Nachdem Hannah Daves Schwanz saubergeleckt hatte, wurde sie kurz mittels eines Eimers kalten Wassers so weit gereinigt, dass man sie wieder nach drinnen bringen konnte. Dort durfte sich Hannah waschen und die Ärztin verabreichte ihr einen weiteren, reinigenden Einlauf. Hannah war todmüde aber sie wusste ganz genau, dass nun nicht der Moment zum schlafen war.
Sie hatte kaum Zeit für sich, als zwei Büttel sie abholten. Sie bekam ein graues rau geschneidertes Stoffkleid, dessen Beschaffenheit Hannah an zusammengenähte Kartoffelsäcke erinnerte, dass sie schnell überstreifte. So ausstaffiert geleitete man sie durch einen Seiteneingang des Rathauses. Diesmal führte ihr Weg in die kleine Dorfkirche, wo sie durch die Bürgermeisterin in Empfang genommen wurde. In ihrer Begleitung befanden sich Ernestine und Maggie und ein hagerer, sauertöpfisch dreinblickender Mann in schwarz. Hannah schloss, dass es sich um den Dorfpriester handeln musste. Es war offensichtlich, dass Ernestine unlängst geweint haben musste. Die Bürgermeisterin, Ernestine Großmutter schien nicht gerade allerbester Laune zu sein. Der Priester sah sauertöpfisch und Maggie eher unbeteiligt aus. Hannah konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber sie ging davon aus, dass der Streit der sich zwischen den Vieren entspannen haben musste, noch lange nicht beigelegt war.
Aber erst einmal mussten sie sich wohl oder übel um die Hexe kümmern. Hastig verfrachteten sie die junge Hexe in die Sakristei. Hannah konnte nur einen flüchtigen Blick auf den wegen des herbstlichen Dämmerlichts nur undeutlich zu erkennenden Schandstuhl werfen, den man für sie aufgestellt hatte. Ziemlich unsanft drückte man sie in die kleine Kammer und bevor sie es sich versah, hatte man die ihr die schwere Türe vor der Nase zugeschlagen. Sofort hörte sie wie das Schloss verriegelt wurde. Hannah fröstelte und fand in dem Raum ein paar Decken in die sie sich hüllte, um zu harren was da kommen mochte.
Hannah machte wirklich keine Anstalten um zu lauschen, aber das Streitgespräch, welches sich im Hauptschiff der Kirche entspann, war nun wirklich nicht zu überhören. Die Bürgermeisterin machte Ernestine lauthals Vorwürfe, scheinbar hatte sich diese „in den Kopf gesetzt“ (Hannah wusste das natürlich besser) sich für das kommende Jahr als Hexe zu melden. Der Dorfpriester versuchte die alte Frau mit dem Argument zu beruhigen, dass sich auch früher verwegene Dorfmädchen freiwillig als Dorfhexe gemeldet hatten, wurde jedoch von der Bürgermeisterin angeherrscht. „Verdammt! Du weißt so gut wie ich, dass ein kaputtes Kleid tragen und ein wenig Schabernack mit sich treiben lassen kann ein verdammter Kindergeburtstag gegen die Tortur von heute!“
„Das kommt davon, wenn man das Erntedankfest zu einem Mekka für perverse Sexfreaks macht!“, rief der Pastor erregt. Die Bürgermeisterin wollte ihm ins Wort fallen, doch ließ sich der alte, strenge Priester dies nicht mit sich machen. Er setzte zu einer wütenden Predigt an und ließ seinem heiligen Zorn einmal freien Lauf. „Hör auf zu flennen! Du hattest bis jetzt keine Probleme eine ausländische Perverse zu rekrutieren, damit unser Dorf für ausländische Perverse interessant wird – und wofür?“ Nun schrie er. „Und warum? Für ein paar läppische Einnahmen, hast du die Tugend und die Werte unseres Dorfes verkauft!“ Es kehrte eine kurze Stille ein und seine Stimme wechselte in den Diskant. „Und jetzt geht die Saat, die du selbst gesät hat eben auf!“ Seine Stimme wurde ruhig und hämisch. „Es ist schon eine besondere Ironie des Schicksals, dass deine teuflische Saat ausgerechnet in deinem eigenen Geschlecht aufgegangen ist. Hannah konnte das hämisch-böse Grinsen des Pastors vor ihrem geistigen Auge sehen.
