Blut, Wasser und Tränen
„Deine Zeit ist um“, sagte Katy mit einem teuflischen Grinsen und Alina schaute sie mit einem entsetzten Gesichtsausdruck an ihrem angeschnittenen Finger saugend an. Das Messer zitterte in der Tischplatte, wo gerade noch ihre Hand gelegen hatte.
Sie schaute Jessica, an doch die zuckte nur mit den Schultern: „Deine Wahl“, sagte sie, „es war von Anfang an deine Wahl.“
Alina sah mich an und ich holte einen kleinen Wurfstern heraus.
„Deine Wahl war das was, und uns hast du das wie überlassen. Katy und ich wollen eine Hetzjagd.“ Ich sah sie jetzt durchdringend an, „also lauf.“
Sie zögerte kurz, bis sie ein Klicken und ein kurzes Surren hörte.
„Ist das aber ein leichter Abzug“, stellte Katy fest und legte die Armbrustpistole auf den Tisch.
Alina starrte auf den Bolzen, der vorne zwischen ihren Beinen steckte. Ein Zentimeter höher und er hätte in ihrer Muschi gesteckt. Sie rappelte sich hoch und schaute sich nochmal kurz um.
„Bitte sag, dass du es dir anders überlegt hast, bitte, bitte“, dachte ich.
Aber sie nickte nur und verschwand.
„Woher wisst ihr, dass sie sich in die richtige Richtung wendet“, wollte Jessica wissen.
„Ich habe ihr gestern einen GPS Sender ins Essen geschmuggelt. Noch liegt er nicht im Klo“, grinste Katy und zeigte auf ihrem Handy auf einen Punkt, der Richtung Tagebau lief.
„Gebt ihr ihr Vorsprung?“
„Mit dem Bauch, bist du verrückt? Ich kann doch nur noch watscheln. Andrew macht den Lenker und ich den Treiber. Ich kann besser zielen. Andrew darf dann auch treffen, die Dinger sind eh fast stumpf.“
Katy stemmte sich vom Stuhl hoch.
„Du bist sowieso verrückt“, stellte Jessica fest. „Du bist nur noch Stunden von einer möglichen Geburt weg und willst nun auf eine Menschenjagd.“
„Dafür habe ich ja dich. Du bist mein Joker.“
„Der dich, wenn die erste Wehe kommt, mit einem Quad aus dem Gelände bringen soll. Ich dachte immer, ich bin hier die Schmerzgeile. Da habe ich mich geirrt.“
„Nur weil ich bei dem Gedanken an Schmerzen nicht auslaufe, bedeutet das nicht, dass ich Schmerz nicht ertragen könnte“, sagte Katy und ging raus.
„Halte trotzdem Decken, ein Kanister Wasser, ein paar Schüsseln und Lappen vor, falls sie es doch nicht heraus schafft. Zur Not haben wir da ja noch ein Paar in der Rückhand.“
„Und du denkst, das der Schäfer und die Lektorin wirklich noch Lust haben, Katy oder dir zu helfen, wenn erst einmal ein paar Pfeile in Alina stecken?“
„Alina muss doch glaubhaft gemacht werden, dass unsere Form von töten schlimmer ist als jede Form des Lebens.“
„Aber das wird nicht ihren Lebensunwillen heilen.“
„Da hoffe ich hilft die Liebe des Schäfers.“
Katy schaute zur Tür rein. „Kommst du endlich? Die lässt sich zu viel Zeit.“
„Das ist doch gut für dich.“
„Aber schlecht für die Glaubwürdigkeit des Plans.“
Also gingen wir los. Katy war trotz des Ausdruck watscheln ziemlich zügig unterwegs. Und so dauerte es nur Minuten, da hatten wir Alina an der alten Abbaukante eingeholt, die nun ein mit jungen Birken bewaldeter Hang war. Sie sah sich um und wusste nicht genau, wohin sie wollte, da schlug genau auf Kopfhöhe ein Bolzen in den Baum neben sie und einer meiner Sterne folgte und traf sie an der Brust, als sie sich umdrehte. Ihr Shirt hatte wohl ein Loch, aber mehr dürfte da kaum passiert sein.
Sie dachte wohl noch, wenn sie dort stehen blieb würde es schneller vorbei gehen, da schlug der nächste Bolzen durch den Stoff ihrer Hose und nagelte sie an den Baum hinter sie.
