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Die Manufaktur – 6 – Idee

6 – Idee

Wir standen so noch ein paar Sekunden im Vorführraum. Ich hatte meine Arme ebenfalls um Leonie gelegt und hielt sie fest an mich gedrückt. Ich genoss diese gegenseitige Umarmung. Ihr tiefes Atmen war beruhigend und aufregend zugleich. Ich fand diese kurze Zeit schon wieder sehr erregend, obwohl ich noch die Anstrengung der letzten Nacht spüren konnte. Allerdings befand mein Körper, dass es an der Zeit wäre, endlich Nahrung zu sich nehmen. Mein Magen meldete mit einen Knurren sein Recht an.
„Komm, lass uns hochgehen und frühstücken“, sagte Leonie und drückte mich mit ihrem Körper in Richtung Treppenhaus.

Oben angekommen gingen wir zum Küchentresen. Ich setzte mich auf einen der Stühle und Leonie ging auf die andere Seite. „Was möchtest Du essen?“, fragte sie. „Eier, Würstchen, Speck, Brötchen…? Such Dir was aus.“
„Ich denke, Eier wären nicht schlecht… Rühreier. Und ein Kaffee würde auch guttun“, antwortete ich. „Hast Du vielleicht auch was Frisches? Sowas wie Obst?“
„Klar. Was magst Du?“, kam prompt ihre Antwort. „Komm doch am besten mal rum. Hier im Kühlschrank findest Du alles, was da ist.“
Ich ging also um den Tresen und öffnete den Subzero-Kühlschrank. Im Obstfach lagen zwei Schälchen mit Erdbeeren, eine Ananas, zwei Mangos, zwei leicht matschige Birnen und ein paar Äpfel. Ich nahm eine Mango, die Ananas, einen Apfel und ein Päckchen Erdbeeren und stellte alles auf den Tresen. „Etwas Salat?“, fragte ich knapp. „Sehr gerne. Die Messer sind gleich hier drüben“, sagte Leonie. „Und hier im Schrank ist noch mehr Obst. Pfirsiche passen doch auch gut, oder?“ Sie gab mir noch zwei sehr lecker aussehende große Pfirsiche und eine Zitrone aus einem Unterschrank und legte alles zu den restlichen Früchten. „Perfekt“, lobte sie die kleine Auswahl und lächelte.

Ich hatte die Messer bereits entdeckt und machte mich daran, das Obst in kleine Stücke zu zerlegen. Leonie gab mir noch eine Schüssel, in der ich alles durcheinander mengte und uns einen wunderschön anzusehenden Obstsalat zauberte. In der Zwischenzeit schlug Leonie für mich ein paar Eier und setzte eine Pfanne mit Butter auf. Der Kaffee war ebenfalls fertig und nach ein paar Minuten stand unser Frühstück, das eigentlich ja schon ein Mittagessen war, vor uns.
„Eier sind für Mami gut…“, scherzte ich lachend, als ich die Riesenportion Rührei auf dem Teller vor mir sah. Leonie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Na ja… Sieh es als Ansporn für den restlichen Tag an.“
„Oh Gott, was hast Du mit mir vor?“, prustete ich. Fast hätte ich mich verschluckt. „Gib mir etwas Zeit zum Regenerieren“, bat ich scherzhaft flehend.
„Keine Gnade“, kam ihre Reaktion resolut, aber ebenso scherzhaft gemeint.
Jetzt wurde ich doch etwas unsicher: „Also… sag schon… Woran denkst Du?“, fragte ich vorsichtig.
„Vielleicht ein bisschen Spaß?“ Leonies Tonfall war etwas neckend und provokant. Es konnte sich alles Mögliche dahinter verbergen. Ich hatte allerdings das dumpfe Gefühl, je mehr ich versuchen würde nachzuhaken, desto weniger würde sie mir von ihrem Plan verraten. Also beschloss ich, nicht weiter nachzuhaken.
„Ok, Du hast gewonnen. Ich hab heute eh nix vor, also können wir auch einen auf ‚Spaß haben‘ machen“, schob ich spielerisch resignierend ein. Ich war natürlich auf das Äußerste gespannt, was der Tag bringen würde.