Hannah wusste nicht ob sie danach nach draußen gingen oder einfach nur ihren Ton mäßigten sie vernahm jedenfalls nichts mehr aus dem Hauptschiff. Sie fröstelte immer noch leicht und warf eine weitere Decke über sich und kauerte sich zusammen. Ihr kam wieder in den Sinn, unter welchen Umständen sie für diesen Wahnsinn hier rekrutiert worden war.
Johann und Hannah hatten sich gestritten. Ein Dreitägiges Martyrium ging ihm zu weit. Er kannte seine Schutzbefohlene viel zu gut, um sie einfach machen zu lassen. Er wusste um ihre besonders große selbstzerstörerische Ader und wie schwer sich diese im Zaum halten ließ. Schnell bereute er, dass er es war der Hannah erst auf die verhängnisvolle Anzeige aufmerksam gemacht hatte.
Er hatte es ihr verboten auf die Anzeige zu reagieren und doch hatte sie sich darüber hinweg gesetzt. Nach Tagen des Zweifelns, hatte sie doch reagiert und um zusätzliche Informationen gebeten. Bereits einige Tage später war kleiner Umschlag angekommen indem die Bürgermeisterin des kleinen Dorfes kurz erklärte was es mit der merkwürdigen Annonce auf sich hatte und welche Geschichte sich dahinter verbarg.
In diesem Brief wurde erklärt, dass jenes kleine Dorf in Northumberland seit je her die Tradition kannte eine Hexe zu Halloween zu wählen mit der dann ausgebreitet Schabernack getrieben werden durfte. Entstanden war dieser Brauch bereits im 18. Jahrhundert. Die Dorfgemeinschaft nutzte ursprünglich diesen Brauch um allzu spitzen Zungen und aufmüpfigen Geistern einen kleinen Dämpfer zu verpassen. Später hatte er sich von seiner ursprünglichen Intention wegentwickelt. Der Bestrafungscharakter wich mit der Zeit immer mehr einem freundlichen Schabernack und den gewählten Hexen stand ab den Zehnerjahren des Zwanzigsten Jahrhunderts sogar ein Ehrenplatz bei allen Volksfesten zu. In den Sechzigerjahren hatte sich der Brauch dann schließlich zur Mutprobe gewandelt wo die verwegenen Mädchen eines Jahrgangs sich freiwillig meldeten, sodass die Hexe unter ihnen gewählt werden konnte. Die Hexe bekam dann eine mehr oder weniger hohe Aufwandsentschädigung, die indirekt von der Intensität der eingegangenen Mutprobe abhängig war.
Ab diesem Zeitpunkt war der Schabernack Stück für Stück böser und intensiver geworden, schließlich handelte es sich ja um eine Mutprobe. Diese Mutproben waren immer extremer und extremer geworden, bis Anfang der Neunzigerjahre Dinge geschahen auf die „Niemand stolz sein konnte.“ Seitdem war es dann wieder weitaus braver geworden – allerdings zum Preis eines rapide abebbenden Interesses der Mädchen und der Bevölkerung.
Im letzten Jahr hätten sie den Brauch beinahe einstellen müssen, weil es keine Kandidatinnen mehr gab. Deswegen hatte man sich zusammengesetzt, um ein neues Konzept auszuarbeiten, das einerseits den Einheimischen Freude und Zerstreuung bieten konnte, zahlende Gäste in die Region ziehen konnte und den ursprünglichen Sinn des Brauches wiederaufleben lassen konnte. Nach „langen und kontroversen Beratungen“ hatten sie sich dann für dieses „aufregende“ Modell entschieden.
