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Bar Bizarr und Ravioli aus der Dose (von Amélie vo

Aus Bar Bizarr 4. Kapitel

Erziehungsspiele

„Das mit der Erziehung ist so eine Sache. Also ich finde, dass es zum Schwierigsten überhaupt gehört, den Bälgern gute Manieren und Reinlichkeit beizubringen. Hattest du bei Armin ein besonderes System gehabt? Wollte der auch immer zu dir ins Bett? Der hat bestimmt keine Windeln gebraucht.“
Die helle Frauenstimme schwieg. Nur das Geräusch einer Fernsehserie und das Gebrabbel eines leiser gestellten, vermutlich abgehalfterten Moderators, der die kaum verständlichen Worte: „Ein Teufelskreis“, „Herta“ und „Maika“ sprach, war noch zu vernehmen.
Nach einer kleinen Weile, in der nur der Fernseher für die Hintergrundgeräusche sorgte, konnte er wie aus weiter Ferne ein Kichern und das leise Klirren durch das Abstellen eines Tellers, vermutlich auf einem Tisch mit einer Glasplatte hören. Die sympathisch klingende Frauenstimme sprach weiter: „Ja das klingt einleuchtend. Du meinst, wenn es bei deinem Armin funktioniert hat, dann wird ’s auch bei einem kleinen Mist-Balg funktionieren?“
Dann war wieder eine kurze, nur von harten kleinen Schritten unterbrochene Pause.
„Ja aber der Armin ist ja schon ausgewachsen und ein strammer Kerl. Außerdem hat er ein prachtvolles Gehänge. Ich muss schon sagen. Kommt Paula damit eigentlich klar …“
Dann war ein leises fast neckisches Kichern im Raum.
„Da hast du recht. So hab ich das noch nie gesehen. Aber wenn man es so sieht, dann sind Hunde und Bälger wirklich gleich.“
Im Fernseher lief eine Talkshow, bei der es nach dem Gelächter und den Stimmen um Lampen und Wurstbuden ging.
„Und wie machst du es mit dem Futter? Ach der bekommt das roh? Einmal am Tag? Und das reicht dem großen Viech?“
Wieder waren die leisen Geräusche von bewegtem Steingut und Essbesteck zu hören.
Dann rede die Stimme, diesmal mit scheinbar halbgefülltem Mund weiter: „Ich mach dem kleinen Teufelsbraten nur die Büchse auf und dann alles in den Napf …“
„Ich nehm LUX vom Aldi. Das soll ja gesund sein und es hat ihm ja auch immer geschmeckt. Der frisst das immer brav auf. Aber heute hat der Scheißer Ravioli aus der Büchse bekommen.“
Die Stimme schwieg wieder für einen Moment.
„Du hast doch gesehen was ich ihm füttere. Du hättest mir ruhig mal einen Tipp geben können, dass das Zeug für Katzen ist. Dann hätte er etwas anderes bekommen.“
„Wie? Nicht kalt …“
„Ich bin doch keine Hausfrau. Ich hab ja nicht gewusst, dass man die Ravioli zuerst braten muss.“
Harte feste Schritte waren wieder zu hören.
„Nicht braten, kochen? Ach so geht das. Du musst mir mal das Rezept geben.“
Dann waren wieder Schritte die sich etwas entfernten und eine sich öffnende Tür zu hören. Ein leises, fast adagio an und abschwellendes Plätschern, fand im fast surrealistisch melodischen Klang einzelner, scheinbar immer weniger werdender Tropfen auf Keramik nicht seinen Ausklang. Den dramatischen Abschluss bildete das Geräusch einer Wasserspülung. Die Schritte kamen wieder näher und die Stimme wurde wieder lauter.
„Wenn du meinst, dass dem kleinen Stinker kalte Ravioli nicht schaden, dann bin ich beruhigt.“
Einen Moment war Stille, dann sprach die Frauenstimme weiter: „Du denkst, dass der kleine Schatz auch damit zufrieden ist, wenn er es direkt aus der Büchse …“
„Jetzt versteh ich. Er muss lernen wo sein Platz ist und wo sein Napf steht. Also gut, dann bekommt er in Zukunft sein Fresschen an seinem Platz und kalt. Wie lange soll ich den Napf stehen lassen?“
Dann schwieg die Stimme für einen Augenblick.
„Nicht bis sich Fliegen drauf setzen? Ja da hast recht, das ist ja auch nicht schön.“
Die Stimme drang wie aus weiter Ferne an seine Ohren: „Also beschweren kann ich mich nicht. Reinlich ist er ja, trotz seinem rektalen Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Die Toilette macht er gern sauber. Also da kann ich mich wirklich nicht beschweren. Da hätte sogar die Jungfrau Maria Lust, mal einen schönen großen Haufen reinzulegen …“
In der Dunkelheit war nur die von hellem Lachen unterbrochene Stimme zu hören.
„Danke für deinen Rat. Ich sehe es auch so. Nur mit der richtigen Dressurmethode gelingt der Übergang vom Affen zum einigermaßen erträglichen Menschen. Bussi …“
„Bevor ich es vergesse. Viola hat heute frei. Rufst du sie an und sagst du ihr das? Du bist ein Schatz!“

