Wenn ich ein Dekolletee hätte, dann wäre heute der Tag gewesen, es auszustellen. In einer Parallelwelt, die keinerlei Verbindung zu dieser hat, hätte ich heute das Fahrrad abgestellt, mich oben ohne auf die Wiese in der vollen Sonne gesetzt, so dass ich die Augen schließen muss, und nach hinten auf die Ellenbogen gestützt meine unerotischen Möpse von Spaziergängern, Radfahren und Joggern betrachten zu lassen.
Aber der Reihe nach.
Bei Temperaturen von 30 Grad hielt ich es für angemessen, das Fahrrad aus dem Weiterschlaf zu erwecken und endlich wieder Sport zu machen. Rauf auf‘s Rad – runter zum Fluss. Ein paar Kilometer gehen locker, auch nach einem Winter, der bis zum Mai dauert. Nun sind Sommertage für Frauen immer eine Zumutung, denn es scheint, dass jede, die sich für mehr oder weniger hübsch, attraktiv, begehrenswert, (geil?) hält, beschließt, definitiv mal alle sexuellen Reize in die Waagschale zu werfen. Und frau vergleicht…
Jedes weibliche Wesen mit Gardemaß und Kleidergröße 36 hatte sich offenbar in Laufsachen geschmissen und joggte arschwackelnd und pferdeschwanzwippend, die Apfeltitten wie zwei perfekt zurechtgestutzte Buchsbaumkugeln schön eng hochgeschnallt auf der Promenade – im hautengen Tanktop, versteht sich.
Laufen geht man – streich „man“, setze „frau“ – heute ohnehin nur noch in Yogapants oder ultrakurzen Running Shorts, die eher Hotpants sind. Die Anständigen tragen immerhin Slips drunter. Die Unanständigen erkennt man daran, dass man nichts erkennt. Die Hotpants-Trägerinnen habe übrigens allesamt makellose Oberschenkel. Ich muss definitiv wieder was tun!
Die exhibitionistischsten unter meinen Scheidensgenossinen grillten im Bikini am Wasser, das wahrscheinlich nicht wärmer als 15 Grad ist. Zum Schwimmen hatten sie den jedenfalls nicht an.
Erst- und Zweitsemester saßen zum Lernen auf der Wiese. Etliche ohne BH, das ausgeschnittene Top eine Nummer zu groß, im Schneidersitz, nach vorn gebeugt über die schwere Lektüre.
Selbst ich musste hinsehen.
Und dabei kam mir der Gedanke, wie gern ich mich auch auf dieser Promenade zur Schau stellen würde. Weniger den zugegebenermaßen interessanten entblößten Oberkörpern einiger sportlicher (Möchtegern-)Männer, aber durchaus denjenigen, die Hand in Hand mit ihrer Partnerin flanierten und im Gespräch ganz beiläufig den Blick schweifen lassen. Während ich – auf dem Rückweg beim gemütlich Ausrollen – darüber sinnierte, merkte ich, dass ein Radfahrer sich hinter mir hielt, obgleich er sich sicher nicht auf fehlenden Platz zum Überholen berufen konnte. Schneller als ich war er unterwegs gewesen. Ich fuhr nicht viel schneller als Jogging-Tempo und er war schließlich von hinten aufgefahren. Genoß er meine Rückansicht? In eine kurze Radlehrhose gezwängt kann ich meinem in jeder Hinsicht unspektakulären Arsch doch etwas abgewinnen. Und auf meine sportlichen Oberschenkel bin ich sogar stolz. So kam ich langsam auf den Gedanken mit der Parallelwelt und dass sich nach erfolgreicher Rückkehr im Hier und Jetzt niemand an meine dortigen Frivolitäten erinnern könnte.
Strategieänderung: Ich trete stehend an, um dem Schwerenöter hinter mir, die volle Pracht und Muskelanspannung zu bieten und fahre dann sitzend gut am Anschlag weiter. Nach vorn gelehnt kann ich dabei meine Schamlippen gut durchwalken. Zu Hause dann schön schwitzig ab in den Chat – der Rest ist (diese) Geschichte.
[Ich freue mich über jedes Feedback in den Kommentaren – lobend wie kritisch, sachlich wie dreckig, literarisch wie thematisch. Einzige Bedingung: verständlich und lesbar.]