„Sag mal…“, fingt Leonie auf einmal recht nachdenklich an. „Wie findest Du eigentlich meine Firma?“ Sie knabberte genüsslich an einer großen Erdbeere und blickte mich mit interessierten Augen an.
„Ähhmmm… Ich find’s geil.“, stotterte ich etwas konfus. „Ganz anders, als ein normaler Sexshop. Du hast schon sehr exklusive Sachen im Angebot“, wurde ich konkreter.
„Hättest Du vielleicht Lust, Dich hier etwas zu engagieren?“
„Häh…? Wie jetzt? Wie meinst Du das?“ Ich war ein wenig ratlos, worauf Leonie anspielte. Sollte ich den Tester für ihre Maschinenmuschis geben, oder handwerkliche Fähigkeiten ausbauen? Verkaufen konnte ich nicht, jedenfalls hatte ich es noch nie probiert.
„Na ich hab drüber nachgedacht, ob Du vielleicht Bock drauf hast, mir hier etwas zur Hand zu gehen… vorführen… Beratung… Ideen geben“, Leonie sprach sehr ruhig, aber bestimmt.
„Hmmm…“, ich war etwas unentschlossen, vor allem aber unsicher. „Ich kann mir nicht ganz vorstellen, was Dir genau vorschwebt. Und… was bezweckst Du damit?“
„Na ja… Benno ist nicht mehr der Jüngste“, sagte Leonie. „Er denkt schon ne ganze Weile darüber nach, sich aus dem Geschäft etwas zurückzuziehen.“
„Schon klar“, sagte ich. „Aber weshalb gerade ich? Du kennst mich doch eigentlich gar nicht“, wand ich ein. „Und wie ich das von vorhin richtig in Erinnerung habe, hattest Du doch schon mindestens einen Interessenten gehabt. Warum jetzt dieser Sinneswandel?“ Mir war in der Tat nicht ganz klar, warum das, was vor einiger Zeit noch undenkbar war, auf einmal eine Option für sie zu sein schien.

„Der Kerl damals hatte vor, die Firma zu verhökern. Deshalb hat er versucht, an sie über mich ranzukommen. ICH war ihm dabei vollkommen gleichgültig.“ Leonie’s Ton wurde etwas traurig. Anscheinend erinnerte sie sich daran, wie dieser skrupellose Kerl sie damals ausgenutzt hatte.
„Und bei mir bist Du Dir sicher, dass es anders laufen würde?“, fragte ich etwas provozierend.
„Ich habe nicht vor, die Firma aufzugeben oder einen Investor zu finden“, sagte Leonie. „So tief, dass Du auch nur annähernd in diese Versuchung kommen könntest, habe ich gar nicht vor Dich zu beteiligen.“
Dass sie so ehrlich und direkt war, fand ich einerseits verständlich, andererseits kränkte es mich aber auch ein wenig. „Noch habe ich ja auch nicht ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ gesagt“, entgegnete ich. „Und… ich habe ja auch noch einen ’normalen‘ Job, bei dem ich meine Brötchen verdiene.“
„Na dann kannst Du Dir das ja ganz entspannt überlegen.“

Ihr Blick ging mir direkt unter die Haut. Er war wie eine Aufforderung, der ich kaum widerstehen konnte. Es reizte mich natürlich, diese Firma näher kennenzulernen. Ich habe viel Sinn für Sex, Erotik und alles, was damit zusammenhängt. Und ich hatte einen kleinen Narren an Leonie gefressen. Ihre freche Art gefiel mir. Ein bisschen provozierend, aber das mochte ich. Und ich bin auch durchaus in der Lage zu kontern, wenn es Not tut. Als ob sie auf eine sofortige Antwort von mir wartete, sah sie mir noch immer direkt in die Augen.