Werner ging es wie vielen Unternehmern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, denen neben unentwegtem Durchsetzungsvermögen auch ein Quäntchen Kreativität, gepaart mit exquisitem Lebensstil abverlangt wird. Schon seit einigen Minuten dachte er an seine Bilanzen, und der Gedanke, dass es mal wieder an der Zeit wäre, eine steuermindernde Investition in Form einer diskret gelegenen Immobilie zu tätigen, wollte nicht aus seinem Kopf. Ein kleiner Stift hätte vieles erleichtert, denn gute Ideen sind bekanntlich flüchtig, aber er war zu sehr behindert, um danach zu greifen.
Werner konnte nicht sehen was um ihn herum geschah, aber er war Mithörer eines Telefongesprächs geworden. Seine Knie schmerzten und er atmete schwer. Plötzlich spürte er schmerzhaft das Alter und die Tücken des Verschleißes. Darüber war er nicht traurig, obwohl er wusste, dass der erste Lack langsam aber unausweichlich bis auf die Grundierung abzublättern begann. Dann schweiften seine Gedanken ab, zurück in seine Jugendzeit und die schönen Jahre, als er frei wie ein Vogel und bei den Damen der Stuttgarter Altstadt noch ein gern gesehener Gast war. Er dachte auch voller Wehmut an die Schwestern aus Böblingen (die auf den Schulhöfen als Böblinger Nuttenverschnitt bekannt waren), die es ihm besonders angetan hatte, weil sie es ihm so nett und unkompliziert besorgen konnten, wie es sich ein unerfahrener Jungmann in den prüden siebziger Jahren niemals erträumt hat. Alles lag schon lange zurück und die Erinnerungen begannen wie alte Fotografien zu verblassen. Nur die starken Schmerzen in seinem rechten Handgelenk waren real im Hier und Jetzt. Er verzog das schweißnasse Gesicht zu einer Grimasse, denn die verklebten Haare an seinem Kopf begannen unangenehm zu jucken.
Man konnte dem Steuerberater und Unternehmer Werner S. aus S. vieles nachsagen, aber wenn er eine Aufgabe zugewiesen bekam, dann führte er sie auch geflissentlich aus. Werner S. war es nicht gewohnt, den Boden mit einem Feudel feucht aufzuwischen und er hielt einen Moment mit den kreisenden Bewegungen inne um zu verschnaufen. In Haushaltstätigkeiten ungeübt, hatte er pflichtbewusst und fast liebevoll versucht auch die Ecken unter den Schränken zu erreichen, was ihm wegen den ersten Anzeichen einer leichten Verspannung im Rücken nicht leicht gefallen war.
Das hellblaue Baby-Jäckchen mit den eingestickten, niedlich lächelnden Bärchen und den Bommeln an liebevoll gestrickten Schnüren, mit denen es zugebunden war, spannte an seinem kräftigen Hals und der starke Druck im Unterleib kam nicht vom fehlenden Höschen. Das für Kleinkinder konzipierte Kleidungsstück war ihm viel zu klein und offensichtlich nicht mit der nötigen Sorgfalt und nicht mit einem Qualitäts-Weichspüler gewaschen worden. Das verfilzte Wolle-Acrylgemisch juckte kaum noch erträglich auf seiner Haut und die Reste der kalten Ravioli-Sauce a la Bolognese, vermischt mit glibbrigen Champignons aus der Dose, klebte in kalten angetrockneten Resten an seinem Kinn und seinem Hals. Aber Werner S. hatte nicht vor seinen Protest hinaus zu brüllen, wie es Kinder nun mal tun. Werner wollte nicht nur artig, sondern auch gründlich und sauber sein und seiner strengen Chantal nicht den geringsten Anlass zum Tadel geben. Denn eines wusste er genau: So ein phantasievolles Goldstück ist nicht leicht zu finden.