„Hab sie“, sagte Katy. „Erst die Nägel ziehen und dann die Lippen cutten oder umgekehrt.“
Alina riss sich los. Sie musste nach allem davon ausgehen, dass Katy das ernst meinte. Es war auch tatsächlich so, dass Katy alleine die Vorstellung das tatsächlich zu tun erregte. Es auszuführen bei jemanden gegen seinen Willen allerdings stand da auf einem vollkommen anderen Blatt.
Aber Alina lief.
„Geht doch“, sagte Katy und sammelte die Bolzen ein und gab mir den Wurfstern. „Ich dachte, die sind nicht scharf. Da ist Blut dran.“
Ich prüfte den Stern und bemerkte, dass alle Spitzen angeschärft waren. Ich kontrollierte alle anderen und auch die waren geschärft.
„Ich war das nicht“, sagte Katy.
„Dann war es entweder Jessica oder Alina selber.“
„Oder ihr Schäfer, der war schließlich jeden zweiten Tag da.“
„Und du denkst, er will. dass sie mehr leidet?“
„Vielleicht will er bei der Rettung auch was abbekommen. Damit er mehr der glorreiche Held wird.“
„Das könnte nach hinten losgehen, es dauert über eine Stunde, bis wir in die Zielzone kommen. Bis da könnte sie ordentlich was abbekommen.“
„Dann sieh mal zu, sie dreht gerade in die falsche Richtung ab, sie will nicht durchs Wasser.“
„Okay“, sagte ich und lief los.
Das Wasser war eigentlich nur eine 300 m breite und 2 km lange Pfütze, die maximal Knie tief war, nur durch die hellbraune Farbe sah man dies nicht. Sie stammte wohl von einem Lkw trial, die mögen so was.
Ich erwischte Alina, als sie gute 100 m zur Seite zurück gelegt hatte, diesmal blieb der Stern seitlich in der Brust stecken. Sie drehte sich um und lief zurück nur um knapp vor ihrem Bein einen Bolzen vorbei fliegen zu sehen. Sie sah in die Richtung, wo Katy stand und die Armbrustpistole neu spannte. Dann entschied sie sich fürs Wasser. Sie war fast durch, da traf sie ein Bolzen mit einer Breitspitze am Hinter und brachte sie aus Reflex zu Fall.
Die Breitspitze hatte die Form eines Kreuzes und war gute 3cm in jede Richtung lang. Sie drang nur wenig in die Haut ein, tat aber trotzdem seinen Zweck kreuzförmige Wunden oder Löcher im Stoff zu hinterlassen.
„Andrew? Lust auf einen letzten Fick?“, sagte Katy laut, „sie liegt gerade so schön.“
„Warum nicht“, sagte ich und lief quer durch das Wasser zu Alina. Auch Katy war schon nahe bei ihr.
„Ich schneide dann schon mal alles für dich frei. Dir macht es ja nichts, wenn ich da wo zu tief schneide.“
„Nicht im geringsten, du weißt, wie sehr ich auf nacktes Fleisch stehe.“
Alina versuchte sich aufzurappeln, aber Katy war schon bei ihr und drückte sie nochmal runter. Sie trat neben Alina und drückte das Messer in den Stoff. Mit einem zügigen Schnitt hatte sie sowohl die komplette Latzhose bis in den Schritt hinein geöffnet als auch Alina dabei einen Hautschnitt verpasst.
„Soll ich nochmal quer?“
„Ja bitte ich möchte ja sehen, wo euer Phallus der Entgültigkeit überall aus dringt.“
Das war für Alina zu viel. Sie rappelte sich hoch und lief wieder nach vorne.
„Andrew, wenn ich keine Angst hätte, dass mir die Fruchtblase platzt ich würde gerade jetzt dann gerne von dir gefickt werden“, sagte Katy.
„Ich verspreche dir, wenn die Kleine draußen ist, werde ich dich höchstpersönlich in dieses Loch tragen und dich solange vögeln, bis du Schlamm nicht mehr sehen kannst.“
„Das kann ich nicht zulassen. Dann vereinsamt Jessica“, grinste Katy. „Lass uns weiter…. uhh.“ Katy hielt sich an mir fest.
„Was ist?“
„Hermine hat voll ausgetreten. Die wollt sich nochmal in Erinnerung bringen.“
„Bist du sicher?“
„Bin ich schwanger oder du? Ich weiß, was ich spüre.“
Wir liefen wieder Alina hinter her, die jetzt mehr oder weniger gradlinig dem nächsten Hindernis entgegen strebte: eine riesige Brombeerhecke. Ich hatte da vor zwei Tagen für mich und Katy von der Seite aus Zugänge durchgeschlagen. An der Seite, von wo Alina drauf zulief, waren es lauter Sackgassen. Also würde sie sich entweder durchkämpfen müssen oder von irgendetwas getroffen werden. Im Zweifelsfall wäre es dann langsames einsames Verbluten und soviel wussten wir schon, dafür war sie nicht der Typ. Da wir ungefähr wussten, wo welcher Gang hinführt, blieben wir vor dem Busch stehen und sahen, wie sie sich vorkämpfte.