Auf diesen Brief hatte Hannah dann reagiert und nach einigen längeren Telefonaten hatte sie schließlich eine Einladung nach Northumberland erhalten. Es war Hannah schwergefallen so ganz ohne ihren Johann nach Nordengland zu fliegen, hatte es aber letztendlich nicht bereut diesen Schritt gemacht zu haben. Sie hatte sich mit der ältlichen Bürgermeisterin, eine eher rundliche Person, die Hannah entfernt an eine Henne erinnerte und dem lokalen Vorsitzenden der Handelskammer, ein distinguiert aussehender Mann Mitte Vierzig getroffen, der sich Robert nannte. Es war Hannah nicht besonders schwer gefallen die Dynamik dieses Duos zu ergründen. Er war die treibende Kraft hinter diesem Vorschlag – sie schien sich nicht ganz wohl beim Gedanken an das Kommende zu fühlen. Es ging der Dame darum das Halloweenfest in ihrem Dorf zu retten und dafür war ihr scheinbar jedes Mittel Recht.
Schnell entspann sich ein angeregtes Gespräch zwischen Robert, dem ansässigen Hotelier und Hannah über mögliche Teile des Spektakels. Die Bürgermeisterin hatte zunehmend blasser werdend daneben gesessen und nur ab und an versucht mäßigend auf die beiden einzuwirken, um die zumindest die aus ihrer Sicht schlimmsten Übertreibungen der beiden zu korrigieren. Nach etwa drei Stunden Diskussion war alles in trockenen Tüchern. Das Spektakel stand und Hannah wusste, dass sie sich die Tage jenes Spektakels frei halten musste.
Hannah schreckte auf, als die Tür aufsprang. Die Ärztin kam herein, überzeugte sich rasch davon, dass es Hannah gut ging, gab der Hexe einen Satz ziemlich warmer Kleidung, die die Hexe flugs überstreifte und winkte dann zwei Büttel herein. „Du weißt vermutlich, was jetzt kommt.“, stellte sie nüchtern fest. Hannah nickte. Sie wusste wirklich genau was jetzt kam. Sie sah die schwere Eisenmaske, die der Büttel da trug. Hannah öffnete ihren Mund soweit sie konnte und schloss die Augen und empfing den schrecklichsten Knebel den sie je getragen hatte. Es handelte sich um einen schrecklich breiten Ringknebel der auch noch einen kurzen nach innen ragenden Stahlstift aufwies, der konstant ihre Zunge irritieren würde. Meine Güte was würde sie sabbern. Sie hielt ihre Augen geschlossen so sehr war sie damit beschäftigt, sich an den schrecklichen Knebel zu gewöhnen.
So bekam Hannah kaum mit, wie die Büttel ihren Kopf mit mehreren Stahlbändern umfassten und diese Stahlbänder dann mit schweren Vorhängeschlössern arretierten. Als Hannah ihre Augen öffnete, musste sie sich erst mal an ihre veränderte Sicht gewöhnen, weil Stahl ihre Sicht in jede Richtung stark behinderte. Ihr war als sähe sie durch eine Sichtblende und trüge außerdem noch Scheuklappen. Bei dem Gedanken, dass sie dies vermutlich auch tat, heiterte sie auf eine verrückte Manier auf. Sie spürte wie die Büttel sich an ihrem Halsband zu schaffen machten. Vermutlich verbanden sie warum auch immer die Maske mit ihrem Halsband. Als ein Büttel ihr böse grinsend eine schwere Kuhglocke vor die Nase hielt, wusste Hannah warum. Sie vervollständigten ihre Arbeit damit die Hexe mittels einem breiten Metallstift den sie in die Öffnung des Ringknebels schoben effektiv zu knebeln.
Das Gewicht des Teils drohte ihren Kopf herunter zu ziehen. Mit Mühe gewöhnte sie sich aber daran. Dann ließen sie Hannah allein. Zu Hannahs Verblüffung beeinträchtigte die schwere Eisenmaske ihr Hörvermögen so gut wie gar nicht. So entging ihr nicht, dass sich das schwere Holztor der kleinen Kirche in immer schnelleren Abständen schwer über den Boden schabend öffnete und wieder schloss. Die Kirche lief also langsam voll. Dann öffnete sich die Tür ein weiteres Mal. Hannah straffte ihren Körper bereit sich den abschätzigen Blicken der Kirchengemeinde zu stellen und den letzten langen Abschnitt ihres selbstgewählten Spießrutenlaufes zu beginnen.
