einfach ganz sachlich.
„Weil sie dir gegenüber beleidigend geworden ist“, antwortete sie, ohne zu zögern. „Und weil ich jeden nicht leiden kann, der dich nicht leiden kann. Oder den du nicht leiden kannst.“ Sie hielt kurz inne. „Und weil jemand für dich kämpfen muss, wenn du es nicht tust.“
„Aber du hast doch gar nichts mit ihr zu schaffen. Du kennst sie ja nicht einmal. Vielleicht hat sie allen Grund, mich zu hassen…“
„Blödsinn“, schnappte sie. „Sie hat dich verletzt. Und sie sonnt sich noch immer darin. Und abgesehen davon… Es ist mir egal.“
„Egal?“
„Und wenn du ihren Dackel vergewaltigt hättest… Wenn sie dich angeht, dann kriegt sie es mit mir zu tun!“
„Du verteidigst also meine Ehre?“

Es war irgendwie nicht greifbar, was Peter von der ganzen Sache hielt. Etwas bewegte ihn, aber sie konnte nicht ausmachen, ob es gut oder schlecht war. Sie war sich nicht sicher, welche Antwort er hören wollte.
Aber das spielte keine Rolle, richtig? Denn sie musste Peter nicht sagen, was erhören wollte. Sie sagte einfach die Wahrheit: „Mit meinem Leben.“
„Gott…“, stöhnte er und vergrub kurz das Gesicht in den Händen.
Es verunsicherte Nadia mehr als alles andere an diesem Tag, dass sie nicht wusste, was ihn gerade belastete. Schon wieder musste sie gegen plötzliche Feuchtigkeit in ihren Augen ankämpfen und ihr Magen zog sich zusammen.
„Aber wenn… Ich… kann mich zurückhalten, wenn…“

Als er die Hände herunternahm, sah sie Tränen in seinen Augen und es schockierte sie zutiefst. Ihr Herz raste plötzlich vor purer Angst und setzte aus, als er ansetzte zu sprechen.
„Ich…“ Er musste mehrmals schlucken und sich sichtlich zusammenreißen, bevor er sprechen konnte. „Ich liebe dich!“
Keuchend ließ sie den angehaltenen Atem aus ihren Lungen entweichen, als ihr Herzschlag wieder einsetzte.
„Sowas hat noch niemand … Du glaubst gar nicht…“
„Schhh“, machte sie sachte und ergriff seine Hände. „Ich stehe hinter dir, selbst wenn du einen Kindergarten massakrieren willst. Und wenn es um solche Fälle geht – um Schnepfen und Sachen, mit denen ich mehr Erfahrung habe – dann stehe ich auch vor dir.“
„Aber du solltest nicht…“
„Schhh… Du würdest dich doch auch jederzeit für mich prügeln. Oder mich auffangen, wenn ich falle.“
Obwohl es keine wirklich Frage war, nickte er.
„Also! Wir gehören zusammen.“ Sie stockte nun selbst. „Gott… Wir gehören zusammen.“

Bis das Essen kam, schwiegen sie. Aber trotzdem kommunizierten ihre Augen und Hände miteinander.
Welche Rolle spielte es, ob man sich erst wenige Tage kannte und wenige Stunden zusammen war, wenn man einfach spürte, dass man zusammengehörte?

Das Essen und einige Minuten von Angelos Gesellschaft lockerten die Stimmung wieder auf. Ersteres war unglaublich lecker und Letzteres war unwiderstehlich lustig.
Nur ganz am Ende des Restaurantbesuches gab es beinahe eine Auseinandersetzung zwischen Peter und Angelo, als beide ihren Kopf durchsetzen wollten. Der eine wollte um jeden Preis bezahlen und der andere beharrte darauf, dass alles auf Kosten des Hauses ginge. Beide waren sich dabei nicht zu schade, bei ihrem Leben zu schwören, dass etwas anderes sie tödlich beleidigen würde. Und beide waren ziemlich überrascht, dass Nadia einen funktionalen Kompromiss vorzuschlagen hatte, und fügten sich der überlegenen, weiblichen Weisheit.
So landete der großzügig aufgerundete Rechnungsbetrag in der Trinkgeldkasse des Personals und niemand musste sich im Morgengrauen duellieren.
Männer…!

Danach fuhren sie mit Peters Wagen dorthin, wo er sie ausführen wollte. Und wie angekündigt war es eine Diskothek.
Der Schuppen mit dem kreativen Namen ‚Easy‘ war äußerlich in keiner Weise herausragend. Er war weder besonders groß, noch besonders grell oder schäbig. Nicht unbedingt eine Dorfdisko, aber auch nicht das, was Nadia eigentlich gewöhnt war.
Und trotzdem dauerte es keine halbe Stunde und sie mochte den Laden.