„Bei dem Tempo reißt die sich alles auf“, sagte Katy. „Das ist schlimmer, als wenn wir auf Sie schießen.“
„Vielleicht will sie wirklich die andere Seite erreichen. Langsam müsste sie wissen, wo die Reise hinführen kann.“
„Aber davor ist noch der Blockwald. Der ist noch echt scheiße, vor allem mit ihren glatten Sneakers. Hoffendlich bricht die sich nichts.“
„Das hoffe ich auch nicht. Aber mit dem Fuß feststeckend wäre noch was, da könnte ich den Aufschnitt nochmal nutzen.“
„Arsch.“
„Was denn, sie war zuerst da. Ich darf doch noch auf ein letztes mal hoffen.“
„Vorher schieße ich ihr da wo hin.“
„Noch kann ihr Schäfer alle ihre Wunden mit Pflaster und Salben heilen. Wenn du an der falschen Stelle ein Loch durchschießt, landet sie im Krankenhaus und dann?“
„Ist ja gut. Sie ist übrigens durch und unschlüssig, wo es hingeht.“
„Oder sie leckt ihre Wunden.“
„Das würden wir machen. Aus Begeisterung.“
„Dann sollten wir uns beeilen, wenn wir noch was abhaben wollen.“
Wir beeilten uns wirklich. Sie war ziemlich zerfetzt. Kaum ein Stück Stoff an ihr war heile geblieben. Ihre Arme und Beine, sahen schlimmer zerschnitten aus, als wenn sie sich früher selber geschnitten hatte. Sie hockte da und heulte. Als sie uns kommen sah, stand sie noch nicht mal auf.
„Ich kann nicht mehr“, sagte sie. „Ich gebe auf.“
Sie vergrub ihr Gesicht wieder in den Händen. Wir setzten uns rechts und links neben sie.
„So haben wir aber nicht gewettet“, sagte Katy und zog ihr eine Hand weg, um ihr über den Arm zu lecken.
„Das sehe ich genauso“, sagte ich und leckte an ihrer Schulter.
„Ich laufe nicht mehr weg.“
„Wenn wir das nur glauben könnten“, sinnierte Katy.
„Ich versteh nicht.“
„Du bist bisher immer weggelaufen: vor den Resten deiner Familie, vor Menschen, die dich vielleicht hätten lieben können, vor dem Leben. Warum solltest du jetzt damit aufhören? Hmm du bist wirklich lecker…“ Katy saugte nun an Alinas Arm.
Plötzlich hörte sie auf.
„Oh…“
Ich sah über Alinas herunter gesacktem Kopf hinweg und sah, dass Katy das Gesicht verzog.
„Oooh shiit…“ sagte sie und ich sah, wie ihre Finger sich in Alinas Arm vergruben.
„Au“, sagte die und schaute auf. Sie sah zu Katy, die mit nasser Hose neben ihr saß und wie im Schwangerschaftskurs begann zu atmen. „Jetzt?“
„Meinst du ich habe mir das ausgesucht?“ schrie Katy sie an.
Und dann bis sie die Zähne zusammen, als die nächste Wehe kam. Sie ließ Alinas Hand nicht mehr los. Ich stand auf und griff zum Handy. Ich wählte Jessicas Nummer und bekam sie nicht ran. Nur einen Balken E.
„Alina? Pass auf sie auf und hilf ihr. Du kannst das, du hast es schon bei Schafen getan.“
„Aber das ist kein Schaf“, zweifelte sie.
„Aber du bist trotzdem die einzige hier, also hilf ihr. Ich versuche die anderen zu erreichen.“
Ich lief los, immer mit dem Handy vor der Nase. Nach 200 m hatte ich endlich genug Empfang für den Anruf.
„Jessica schnell, Hermine kommt.“
„Die ist genauso bescheuert wie ihre Mutter.“
„Erzähl nicht, sondern komm“, ich legte auf. Ich wollte wieder zurück, da klingelte das Telefon.
„Und wohin“, fragte sie.
„Hab ich das nicht gesagt?“
„Würde ich sonst anrufen?“
„Zwischen der Hecke und dem Blockwald.“
„Wo ist Alina?“
„Bei Katy.“
„Gut, ich Ruf alle an, sie sollen dahin kommen.“
„Okay“, sagte ich und lief wieder zurück.