Doch anstatt den Bütteln die sie erwartet hatte, traten die kleinen, zierlichen Gestalten Ernestines und Maggies in ihr Blickfeld. Ernestine sah Hannah mit schreckgeweiteten Augen an, während sich Maggie scheinbar nicht entschließen konnte woran sie sich mehr ergötzen solle: An Hannahs beschämender Aufmachung oder an Ernestines großem Schrecken. Die Hexe sah Ernestine lange und intensiv an. „Nächstes Jahr trägst du diese Maske, vielleicht schon früher.“, dachte Hannah ebenso nüchtern wie mitleidlos. Ein feines, bösartiges Grinsen auf Maggies Gesicht zeigten, dass die junge Frau wohl das Gleiche dachte.
Alle drei standen in dem kleinen Raum und starten sich schweigend an. Worte waren überflüssig. Sodass Hannah die Zeit bekam die beiden jungen Frauen sorgfältig zu mustern. Während Maggie ein hübsches, blaues seidenglänzendes Abendkleid trug, über das sie einen auffallenden weiten, roten Mantel gezogen hatte. war Ernestine mit einem einfachen, schwarzen Rock bekleidet über den sie einen schwarzen, schweren Mantel trug. Der Kontrast zwischen den beiden hätte nicht größer sein können. Es konnte nicht deutlicher sein, wer der beiden die Herrin und wer die Dienerin in diesem Gespann war.
Maggie gab den Anwesenden noch weitere 5 Minuten, um ihre Gefühle auszukosten, dann zog sie Ernestine zu sich, sah ihr tief in die Augen und führte sie nach draußen. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis das Spektakel beginnen würde.
Und es dauerte in der Tat nicht lange, bis zwei Büttel kamen, um die Hexe abzuholen. Hannah war geradezu dankbar, dass die beiden Männer sie in ihre Mitte nahmen, denn durch die schwere Maske und ihr eingeschränktes Sichtfeld konnte sie sich kaum geradeaus bewegen. Durch die Sichtblenden kam es ihr vor als sähe sie durch ein Kaleidoskop in dem ihr in schneller Abfolge eine endlos lange Reihe beunruhigende Bilder gezeigt wurden.
Viele feindselige Gesichter waren dabei, einige höhnisch amüsiert, viele an ihrem Anblick aufgegeilt. Sie wollten die fremde Hexe leiden sehen und Hannah wusste, dass sie ihren Willen bekommen würden. Hannah hatten die letzten Monate und Jahre extrem abgehärtet, doch für einen kurzen Moment übermannte sie eine panikähnliche Urangst.
Hatte sie sich diesmal zu viel zugemutet? Konnte sie den Leidensweg, der sie nun erwartete wirklich aufrecht zu Ende gehen? War dies überhaupt ihr Ziel gewesen? Oder war jetzt der Moment gekommen an dem sie sich eingestehen musste, dass sie in ihrer Selbstbestrafung zu weit gegangen war, sogar bis zu dem Punkt an dem sie sich selbst zu brechen drohte.
Eine Urkraft überfiel die Hexe. Für einen Moment bäumten sich alle Kräfte in ihrem Inneren, die auf Selbsterhalt aus gewesen waren auf. Hannah schrie auf und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Druck der beiden Büttel. Diese wurden durch diesen allzu plötzlichen Widerstand buchstäblich auf dem verkehrten Fuß erwischt. Für einen kurzen Moment drohten die Büttel ihr Gleichgewicht zu verlieren und die Hexe freizugeben. Doch sie fingen sich schnell und brachten die junge, ausgelaugte, zierliche Frau schnell wieder unter ihre Kontrolle und zerrten sie einfach weiter. Noch bevor das Grüppchen die Altarempore erreicht hatten, hatte die Hexe ihren Widerstand auch schon wieder aufgegeben aber der freudigen Erwartung neuer Bestrafungen und neuer Leiden, die ihr Betragen bislang ausgezeichnet hatte, war einer angstvoll resignierten Apathie gewichen. Eine ironische Stimme in Hannahs Kopf flüsterte ihr keck zu, dass auch eine Masochistin irgendwann mal leidensmüde wird.