Zum einen lag das daran, dass es drei Bereiche gab, die alle Bedürfnisse abdeckten. Eine größere Halle mit aufpeitschenden Bässen, einen kleineren Teil mit Mainstream-Beschallung und eine abgetrennte Bar mit genug Ruhe zum Ausspannen und Reden.
Außerdem waren die Leute einerseits angenehm normal und andererseits eben sozusagen vom Land. Was zur Folge hatte, dass Nadia sich deutlich von der Masse abhob. Sowohl in Sachen Kleidung als auch in ihrem generellen Verhalten. Und sie hatte wirklich nichts dagegen, im Mittelpunkt zu stehen.
Und ein weiterer Punkt waren die Leute und ihr Verhältnis zu Peter. Er war hier nämlich nicht der Fußabtreter, auch wenn er sicherlich weit unter den Platzhirschen stand. Oder jedenfalls gestanden hatte…

Anfangs wurde Nadia einer ganzen Reihe von Leuten vorgestellt, die alle soweit akzeptabel schienen. Keiner von ihnen verhielt sich wie ein Arsch, auch wenn es ein paar hochgezogene Augenbrauen gab, als Peter seine Freundin vorstellte.
Aber es gab für den Anfang niemanden, der so tat, als wäre es ein Ding der Unmöglichkeit. Die Reaktionen waren eher beifällig. Zumal Nadia sich gar nicht erst Mühe geben musste, ihre Zuneigung zu ihrem Freund zu zeigen. Es passierte einfach so andauernd, dass sie ihre Finger nicht von ihm lassen konnte.
Die Kehrseite der Medaille zeigte sich erst, als der Laden schon auf ihrer mentalen Liste als akzeptabel abgehakt worden war. Obwohl es eigentlich keine Überraschung hätte sein dürfen, dass auch an diesem Ort Leute herumturnten, die eine gemeinsame Vergangenheit mit Peter hatten.

Der DJ war keine namhafte Größe, aber er war absolut gut genug, um zum Tanzen zu animieren. Und mit ein wenig Überzeugungsarbeit ließ Peter sich schließlich auf die Tanzfläche schleppen.
Für jemanden, der auf ihrem Körper so gekonnt spielen konnte wie er, tanzte er lausig. Das musste Nadia eingestehen, auch wenn sie ein gewisses Potential zu erkennen glaubte. Die Situation verbesserte sich erst merklich, als sie ihn einfach unmittelbar mit einbezog.
Er mochte sein ziemlich einstudiertes und bewegungsarmes Muster haben, wenn er für sich allein tanzte, aber wenn sie ihren Körper an ihm rieb und ihn aufforderte, dann wusste er sehr wohl, wo seine Hände hingehörten. Sogar so genau, dass sie schon wieder kribbelig wurde.

Vielleicht war es auch nur die ganz allgemeine Wirkung seiner Nähe und Berührungen an ihrem Körper, der nur an wenigen, aber leider besonders interessanten Stellen von einer dünnen Lage Stoff bedeckt war. Ihrethalben hätte er ruhig öfter einmal dort verweilen dürfen, aber er hielt sich damit sichtlich zurück.
Trotzdem war Nadia nach einer halben Stunden ausgelassenen Tanzens schlicht und ergreifend spitz. Schon wieder.
Und wieder genoss sie es in vollen Zügen, auch wenn es mitten auf der Tanzfläche kaum zum Äußersten kommen würde. Nicht, dass sie sich gewehrt hätte, wenn Peter es provoziert hätte. Von ihm hätte sie sich nach diesem Tag auch zur Feierabendzeit in der Fußgängerzone flachlegen lassen. Er hätte nur mit den Fingern schnippen müssen.

Als er irgendwann signalisierte, dass er etwas zu trinken organisieren wollte, war ihr das durchaus recht. Ein wenig am Rand der Tanzfläche sitzen, wild mit ihm herumknutschen, fummeln und vielleicht ein paar verwegene Dinge mit Eiswürfelresten anstellen war eine willkommene Aussicht. Allerdings tanzte sie noch ein wenig für sich weiter, als er sich aufmachte. Und damit öffnete sie dem Verhängnis die Tür.
Es näherte sich in Form eines geschniegelten Typen, dessen Sorte sie ganz genau kannte. Sie hatte immerhin Monate mit so einem Kerl verbracht.
Er war von Kopf bis Fuß durchgestylt und hätte selbst in der Großstadt kein Aufsehen als Landei erregt. Soviel musste sie ihm zugestehen. Aber wie alle von seiner Sorte war er so unfassbar von sich eingenommen, dass einem übel werden konnte.