Die eng zusammengezogenen Plastikbänder, schwarze billige Kabelbinder aus dem Baumarkt, schnitten in seine Hand- und Fußgelenke. Unter dem Kinderkleidungsstück war er nackt und die Hämorride am Ende seines Rektums schmerzte mit zunehmender Dauer des immer noch ungewohnten Dehnungsdrucks, aber Werner war froh und er dachte spontan an Schiller. In der unkomfortablen Stellung in der er sich befand, fiel ihm ein Merksatz aus dem zweiten Akt der Räuber ein, und voller Hoffnung dachte er: „Sie hatte schon den Ellbogen angesetzt, ihm die übriggebliebenen wenigen edlen vollends in den Mastdarm zu stoßen.“
Es waren nur die gequälten Gedankenfetzen eines geschundenen Objekts, denn Werner S. aus S. konnte nichts sehen. Seine Augen waren verdeckt. Aber er wusste, er war nicht allein und die Erlösung schon bald nah und doch so fern.

Werner kniete in einer äußerst unbequemen Stellung auf dem Boden und mit seiner linken, der freien Hand führte er wischende Bewegungen durch. Plötzlich wurden mit einem ratschenden Geräusch zwei Reißverschlüsse geöffnet und das erste was er nach zwei Stunden Dunkelheit vor sich sah, war ein an Duschvorhänge aus den fünfziger Jahren erinnerndes Muster auf einem roten Stragula. Wie er es gelernt hatte, begann Werner wie ein junges, ungezogenes Hündchen zu kläffen und zu jaulen. Dann spürte er einen starken, etwas stechenden Druck in seinem Genick. Er wagte nicht sich zu wehren.
Gehorsam wie schon hundert Mal geübt nahm er seinen Kopf weiter runter und versuchte aus einem ihm mit dem Fuß achtlos zugeschobenen, blauen Fressnapf mit der Aufschrift „Für den Wauwi“ wieder glitschigkalte Ravioli-Bolognese zu essen, die aus einer Büchse vom Supermarkt, der rote Aufkleber „Sonderangebot 0,99″ stach ihm ins Auge, mit einem klatschenden Geräusch, spritzend in den Napf fielen. Es war eine schwere Mahlzeit und die ineinander verklebten Ravioli bildeten zusammen mit dem Muster der Auslegeware ein skurriles, fast dreidimensional, psychodelisch wirkendes Muster auf dem Boden. Er versuchte die Ravioli mit seinem Mund und seiner Zunge aufzunehmen, aber ohne die Werkzeuge die kultivierte Menschen normalerweise einsetzen gelang ihm das Vorhaben nur unzureichend. Die rote Soße verschmierte den Boden, sein Gesicht und sein ehemals weißes Schlapperlätzchen, dass das Wolljäckchen vor Verunreinigungen schützen sollte.
Vergeblich versuchte er den blauen Fressnapf sauber auszulecken, als er einen brennenden Schmerz auf seinem mächtigen, weißen Hinterteil spürte. Werner stöhnte laut auf und der Druck in seinem Mastdarm begann sich wieder unangenehm bemerkbar zu machen.