Seitlich zum Altar, gleich neben den Plätzen für die Ministranten war ein schwerer Eisenring in den Kirchenbodeneingelassen worden an dem schon Eisenketten vorbereitet worden waren. Sie musste sich seitlich zu diesem Ring, kniend Platz nehmen, sodass man sie mittels dieser Ketten kniend fixieren konnte. Erst in diesem Moment fand sie die Muße kurz nach rechts ins Kirchenschiff zu blicken. Es überraschte die junge Frau nicht im Geringsten zu sehen, dass die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt war. Leider war es ihr nicht vergönnt sich ausgiebig mit dem Publikum zu beschäftigen, denn sofort wurde die Glocke geläutet. Alle standen auf, außer der Hexe die ja in kniender Position fixiert war. Einer der Ministranten verpasste ihr einen mittelharten Stockhieb und zischte ihr zu, dass sie sich ruhig zu verhalten habe. Sie sollte nur auf den Boden blicken, was Hannah tunlichst tat.
Die Leute stimmten halbherzig das Eröffnungslied an. Es war deutlich, dass die Mehrheit der Teilnehmer dieses Gottesdienstes seit etlichen Jahren keine Kirche mehr von innen gesehen hatten und Hannah träumte sich davon.
Johann hatte mit ihr über diesen Punkt gesprochen. Er hatte sie gewarnt als sie ihm letztendlich offenbart hatte, was sie zu tun gedachte. Johann war ganz ruhig geblieben und ihr gesagt, dass sie natürlich ein freier Mensch blieb der tun und lassen konnte, was er wollte. Allerdings nicht ohne hinzuzufügen, dass er darüber nachdenken musste ob er sie nach diesem Vertrauensbruch noch zurück haben wollte.
Hannah hoffte, dass nun der Moment erreicht war, an an dem auch eine völlig verdorbene Verrückte wie sie ihre Grenzen endlich kennen lernte und sich entscheiden musste, ob sie diese versetzen wollte. Dies war der Plan des ganzen Unterfangens: Zum ersten Mal würde der Moment dokumentiert werden an dem eine Masochistin zum ersten Mal ihren Grenzpunkt erreichte. Dies würde die kleine wissenschaftliche Welt die sich damit befasste in ihren Grundfesten erschüttern, das würde Hannah einen Master und langfristig selbst einen Doktortitel einbringen – und wie Johann süffisant angemerkt hatte, wahrscheinlich auch einige Bekanntheit und einen Haufen Geld, wenn sie ihre Geschichte verkaufte.
Aber wollte sie das wirklich tun? Wollte sie wirklich mit ihrem Masochismus bekannt worden. Es war aufregend, dass ihre sexuellen Vorlieben einem zwar breiten, aber dennoch ziemlich exklusiven Club von Personen ihrer persönlichen, kleinen, aufgeklärten akademischen Welt bekannt war, aber was wäre wenn eine ganze Nation darum wüsste – Boulevardmedien es ausschlachteten. War das dann immer noch demütigend aufregend oder schlicht und ergreifend vernichtend?
Was konnte sie ertragen? Wo war ihre Grenze?
Hannah wurde sehr unsanft aus ihren Gedanken gerissen, als der Ministrant, ein rüder Bursche ihr einen weiteren Stockschlag verpasste und ihr zuzischte, dass sie den Priester gefälligst ansehen solle, wenn er mit ihr sprach. Die Messe war in der Tat schon bis zur Predigt vorgerückt und der Priester sprach über Sünden und Buße im Allgemeinen und über Hannah im Besonderen.
