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Jeder liebe seine Hiebe – Teil 1

Es war zu einer Zeit, als der Mann noch unangefochtenes Familienoberhaupt war, das Gesetzgeber und obersten Richter der Familie in sich vereinte. Ein Umstand, der ihn mit einer Machtfülle ausstattete, die heutzutage unvorstellbar ist. Doch es gab auch Fälle, in denen Frauen froh darüber waren.

Selmas Eltern waren unter tragischen Umständen gestorben als Selma zwei Jahre alt war. Mangels weiterer Verwandtschaft war sie von Onkel Diethard und Tante Hedwig aufgenommen worden. Selma liebte ihre Tante abgöttisch und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Vor Onkel Diethard hatte sie jedoch gehörig Respekt.
Das lag nicht nur an seiner gehobenen Stellung im Amt, die ihn in Selmas Augen zu einem reichen und übermächtigen Mann machte, sondern auch daran, dass er ein strenges Regiment führte. Er wachte über eine Unzahl an Regeln, die Selma das Leben schwer machten und ihr Angst einjagten.

In der Zwischenzeit war sie zu einer jungen Frau herangewachsen und zitterte jeden Tag davor, dass Diethard ihr einen Mann aussuchte, den sie zu heiraten hatte. Die Geräusche, die öfter des Nachts durch die Wohnung hallten, minderten Selmas Sorge nicht. Auch Tante Hedwig war vor Sanktionen nicht sicher und Selma traten jedes Mal die Tränen in die Augen, wenn ihre Tante sich mit dunklen Rändern unter den Augen nur übervorsichtig beim gemeinsamen Frühstück an den Tisch setzte und seufzte.

An diesen Tagen beobachtete Selma auch eine unerklärliche Ergebenheit an ihrer Tante, die gar nicht in das Naturell der lebenslustigen und liebevollen Frau passte. Eines Tages hielt es die junge Frau nicht mehr aus und sie nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Tante, darf ich Sie etwas fragen?“ „Natürlich mein Kind. Was hast Du denn auf dem Herzen?“
„Geht es Ihnen gut, Tante?“ „Warum sollte es mir nicht gut gehen?“ „Mit Verlaub, Tante, es sieht nicht so aus als ob Sie sich wohl fühlen.“ „Das täuscht, mein Kind. Es gibt nichts, was Dich beunruhigen müsste.“ Doch Selma spürte, dass Tante Hedwig etwas verheimlichte. „Tante, was waren das für Geräusche letzte Nacht?“

Ein Anflug von Erschrecken huschte über Hedwigs Gesicht. „Du hast sicher nur schlecht geträumt.“ „Nein, Tante. Ich war wach und hörte Klatschen und eine wütende Stimme. Heute Morgen beim Frühstück konntet Ihr kaum sitzen.“ „Sei still, Selma.“, brauste Hedwig auf. „Ich wollte Dich nicht anschreien. Es tut mir leid.“
Hedwig lenkte ein als sie maßlose Enttäuschung und völliges Unverständnis in Selmas erschrockenen Augen sah. Sie nahm ihre Nichte in den Arm. „Es ist, wie es ist, dafür bist Du noch zu jung.“ Beruhigend streichelte Hedwig über Selmas Haare. „Eines Tages wirst Du verstehen.“ „Warum darf ich es nicht jetzt schon wissen, Tante?“

Ein langer tiefer Blick musterte Selma. Mit etwas Menschenkenntnis konnte man sehen, wie es in Hedwig arbeitete. Geduldig wartete Selma ab. „Hör zu. Es sind die ehelichen Pflichten einer Frau, die uns viel Freude bereiten, aber gelegentlich auch für Verdruss sorgen können.“ Selma reagierte neugierig.
„Ist es, wenn eine Frau bei einem Manne zu liegen hat?“ „Das ist der Fall, wenn es Freude bereitet. Ich spreche von dem Fall, dass das Familienoberhaupt seine Frau über das Knie legt.“ „Schlägt er sie dann?“ „Wenn die Frau es verdient hat, meine Liebe – ja, dann schlägt er sie.“ „Warum?“ „Weil er es kann und darf.“

