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Kapitel 17 Norman und seine Geschichte

Bevor ihr diese Geschichte lest, solltet ihr meine anderen gelesen haben, da sie zusammen hängen.
(Alle Beteiligten Personen sind älter als 18 Jahre)

„Kann ich dir Helfen? Soll ich dich wirklich nicht schieben?“
„Nee nee, alles gut wir sind gleich da“, antwortet Norman.
„Wie oft willst du ihn noch fragen“, sagt Sabrina.
„Ist ja gut, ich meine ja nur…“
„So da sind wir“, sagt Norman als wir um die Ecke biegen. „Hier gibt es das beste Eis weit und breit.“
Wir setzen uns an den einzigen noch freien kleinen runden Tisch. Norman gibt mir die Karte. Ich suche nach meinem Favoriten den „Nuss Becher“. Ich gebe die Karte weiter an Sabrina.
„Warum sitzt du im Rollstuhl“, frage ich Norman.
„Ich hatte einen Autounfall.“
„Okay… du musst nicht drüber reden.“
„Nein das ist es nicht. Ich habe die Geschichte nur schon so oft erzählt. Die meisten Menschen stellen mir diese Frage, weil sie nicht wissen wie sie ein Gespräch mit mir beginnen sollen.“
„Bin ich zu Neugierig?“
„Haha…nein das denke ich nicht.“
„Mir ist aufgefallen, dass du deine Finger nicht richtig bewegen kannst, liegt das auch am Unfall“, fragt Sabrina.
„Ja. Ich habe eine sehr Hohe Lähmung dadurch sind die Arme und Hände auch eingeschränkt. Eine hohe Lähmung hat aber auch einen Vorteil.“
Wir sehe ihn fragend an.
Norman lächelt und sagt „der Vorteil ist, das ich noch einen Ständer bekomme.“

Ein kleiner Italiener kommt an unserern Tisch „hallo was darf ich euch bringen?“
„Für mich wie immer, Valentino“, sagt Norman.
„Per le Signore?”
„Äh…für mich den Nuss Becher.” Sabrina bestellt sich den Joghurt Becher.
„Vieni subito”, sagt Valentino und geht wieder.
„Soso…untenrum geht also noch was“, sagt Sabrina.
„Hallo.“
„Was denn Lena? Das hat Norman doch gerade selbst gesagt.“
Norman schüttelt lächelnd mit dem Kopf.
„Und wie ist das mit dem Gefühl“, frage ich.
„Das ist nicht so einfach zu beschreiben. Ich fühle schon etwas aber anders als früher. Das meiste spielt sich eher im Kopf ab.“
„Hmmm. Schwierig sich vorzustellen“, sage ich.
„Tja, vielleicht solltest du es erleben“, sagt Norman.
„Uhuhuhuh“, lacht Sabrina.
„Oder ihr beide.“
„Sorry Norman, da bin ich raus“, sagt Sabrina.
„Wie jetzt?“
„Sabrina steht nicht so auf Schwänze“, sage ich.

Valentino kommt zurück „eine Nussä Becher per la Ragazza bionda, eine Joghurt Becher per la Ragazza oscura und noch eine Nussä Becher per il Signore. Buon Appetito.”
„Danke Valentino“, sagt Norman.
„Kommst du oft hier her? Der Typ scheint dich zu kennen“, sagt Sabrina.
„Och hin und wieder.“
„Mit Frauen, oder auch alleine?“
„Mit wem gehst du denn so Eis essen, Sabrina? Nur mit Mädchen oder auch mit Jungs. Erzählst du den Jungs, bevor sie dich einladen, dass du nur auf Muschis stehst, oder erst nachdem sie bezahlt haben? Keine Sorge ich zahle dein Eis selbstverständlich mit.“
Sabrina wirft Norman einen wütenden Blick zu.
„Ach komm war doch nur Spaß. Ich finde es heiß, dass du auf Pussy lecken stehst“, sagt Norman so laut, dass die Personen an den Nachbartischen es auch hören.
Ich muss lachen und verschlucke mich fast an meinem Eis. Sabrina wird immer wütender. Ich verstehe nicht was Norman mit seine Provokanten Art erreichen möchte. Er kennt Sabrina nicht und sollte es sich mit ihr auch nicht versauen. Sabrina kann echt gemein sein, wenn sie mal sauer ist. Eigentlich sollte ich ihn bremsen, aber ich finde es gerade sehr unterhaltsam und esse mein Eis genüsslich weiter.