Sicherlich… Sie war selbst von sich eingenommen bis zur Grenze der Arroganz. Oder auch darüber hinaus.
Aber sie hatte den Anstand, das nur dann heraushängen zu lassen, wenn jemand sie provozierte, oder nicht?! Sie drängte es nicht jedem Anwesenden auf, wie ein Versicherungsvertreter seine Visitenkarte.

Dieser Kerl visierte sie jedenfalls an, wie ein Haifisch einen Surfer. Und er hielt sich gar nicht erst damit auf, seine Beute zu umkreisen. Er ging direkt zum Angriff über.
An sie herantanzend beugte er sich vor, um zu signalisieren, dass er etwas sagen wollte. Und da er sich davon sowieso nicht würde abbringen lassen, neigte Nadia gnädig ihren Kopf.
„Geile Show“, brüllte er ihr ins Ohr, um den hämmernden Bass zu übertönen. „Aber falscher Macker.“
Sie verzog das Gesicht, was er natürlich nicht mitbekam. Von allen schlechten Einstiegen hatte er mit traumwandlerischer Treffsicherheit den absolut Beschissensten ausgewählt.
„Mein Macker“, gab sie zurück, aber die Betonung ging entweder an ihm vorbei, oder er ignorierte sie.
„Moppel ist ’n Loser“, verkündete der Typ und disqualifizierte sich damit für alles, eine Lebensberechtigungskarte eingeschlossen. „Aber du bist ‘n heißes Stück. ‘N geiles Stück.“

Im ersten Moment fragte sie sich, ob er mit dieser Art von Anmache ernsthaft schon einmal einen Treffer gelandet hatte. Aber als er ‚geil‘ betonte, streifte er mit dem Finger eine ihrer harten Brustwarzen.
Nur die völlige Fassungslosigkeit über seine Dreistigkeit verhinderte, dass Nadia ihm sofort das Knie in die Weichteile rammte. Sie machte einen Satz zurück und blickte sich unwillkürlich nach Peter um. Und der stand mit versteinerter Miene am Rand der Tanzfläche.
Sein Kiefer war angespannt und die Knöchel seiner Hände, die zwei Gläser hielten, waren weiß. Sein Blick ruhte auf dem Typen, der bereits wieder die Distanz verkürzte und war… tödlich.

Das war ein Mann. Ihr Mann. Und er würde gleich jemandem sehr, sehr wehtun, wenn sie es nicht verhinderte.
Allein der Gedanke erregte sie so sehr, dass sie den eben noch empfundenen Ekel vergaß. Gott… Wie hatte sie jemals so einen weichgespülten, solariumsbebräunten Popper auch nur ansatzweise anziehend finden können, wenn es Männer wie Peter auf dieser Welt gab? Oder gab es vielleicht nur diesen einen…?

Nadia zog sich zurück, bis sie direkt mit dem Rücken bei Peter stand, der zwei Treppenstufen über ihr noch ein gutes Stück größer war als ohnehin schon. Noch immer hatte der ölige Casanova ihn nicht bemerkt. Und daran änderte sich auch nichts, als Peter heftig die beiden Gläser absetze.
Die Aufmerksamkeit des Möchtegern-Aufreißers war noch immer auf seine Beute konzentriert. Aber die griff einfach nach oben und holte sich die Hände ihres Freundes heran. Energisch führte sie ihn, bis er in ihr Dekolleté abtauchte. Die von den Gläsern auf ihn übertragene Kälte jagte ihr wohlige Schauer über den Rücken. Besonders, als sich seine Handflächen direkt auf ihre Brüste legten.
Im Falle eines Falles wusste Peter schließlich doch ganz gut, was er zu tun hatte.

