Danach beschloss ich mich in Paphos etwas umzusehen. In der Stadt angekommen machte ich einen Bummel durch den Hafen. Da waren mir aber zu viele Touristen und so machte ich mich auf in den alten Teil der Stadt. Dort sah ich fast keine Touristen sondern sah das Leben der Einheimischen. Zum Mittagessen suchte ich ein Lokal mit einheimischer Kost auf. Die Einrichtung war, nennen wir es rustikal. Blank gescheuerte Holztische und einfache Holzstühle. Als ich saß fiel mir ein, dass es entgegen dem ersten Eindruck ein Lokal mit gehobener Ausstattung sein müsse. Denn Holzmöbel sind auf Zypern eine Seltenheit, da sie sehr teuer sind.
Erst wurde ich misstrauisch betrachtet, als ich aber auf Griechisch bestellte verloren sie schnell das Interesse an mir. Das Essen war vorzüglich, gut gesättigt verließ ich das Gasthaus und stolperte über jemanden, der wohl vor der Tür gesessen hat. Ich entschuldigte mich. Es war ein junger Mann. Ungepflegt und schlecht gekleidet. Der Wirt kam hinter mir her, beschimpfte den jungen Mann, als Nichtsnutz und noch Schlimmeres.
Der junge Mann tat mir irgendwie leid und ich sprach ihn nochmal an. Seine erste Frage war „kannst mir ein bisschen Geld geben ich hab seit drei Tagen nicht gegessen?“
Da ich ihn umgerannt hatte war das selbstverständlich und lud ihn zum Essen ein.
„Aber bitte nicht hier“ sagte er „hier darf ich nicht rein.“
„Dann komm, zeig mir wo Du was essen kannst.“
Er führte mich in eine Art Scheune in der ein Mann dabei war Fleischspieße auf das offene Feuer zu legen. Er schaute mich interessiert an und fragte was ich wolle.
„Der junge Mann hat Hunger“ sagte ich.
„Den hat er öfters, er ist ein ausgestoßener, der bekommt nicht überall was. Er hat kein Geld und kein Zuhause. Aber ich will mal nicht so sein, ist halt eine arme Seele, aber eigentlich kein schlechter Mensch, hat auch nichts verbrochen.“
Jetzt war ich interessiert, begleitete den Jungen der mit einem vollen Teller an einen der wackligen Tische ging. Holte noch was zu trinken für uns beide und bezahlte alles. Da wurde der ʼWirtʿ freundlicher.
Der Junge aß, als gäbe es kein Morgen.
„Mach langsam, es nimmt Dir niemand was weg“ ermahnte ich ihn „wie heißt Du?“
„Luca“ kam es aus dem vollen Mund.
Ich ließ ihn erstmal fertig essen, lehnte mich zurück und fragte „Du hast wirklich kein zu Hause?“
„Rausgeworfen“ war die kurze Antwort.
„Wie alt bist Du?“
„19, aber warum interessiert Dich das denn“ kam es etwas unfreundlich zurück.
„Ganz einfach, ich leite zurzeit ein Camp für Jugendliche und bin deren Berater in allen Fragen.“
Da fingen seinen Augen an zu leuchten „gibt es bei Euch Arbeit für mich“ fragte er hoffnungsvoll.
„Kann sein, hast Du einen Führerschein?“
„Klar.“
„Pass mal auf“ sagte ich zu Luca „gibt es hier in Polis ein Badehaus?“
„Ja, aber da darf ich nicht rein.“
„Das werden wir sehen, aber erst werden wir Dir neue Kleidung besorgen, die Du danach anziehen kannst. Du kennst doch bestimmt Deine Kleidergröße?“
„Klar.“
„Sehr gesprächig bist Du nicht.“
„Ich kenn Dich nicht und ich weis nicht was Du von mir willst.“
Das war der erste vernünftige Satz von Luca.
„Ich will nichts von Dir, es tut mir nur Leid wenn jemand, aus welchen Gründen auch immer, kein zu Hause hat.“
Jetzt wurde sein Gesicht freundlicher „tut mir leid, bis jetzt haben die meisten mich nur eingeladen um mich zu missbrauchen. Aber ich bin kein Strichjunge.“
Aha, daher wehte der Wind „brauchst bei mir keine Angst haben, ich bin zwar schwul aber ich würde niemanden zu etwas zwingen.“
Bei dem Wort ʻschwulʻ blitzten seine Augen kurz auf.
„Das glaube ich Dir sogar, ich will versuchen Dir zu vertrauen.“
Er war fertig mit essen und trinken und wir zogen los und kauften vernünftige Kleidung und auch Arbeitsklamotten für Luca.
„Du scheinst das mit dem Arbeiten ernst zu meinen“ lachte er und zeigte auf die Arbeitskleidung.
So jetzt noch Rasiersachen, Luca sah mit seinem verwilderten Bart grausam aus. Vom Gesicht konnte man vor Bart und Schmutz nicht erkennen.
Beim Badehaus angekommen, gab es großes Gezeter beim Einlass. Aber nach ein paar Worten und einem Geldschein durfte Luca das Badehaus benutzen. Nach einer Stunde kam Luca wieder heraus. Ich erkannte ihn kaum wieder, ein hübscher junger Mann war aus ihm geworden. Keine Spur mehr von Bart und Schmutz und die neue Kleidung tat ihr Übriges. Nachdem Luca seine Habseligkeiten aus der alten Kleidung entfernt hatte wanderte das alte Zeug dahin, wo es hingehört, in den Müll.
Luca zeigte mir seinen Ausweis und den Führerschein. Damit war er praktisch schon eingestellt.
„Willst Du das Camp sehen? Fragte ich ihn.
„Gerne, jetzt wo ich mich als neuer Mensch fühle brenne ich darauf.“
Wir gingen zum Auto. Lustig war die Reaktion des ʻImbissbudenʿ Besitzers, wo wir noch etwas tranken. Er erkannte Luca nicht wieder und freute sich sichtlich über das neue Aussehen des Jungen.
Als Luca ihm erzählte, dass er wahrscheinlich bei mir arbeiten würde, sagte er nur „vermassel es nicht.“
Auf dem Weg zum Camp fing Luca an zu erzählen: Meine Eltern sind sehr konservativ und sehr gläubig. Sie konnten meine Lebenseinstellung nicht akzeptieren und da es immer öfter Streit gab. Warfen sie mich raus. Seitdem lebe ich auf der Straße und musste betteln, da meine Eltern mir mein ganzes Erspartes weggenommen hatten. Mir tut nur mein kleiner Bruder leid, der ist sechzehn und hat unter den Vorstellungen meiner Eltern zu leiden. Kann ich den mal anrufen, wenn ich wieder ein Telefon hab. Dann könnte er mich mal im Camp besuchen.“
„Nichts dagegen einzuwenden, kannst ihn nachher von meinem Telefon aus anrufen.“
Als wir an dem Hinweissc***d des Camps vorbeifuhren, grinste Luca nur leicht in sich hinein, sagte aber nichts.
Auf der Plantage angekommen, stellte ich Luca Kiriakos vor „der Junge heißt Luca und wird wahrscheinlich hierbleiben und in der Plantage mitarbeiten, bist „Du einverstanden?“
Fortsetzung folgt
Wie immer, Anregungen und Kommentare sind erwünscht.