„… Eine besondere Schuld hat diese Sünderin hier auf sich geladen.“ Der Priester zeigte mit einer theatralischen weit ausholenden Bewegung auf die kniende Hexe als ob nicht jedem einzelnen Anwesenden klar gewesen wäre, wer gemeint war. „Doch es besteht noch Hoffnung Brüder und Schwestern! Ihre Seele ist noch nicht verloren! Sie hat ihre vergangenen Verfehlungen eingesehen und ihre Schuld eingestanden. Und sie ist nicht nur bereit Buße zu tun. NEIN! Sie hat um diese Buße gebeten, ja sogar gebettelt. Brüder und Schwestern! Dies ist echte Reue und ist aller Ehren wert!“
Hannah wagte zu bezweifeln, dass die Anwesenden dies ernst nahmen, mochte auch der alte Priester vielleicht an seine Worte glauben.
„Brüder und Schwestern! Es ist unsere Christenpflicht dieser armen Seele bei ihrer reinigenden Buße behilflich zu sein.“ Hannah hatte nicht den Hauch eines Zweifels, dass viele der Anwesenden dieser Christenpflicht nur allzu gerne nachkommen würden. „Es mag vielen von euch schwerfallen eine Kreatur Gottes so leiden zu sehen und zu diesem Leiden auch noch bei zu tragen…“ Hannah musste den Ausbruch eines kurzen Lachers unterdrücken. „… aber denkt daran, dass es hier nur um das Beste für diese arme Seele geht, die sonst wahrscheinlich rettungslos verloren wäre, denn ihre Sünden wiegen unmessbar schwer.“
„Aber Gott vergibt alle Sünden und ihr Wille sich dieser harschen Buße zu unterwerfen wird den Herrn von ihrer Aufrichtigkeit überzeugen.“ „Oder von meiner absoluten Verdorbenheit“, fügte Hannah in ihren Gedanken hinzu.
„Kommen wir jetzt zu einer anderen, ernsten Angelegenheit.“, sagte der alte Priester, wobei sich in seine Stimme ein Hauch Melancholie mischte. „Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich während die eine Sünderin ihre Buße tut, bereits die nächste Sünderin hervortut. Wir sprechen hier über eine wohlbekannte und bislang hochgeschätzte Tochter dieses Dorfes, die von einer Vielzahl von Bürgern einer Vielzahl von Verbrechen beschuldigt wurde. Sie konnte diese Anschuldigungen bislang nicht aus der Welt räumen. Wenn die Beschuldigte zu mir kommen könnte… Ernestine komm her!“
Hannah konnte ihrem Drang nicht widerstehen zu ihr hinzusehen, doch das machte diesmal nicht, weil der gemeine Ministrant nur Augen für die hübsche, junge Frau hatte die mit vor Verlegenheit erröteten Wangen zum Priester vortrat.
„Ernestine, der Kirchenrat hat folgenden Beschluss gefasst:“, Der Priester machte eine Kunstpause. „Weil wir die Vorwürfe, die gegen dich erhoben wurden nicht entkräften konnten, wollen wir dich einer peinlichen Untersuchung unterziehen. Diese wird durch die Mitglieder des Kirchenrates und ausgewählter, ehrbarer Bürger durchgeführt. Diese peinliche Untersuchung beginnt mit dem heutigen Tage und endet am Abend des dritten Tages vor Allerheiligen des folgenden Jahres. Dann legt der Kirchenrat öffentlich sein Zeugnis vor und ein Urteil wird über dich gesprochen. Bist du damit einverstanden?“
Eine gespannte Stille legte sich über alle Anwesenden. Hannah fragte sich, ob sie richtig gehört hatte. Wollten diese Leute die arme Ernestine wirklich ein ganzes Jahr durch einen gemeinen Spießrutenlauf schicken? Und würde das arme Mädchen das wirklich aushalten? Nur weil Hannah das konnte, hieß das noch lange nicht, dass Ernestine das konnte. In Hannahs Augen, zeigte dieses Mädchen zwar alle nötigen Anlagen aber das hieß noch lange nicht, dass sie bereit war, für eine so intensive Erfahrung.