Trotz der strengen Erziehung hatte sich Selma ein neugieriges Wesen erhalten. Ihrer natürlichen Veranlagung und ihrem wachen Verstand entsprach es, immer nach den Gründen zu forschen, wenn sie etwas nicht verstand und dann fragte sie ungeniert. „Warum darf er das, Tante?“ „Weil ihm Gott das Recht dazu gegeben hat. Die Frauen seien ihren Männern untertan wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist.“
Selma schüttelte ungläubig den Kopf. „Darf ein Mann eine Frau deshalb quälen?“ „Wer wird denn gequält?“ Selma zuckte zurück und Hedwig war froh darüber. Das gab ihr die Gelegenheit das Thema zu wechseln. Der Tag verging, doch Selma ließen ihre Gedanken keine Ruhe.

Am nächsten Morgen sprach sie Hedwig erneut an. „Tante, Ihr sagtet die Frau sei dem Manne untertan.“ „So ist es.“ „Ihr sagtet, es sei den Männern von Gott gegeben, dass sie ihre Frauen schlagen dürfen.“ „Völlig richtig.“ „Aber steht nicht auch in der Bibel: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst?“ „Natürlich.“
„Das verstehe ich nicht. Es tut doch weh, wenn man übers Knie gelegt und geschlagen wird. Was ist daran Liebe?“ Hedwig atmete schwer ein und wieder aus. Wie sollte sie Selma erklären, dass Schmerz auch noch andere Gefühle hervorrufen konnte? „Tante, habe ich Sie zu vorlaut gefragt?“ „Nein. Es ist nur schwierig Dir das so zu erklären, dass Du es verstehst.“

„Tante, darf ich Sie allerhöflichst darum bitten es zu versuchen?“ „Ach Selma.“ Hedwigs Stirn war heftig gerunzelt und ihre Nasenspitze zuckte nervös. Ein typisches Zeichen an dem Selma erkannte, dass Hedwig gerne wollte, aber unschlüssig war, wie sie es tun sollte. Das war Selma peinlich und sie wollte sich gerade für ihre Frage entschuldigen, als ein Gebrüll durchs Haus dröhnte.

„Selma, Hedwig! Zu mir, sofort!“ Die beiden Frauen zuckten zusammen. „Ist Onkel Diethard schon zuhause, Tante?“ „Anscheinend. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, wer das sein sollte, wenn nicht er. Komm, schnell. Ich fürchte Du wirst eine Antwort auf Deine Frage erhalten.“ Sie hasteten mit gerafften Röcken in Diethards Zimmer.

Ungeduldig ging er vor seinem Schreibtisch auf und ab. „Unfähiges Weibergesindel.“ begrüßte er die Eintretenden und schlug mit seinem Stock auf die Tischplatte. „Wem von Euch habe ich die Verantwortung für meine Tabakdose übertragen?“ Selma fuhr der Schreck in die Glieder.

Vor lauter Neugier und dem Drang mit Tante Hedwig zu reden, hatte sie ihre Pflicht vergessen. Sie zitterte wie Espenlaub. „Mir, werter Onkel.“, gestand sie mit niedergeschlagener Stimme. „Wie oft habe ich Dir aufgetragen, dass die Dose gefüllt zu sein hat?“ „Es ist nicht ihre Schuld, mein Gemahl.“, sprang Hedwig Selma zur Seite.
„Ist die Dose gefüllt?“ Hedwig stellte sich vor Selma und wuchs über sich hinaus. „Wenn Ihr so fragt, wird das nicht der Fall sein, mein Gemahl.“ „Auch noch frech werden?“ „Nichts liegt mir ferner. Ich bitte um Nachsicht. Wenn Ihr Selma züchtigt, dann begeht Ihr ein himmelschreiendes Unrecht.“