Zwei Hände, die sich unter dem dünnen Kleid über die Brüste seines Zielobjektes legten, blieben dem Typen natürlich nicht verborgen. Irritiert blickte er auf und man konnte die Überraschung von seinen Augen ablesen. Aber die Botschaft schien ihn irgendwie nicht zu erreichen.
Statt schleunigst Leine zu ziehen, baute er sich auf und verschränkte die Arme. Als Nächstes hätte er vielleicht allen Ernstes einen Streit darüber angefangen, dass Peter seine Finger von seiner Beute lassen solle. Zuzutrauen wäre es ihm gewesen, denn mit sonderlich viel Grips war er wohl nicht gesegnet.
Aber so gerne Nadia ihn auch mit blutender Nase auf dem Boden gesehen hätte, so unangenehm wären wohl auch die Folgen davon gewesen. Es war eine Sache, die Rausschmeißer mit Handschlag zu begrüßen und eine andere, in deren Laden einen Streit anzufangen.
Also tat sie das Einzige, das ihr einfiel…

Während der Mann in ihrem Rücken den Buben vor ihr niederstarrte und der das in seiner Dämlichkeit nicht bemerkte, griff sie sich unter das Kleid. Ihr ausgestreckter, feucht glänzender Finger erregte die allgemeine Aufmerksamkeit aller Beteiligten und eine gewisse Irritation, als sie ihn bis knapp vor die Nase des Lackaffen brachte.
Dann zog sie die Hand zurück und reckte sie nach oben, bis sie Peters Gesicht fand. Und während er den Wink verstand und zwischen die Lippen nahm, was mit dem benetzt war, das nicht zuletzt durch sein bestimmtes Auftreten produziert wurde, schrie sie den Typen an:
„Näher wirst du meiner Muschi niemals kommen, Kuhficker! Die gehört nämlich ihm allein!“

Damit hätte die Sache erledigt sein können, denn nun endlich erreichte die Botschaft das kümmerliche Hirn des Idioten. Und sich mit einem ernstlich und sichtlich wütenden Peter anzulegen, war ihm dann wohl doch zu gefährlich.
Allerdings war die Musik genau in dem Moment herunter gepegelt worden, als sie ihre Botschaft aus vollem Hals verkündete. Und so wusste nun im Prinzip die ganze Diskothek Bescheid. Die kollektive Aufmerksamkeit richtete sich daher völlig auf Nadia. Ganz so sehr im Mittelpunkt hatte sie dann doch nicht stehen wollen.

Die große Überraschung für alle – die Blondine eingeschlossen – folgte dann durch Peter. Der sagte nämlich ganz ohne die Stimme zu erheben in die Stille hinein: „Fasst du noch einmal meine Freundin an, tue ich dir weh.“
Der DJ, der für einen langen Moment aus dem Konzept gebracht worden war, spielte schnell wieder Musik ein und die meisten Leute wandten sich ab, als nichts weiter passierte.
Nadias Stöhnen und ihr akuter Anfall von weichen Knien blieben daher weitgehend unbemerkt. Ihr stummes Stoßgebet, endlich von diesem unglaublichen Neandertaler in seine Höhle geschleift und so richtig nach Strich und Faden durchgenommen zu werden, allerdings leider auch.

Als der Lackaffe sich endlich verdrückt hatte, konnte sie gar nicht schnell genug in Peters Arme kommen, um jeden Millimeter seines Gesichts mit Küssen zu bedecken. Seine leichte Irritation legte sich langsam, als ihre unzusammenhängenden Wortfetzen sich Stück für Stück zu einer ziemlich schlüpfrigen, detailreichen und grafischen Liebeserklärung zusammenfügten. Er musste schließlich sogar grinsen.
„Es könnte mir ziemlich schwer fallen, noch ‚böse Miene‘ zu machen, wenn du das mit mir anstellst, während ich dich ficke“, wandte er ein. „Außerdem würde ich dich an einen Zirkus verkaufen, wenn du das könntest.“
Die Wahrheit war, dass Nadia keine Ahnung hatte, was sie eigentlich genau gesagt hatte. Und deswegen wusste sie auch nicht, was so witzig war. Aber sie wusste ganz genau, wie intensiv der Stromstoß in ihrem Unterleib sich anfühlte, als er davon sprach, sie zu verkaufen. Wie Besitz!

Sie konnte selbst nicht glauben, was ihr Mund als Nächstes tat, aber verhindern konnte sie es auch nicht.
Ganz dicht an seinem Ohr raunte sie: „Wenn ich dir gehöre, wie ein Stück Fleisch, dann solltest du mir ein Brandzeichen verpassen, damit niemand mehr auf die Idee kommt, sich an deinem Besitz zu vergreifen.“
Und die Art, wie er ihre Hüfte fester packte und sie gegen seinen Unterleib drückte, wo sich eindeutig etwas regte, sagte ihr, dass sie nicht die Einzige war, die dieser Gedanke erregte.
„Peter“, hauchte sie dann beinahe so leise, dass es von der Musik verschluckt wurde. „Ich will dich endlich! Bring mich nach draußen und irgendwohin, wo es die Sterne bezeugen können…
Und dann fick mich, bis ich um Gnade winsele!“




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