Ernestine schwieg. Hannah beobachtete das Mädchen intensiv. Ihre Zweifel waren ernst. „Ernestine, wenn du mit diesem Beschluss einverstanden bist, dann empfange diese Fesseln als Zeichen, dass du dich der Untersuchung und dem Urteil des Kirchenrates unterwirfst.“ Wie auf Kommando war Maggie aufgestanden und brachte ein Paar Ledermanschetten nach vorne. In diesem Moment fiel Hannahs Blick auf das Gesicht der Bürgermeisterin, die aussah als habe sie einen Frosch verschluckt. Alle sahen gespannt zu, wie Maggie ihrer besten Freundin die Ledermanschetten anlegte. Hannah sah wie sehr die junge Frau mit sich und einer aufkommenden Panik kämpfen musste, um ihre Hände nicht hektisch weg zu ziehen.
Als sie endlich saßen, sprach der Priester weiter. „Ernestine, empfange nun diesen Knebel als Zeichen, dass du das Recht aufgibst der Untersuchung und dem Urteil des Kirchenrates zu widersprechen.“ Diesmal brachte Robert in seiner Bütteltracht den Knebel. Es handelte sich um einen weiten, schwarzen Muzzlegag mit einem sehr kleinen Mundstück, dessen Funktion eher war beeindruckend auszusehen als seine Trägerin effektiv zu knebeln. Maggie musste Ernestine erst gut zureden bis sie den Mund öffnete, um das Mundstück zu empfangen, sodass Robert diesen mit Lederriemen fixieren konnte.
„Ich entlasse dich bis auf weiteres in die Obhut von Bürgerin Maggie hier. Ich habe vernommen, dass sie deine beste Freundin ist. Sie wird dich auf die erste Phase deiner peinlichen Untersuchung vorbereiten.“ Ernestine war tief gedemütigt, still rann eine einzelne Träne ihre linke Wange hinunter. Doch wenn es bis zu diesem Zeitpunkt nicht schon schlimm genug für die junge Frau gewesen wäre, sprang just in dem Moment in dem sich Ernestine in ihrem neuen Aufzug dem Publikum zuwandte eine ältere Frau auf und lief schluchzend davon. Ernestine stand wie zur Salzsäule erstarrt einfach da. Sie war völlig vernichtet. Hannah schloss dass es sich wohl um Ernestines Mutter gehandelt hatte. Ernestine wollte nach einer kurzen Verschnaufpause endlich von dem Podium herabsteigen, doch Maggie hielt sie zurück. Sie wollte die Demütigung ihrer Schutzbefohlenen perfekt machen. Sie stellte sich hinter Ernestine und verband aufreizend langsam Ernestines Manschetten hinter ihrem Rücken. Erst dann führte sie die weinende Ernestine vom Podium auf ihren Platz.
Hannah beeilte sich wieder auf den Boden zu starren, bevor sich der Ministrant aus seiner faszinierten Starre löste. Den Rest des Gottesdienstes ließ die Hexe einfach über sich ergehen. Ganz mit den Gedanken bei den Dingen, die sich in dieser Nacht noch erwarten würden. Am Ende des Gottesdienstes stimmte der Priester noch einmal alle Anwesenden zu den Aktivitäten des kommenden Abends ein. Der Ministrant löste Hannahs Ketten, sodass zwei Büttel sie in ihre Mitte nehmen konnten und sie sich direkt hinter den Priester ins Gefolge einreihen konnten.
Hannah hätte inzwischen geglaubt, dass sie sich an die feindselig, höhnisch, herablassende, lustvoll demütigende Blicke gewöhnt haben müsste, doch dem war nicht. Jeder einzelne Blick war ein neuer kleiner Stich, den sie tief in ihrem Inneren fühlte. Sie musste sich eingestehen, dass sie langsam wirklich genug hatte. Noch diese eine Nacht musste sie über sich ergehen lassen, dann war sie wieder frei.