Chantal ging langsam auf den bequemen Sessel zu und setzte sich mit einer kapriziösen Bewegung. An diesem Nachmittag hatte sie nur wenig zu tun. Der Haushalt war gemacht und die freie Zeit, die konservative Hausfrauen an den Nachmittagen haben, wenn die Männer dem Broterwerb nachgehen, nutzte sie nicht für ein Mittagsschläfchen oder Internetbekanntschaften, sondern für leichte Lektüre. Sie nahm eine Zeitschrift mit der Aufschrift „Bild der Frau“ und begann gelangweilt zwischen Fürsten aus Monaco und anderen Königskindern hin und her zu blättern. Als sie langsam die Beine übereinander schlug, löste das Geräusch der sich aneinander reibenden Seidenstrümpfe, bei Werner S. aus S. einen wohligen Schauer aus. Wegen der plötzlichen Helligkeit taten ihm die Augen weh. Er hatte keine Brille auf und nahm darum seine Umgebung nur diffus verschwommenen war. Aber Werner konnte ihren schönen, hauchdünn schwarzbestrumpften Fuß, der sich leicht wippend unmittelbar vor seinem Gesicht bewegte, und das zarte Goldkettchen, das sich um ihre schmalen Knöchel spannte, genau erkennen. Durch die schmalen Sehschlitze seiner Gummimaske betrachtete er ihre sorgfältig rot lackierten Zehen mit den silbernen Zehenringen unter zartem Gespinst.
Den Schmerz in seinen Knien, die Striemen auf seinem Hinterteil, die seit Stunden abgebundenen und darum tauben Nüsse und seine schütteren, verschwitzten Haare unter der Gummimaske spürte er nicht mehr. Als er dankbar aufblickte sah er in ihr Gesicht. Sie war schön wie ein Engel, kurz vor der Verleihung der großen Ehrenflügel. Die Brille mit dem schwarzen Gestell gab ihr ein übernatürliches, überaus intellektuelles Aussehen. Werner betrachtete sie mit einem Blick der seine Anbetung nur zu deutlich ausdrückte. Ihr süffisantes Lächeln und ihr spöttischer Blick taten ihm gut. Er schämte sich nicht, dass die kalten Ravioli und die inzwischen angetrocknete Sauce Bolognese seinen Lippenstift und den Mund der von der Gesichtsmaske nicht bedeckt war, verschmiert hatte. Es war ihm auch egal, dass ein roter Spezial-Megaaufpumpplug mit langen schwarzen Kunsthaaren am Ende, wie der Schweif eines Pferdes aus einem ausladenden Hinterteil herausragte und der Druck des darum nicht auf natürlichem Weg entweichen könnenden Einlaufs kaum noch erträglich war. Werners Herz war voller Liebe und jetzt wollte er es sagen: „Es ist himmlisch, wie viel Kraft im Schwachsein steckt. Liebe ist ein Experiment mit dem Zufall. Ich liebe meine Maestra. Ach wäre ich noch einmal so jung und warum kann nicht alles noch einmal neu beginnen. Ich würde so vieles im Leben anders machen.“ Aber sie gebot ihm mit einem Hieb ihrer kleinen violetten Lederpeitsche zu schweigen. Dann durfte er die Peitsche wie ein Stöckchen in den Mund nehmen, und er sah den in goldenen Lettern eingeprägten Namen „Magistra Chantal.“

Mühsam, soweit es ihm mit seine Behinderung durch die schmerzende Fesselung möglich war, robbte er näher an sie heran und legte gehorsam die kleine Peitsche vor ihre Füße. Dann nahm er ihre mit hochfeinem Nylon bestrumpften Zehen in den Mund um daran zu saugen und sie abzulecken. Chantal ließ es mit allen Anzeichen des Widerwillens über sich ergehen und vermutlich dachte sie an schönere Zeiten, als sie sich die Zehenlecker noch aussuchen konnte und nicht gezwungen war, fette Lutscher lutschen zu lassen.




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