„Ist es an Ihr, das zu beurteilen?“ „Nein, mein Gemahl.“ „Was maßt Sie sich dann an?“ „Nichts, mit Verlaub. Ich bitte im Namen der Gerechtigkeit um Nachsicht. Selma ist unschuldig.“ Diethard wippte auf den Zehenspitzen auf und ab und hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Es ist meine Schuld, mein Gemahl. Wenn Ihr schon jemand bestrafen müsst, dann züchtigt mich.“ Selma erstarrte zur Salzsäule. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie wie Hedwig sich über den Schreibtisch beugte und ihre Röcke hoch schlug. Ein eigenartiges Stöhnen entrang sich Hedwigs Brust.

„Ich bin für das Vergehen verantwortlich, mein Gemahl. Züchtigt mich, wenn Ihr ein gerechter Richter seid.“ Sie nahm ihre Röcke noch höher und Selma sah fassungslos auf die feisten Hinterbacken, die ein leichtes Zittern erfasst hatte. Selma war ihrer Tante unendlich dankbar, dass sie sich opferte. Doch da war noch etwas.

Sie konnte es sich nicht erklären, aber die Stimme ihrer Tante hatte nicht ängstlich geklungen. Es war wie – Selma fuhr die Schamesröte ins Gesicht. Da war ein Verlangen in Hedwigs Stimme gewesen, das Selma kannte. Ein Verlangen, das sie auch in diesem Moment spürte. „So will ich Gnade vor Recht ergehen lassen. Höre, Selma.“
Er trat neben Hedwig und zeigte auf den Rohrstock, der an der Wand hing. „Wenn Du noch einmal pflichtvergessen in den Tag träumst, dann bleibt er Dir nicht erspart. Auch Deine Tante will ich für Ihren Großmut vor dem Stock verschonen. Also schreibe Dir das hinter die Ohren und sieh zu, wie Deine Tante den Hintern versohlt bekommt.“ „Stets zu Diensten, werter Herr Onkel.“, hauchte Selma aufgewühlt.

Diethard zog die Frackjacke aus und krempelte den rechten Ärmel hoch. „Ist Sie bereit?“ „Das bin ich, mein Gemahl.“, stöhnte Hedwig. Bei jedem Hieb der Hand, der auf Hedwigs Backen klatschte, zuckte Selma zusammen. Sie war völlig verwirrt. Ihre Tante hatte sich für sie geopfert, litt offensichtlich unter den Schlägen, wie bei jedem Hieb zu hören war.
Sie selbst jedoch, Selma, empfand Lust und wünschte sich an der Stelle ihrer Tante zu sein. Sie verstand die Welt nicht mehr. Nur langsam machte sich in ihr die Erkenntnis breit, dass diese Schläge keine Strafe für ihre Tante waren und dass ihr Onkel das sich rötende Hinterteil ebenfalls genoss.

War es das, was ihre Tante gemeint hatte? War der Schmerz, den sie empfinden musste gleichzeitig auch Lust? Die kurzen Schreie, die Tante ausstieß wurden leidenschaftlicher. Das ist nicht nur Leidenschaft, das ist auch Dankbarkeit dabei, fuhr Selma durch den Kopf.

Mühsam rappelte sich Hedwig hoch und ordnete ihre Röcke. „Sei so gut und eile zum Krämer, Kindchen.“, verlangte Hedwig mit lüstern strahlenden Augen. „Bringe Deinem Onkel den Pfeifentabak, den er vermisst hat.“
Selma stürzte aus dem Zimmer. Aus den Augenwinkeln sah sie noch wie ihre Tante sich wieder über den Schreibtisch beugte. „Ich bin bereit, mein Gemahl.“, hauchte sie. Abrupt stoppte Selma ab und schaute zurück. Onkel Diethard nahm Hedwigs Röcke hoch und öffnete seine Hose. Selma schloss für einen Moment die Augen.
Nein, sie würde sich nicht beeilen und sie glaubte verstanden zu haben, was ihre Tante mit den „anderen Gefühlen“ gemeint hatte.


Fortsetzung folgt




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