Alina hatte Katy von ihrer Hose befreit und die saß nun da drauf. Katy schrie gerade Alina an:
„Egal was du sagst, egal was du je vorhattest. Du bist jetzt für Hermine verantwortlich. Du wirst jetzt ihre Patentante, ob du willst oder nicht. Und wenn… gnnnnh“ sie atmete eine Minute schwer, bevor sie wieder Luft zum schreien hatte. „und wenn ich nochmal höre, du willst nicht mehr Leben, ich trete dir so was von in den hhhhhhhhhnnnnnaaaaah.“ wieder atmete sie heftig.
Alina sah mir Hilfesuchenden entgegen.
„Unterwegs, aber es kann noch dauern, sie muss einen Umweg fahren.“
„Ich kann schon den Kopf sehen“, sagte Alina zweifelnd.
„Dann liegt jetzt alles an dir. Aber ich weiß, du schaffst das.“
Ich setze mich hinter Katy, um sie abzustützen. Diese griff sich meine Hand und zerquetschte sie in der nächsten Wehe.
„Pressen“, sagte Alina und ich sah sie beruhigend über die Schenkel von Katy streicheln. „Du bist gut, du machst das sehr gut.“
Ihre volle Konzentration lag auf dem Geschehen vor ihr. War das ihre Bestimmung? War das der Sinn für ihr Leben, den wir die ganze Zeit gesucht hatten? Wenn ja, dann würde sie es jetzt hoffentlich selber erkennen. Wieder presste Katy und Alina beugte sich nach vorne und hielt ihre Hände vor. Als sie sich zurück lehnte, hielt sie ein kleines rosa Wesen in den Händen. Sie drehte es auf den Bauch und massierte ihre Brust. Nach wenigen Sekunden hörte ich den ersten Ton und dann einen kräftigen Schrei. Mit einem total glücklichen Gesichtsausdruck hielt sie die Kleine an ihrer Brust.
„Sie ist so klein“, sagte sie.
Sie drehte sich zu Katy um und Krabbelte mit Hermine an unsere Seite.
„Hier Katy, sei vorsichtig, auch mit dem Kopf. Der ist noch ganz weich. Lass sie nicht fallen.“
Katy lächelte Alina an: „danke Tante Alina. Wir werden dir für immer dankbar sein.“
Ich nahm sie alle drei in den Arm, bis auch endlich Jessica und danach die anderen kamen.
Epilog
Was soll ich sagen. Natürlich lebt Alina noch. Sie hat inzwischen ihren Schäfer und seine nicht all zu kleine Verwandtschaft geheiratet und arbeitet an 3 Tagen die Woche als Hebamme. Einmal die Woche macht sie den Babysitter, wenn Katy, Jessica und ich unsere Blood and Sex Days zelebrieren. Immer mal wieder sind auch andere Frauen oder Männer dabei, die diesen ganz besonderen Fetisch teilen. Ich habe zwar gesagt, ich würde nie wieder heiraten, aber Katy wollte eine weiße Hochzeit erleben. Also hat sie Jessica und mich solange genervt, bis ich endlich Jessica einen Antrag machte.
„Das man euch echt dazu zwingen muss, was wirklich jeder sieht“, schüttelte Katy den Kopf.
Ihr werdet euch fragen, warum ich zum einen Vater von Hermine, aber auf der anderen Seite nur Jessica geheiratet habe? Das lag an Katy. Sie sagte, sie würde erst heiraten, wenn es mit mir gesellschaftlich akzeptiert sei. Halbes Alter plus fünf.
Und dann rechnete sie vor. Mit meinen Vierundfünfzig Jahren wäre Zweiunddreißig die derzeitige Grenze, die ich vorgebe. Dazu müsse sie noch Vierzehn Jahre warten. Dann wäre ich aber auch älter und meine Grenze wäre dann Neununddreißig. Also müsse sie nochmal sieben Jahre warten. Dann wären wir drei aber schon solange zusammen, dass nach einem Eheschein niemand mehr fragen würde.
Außerdem könne sie sich dazwischen immer mal wieder einen anderen jungen Kerl gönnen, ohne Ehebruch zu begehen, wäre doch auch was, die Jugend und ihre Logik.
Und der Backofen? Haben wir dort je etwas vom Menschen drin gebacken? Angeblich sollen es gar nicht so wenige Menschen geben, die genau das bestimmte Teil zubereitet haben, aber der Kenner genießt und schweigt.