„Erzähle mir doch mal…“, hakte ich nun ein zweites Mal nach, „…weshalb ich der Richtigere für Dich wäre?“
Leonie lächelte mich breit und lieb an: „Bauchgefühl… Bei mir auch.“ Dann beugte sie sich auf meine Seite des Tresens und gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Nase.
„Und wie stellst Du Dir das mit der Beratung und Vorführung Deiner Maschinen vor? Soll ich Deinen Kundinnen in Deiner Testkabine zeigen, wie sie die Dildos ausprobieren sollen?“ Ich lachte ein wenig.
„Jaaa… So in etwa könnte ich mir das vorstellen.“ Leonie wirkte auf einmal verträumt. Ihre Stimme bekam einen sinnlichen Touch, so als ob sie sich bildlich vorstellte, dass wir beide einen Termin in ihrem Testlabor haben.
„Du meinst…“, ich stotterte schon wieder. „Ähhmm… Du meinst also… Deine Kundinnen lassen sich von MIR in die Handhabung dieser Dinger unterweisen?“ Ich war etwas ungläubig.
„Na vielleicht nicht alle“, sagte Leonie. „Aber bei einigen ist das durchaus möglich. Es ist sogar sehr wahrscheinlich.“
„Hui…“, mir wurde auf einmal etwas heiß. Alleine die Vorstellung, dass ich einer Kundin dabei behilflich bin, auf einer der Maschinen Platz zu nehmen, sie so einzustellen, dass der Dildo sie perfekt penetriert, um ihr einen optimalen Orgasmus zu bescheren, ließ meine Hose eng werden.
„Und was macht Dich dabei so sicher?“, fragte ich.
„Na einige haben mich schon direkt gefragt, ob Benno sie unterweisen kann“, sagte sie.
„Und? Will er nicht?“, fragte ich zurück.
„Nee… Benno hat daran kein Interesse. Er ist ein eher schüchterner Typ. Nackte Frauen machen im sogar Angst. Er bastelt nur leidenschaftlich gerne. Das höchste der Gefühle ist ein Test mit Gisela.“ Wieder schmunzelte Leonie.
„Wer ist Gisela?“, fragte ich. „Seine Frau? Seine Freundin?“
„Nein. Gisela ist ne Testpuppe. So eine schweineteure Spezialanfertigung aus der Schweiz. Vor ein paar Jahren hatten wir ne Bestellung für die Puppe bekommen. Ein Promi aus Süddeutschland wollte unbedingt diese Puppe haben. Sie sollte genau so aussehen wie Giselle Bündchen. Wir haben sie für ihn bestellt. Als er sie abholen wollte, hatte er einen tödlichen Unfall auf der Autobahn.“ Leonie wurde etwas nachdenklich. „So schnell kann’s gehen. Ich hab dann noch ne Weile versucht, die Puppe zu verkaufen, aber niemand wollte die fast fünfzehntausend Euro für sie ausgeben. Benno meinte dann, wir könnten sie behalten und als Dummy benutzen, um die Maschinen zu testen. Und seither hilft uns Giselle… alias Gisela bei der Perfektionierung der Maschinen.“

„Ich würde Gisela gerne mal kennenlernen“, sagte ich. „Sieht sie wirklich sooo echt aus?“ Ich war sehr neugierig. Ich hatte zwar schon einige Dokus über solche Puppen gesehen, und ich wusste auch, dass sie sehr lebensecht wirkten. Jedoch hatte ich noch niemals eine davon in der Realität bewundern dürfen.
„Etwas später“, sagte Leonie. „Benno hat unten noch einen Test laufen. Wenn er damit fertig ist, stelle ich sie Dir vor.“ „Er lässt sich nicht gerne bei diesen Tests stören, ja?“, bohrte ich mit einem Lachen nach. „Vielleicht hat er ja selbst Spaß dabei…“
Mit einem ‚Schluss damit‘-Gesicht holte mich Leonie wieder an den Frühstückstisch zurück: „Ich habe KEIIIINE Ahnung, was Benno in seiner Werkstatt treibt. Wir haben ein Abkommen. Wenn seine Tür zu ist, bleibt sie zu. Ebensowenig kommt er in die Ausstellung oder den Vorführraum, wenn ich mit Kunden da bin. Er hat auch einen separaten Eingang zur Werkstatt. Ich sehe an einem Licht, wenn er da ist.“
Mit einem hörbaren Ausatmen machte mir Leonie deutlich, dass für sie dieser Teil des Gesprächs damit beendet war.




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