Norman beugt sich zu mir herüber und flüstert „ist sie jetzt böse?“
Ich beuge mich zu Sabrina „bist du böse?“
„Fickt euch“, antwortet sie und löffelt den Rest ihres Eis.
„War doch nur Spaß, Sabrina“, sagt Norman.
„Ist schon okay. Ich war im Kino auch nicht wirklich nett zu dir. Ich muss jetzt aber los. Was ist mit dir Lena?“
„Ja klar wenn du los musst, gehe ich natürlich mit, wie soll ich denn sonst hier weg kommen?“
„Ich kann dich fahren, wenn ihr nichts da gegen habt“, sagt Norman.
„Mir egal“,sagt Sabrina während sie aufsteht.
„Wirklich“, frage ich.
„Ja, Lena. Macht euch noch einen schönen Tag. Mein Dad ist in zehn Minuten da und ich möchte ihn nicht warten lassen. Ich glaube Norman wird dir nichts tun.“
„Warum, weil ich ein Krüppel bin?“
„Nein weil du eigentlich ein netter Typ bist und weil du es sonst mit mir zu tun bekommst und das willst du nicht.“ Sabrina zwinkert ihm zu.
Ich stehe auf und nehme Sabrina in den Arm „wir hören später voneinander.“
„Okay, also euch noch viel Spaß und Norman war nett dich kennen zu lernen. Ich habe auch nur Spaß gemacht und danke für das Eis.“

Norman lächelt mich an „ist dein Plan aufgegangen, wolltest du Sabrina los werden?“
„Och eigentlich hatte ich auf einen Dreier gehofft, nach der Show im Kino, aber man kann nicht alles haben.“
„Du bist echt nicht eingebildet.“
„Naja, das Leben ist kurz und man sollte jede Gelegenheit nutzen.“
„Ahja. Was machen wir jetzt?“
Norman winkt Valentino zu „ich zahle erst einmal. Was hältst du von einem Spaziergang am Hafen?“
„Klar, gerne?“
Valentino kommt mit der Rechnung und Norman zahlt.

Bis zum Hafen sind es nur wenige Minuten und ich frage Norman noch einmal warum er im Rollstuhl gelandet ist.
„Lass uns da vorne zur Bank gehen.“
Ich setze mich. Norman stellt seine Rollstuhlbremsen fest und nimmt mit etwas Schwung neben mir platz. Ich bin beeindruckt.
„Es war ein verregneter Montag morgen. Ich hatte ein Ziemlich hartes Wochenende hinter mir, mit viel Party und so. Ich war sehr Müde. Musste aber zur Arbeit.
Ungefähr fünf Kilometer von zu Hause bin ich mit meinem Auto auf der Landstraße ins schleudern gekommen und von der Straße abgekommen. Ich habe mich fünf oder sechs mal überschlagen und bin Kopf über auf einer Wiese zum liegen gekommen. An alles was dann passierte kann ich mich nur noch bruchstückhaft erinnern. Ich wurde mit dem Hubschrauber in die Unfallklinik geflogen.
Dort wurde ich operiert. Was da genau gemacht wurde, weiß ich bis heute nicht, irgendwas zwischen dem sechsten und siebtem Halswirbel.“
„Ab wann wusstest du das du gelähmt bist?“
„Das wusste ich schon am Unfallort, noch im Auto.“
„Fuck…das ist heftig. Sorry ich stelle mir das echt schlimm vor.
Norman erzählt weiter von seiner 11 monatigen Reha und wie er Schritt für Schritt lernen musste mit seiner neuen Lebenssituation zurecht zu kommen. Welche Fortschritte er machte, aber auch Rückschläge die er erleiden musste. Von Freunden, die ihm im Stich ließen. Von seinem Haus, was er nach der Reha bauen lies. Seinen Eltern die ihm immer zur Seite standen. Wieder Auto fahren zu können und seiner Katze, die er scheinbar über alles liebte. Ich höre im gespannt zu. Seine gesamte Geschichte fasziniert mich.

Wir beobachten das Geschehen im Hafen. Menschen – die an uns vorbei gehen. Die Möwen und Enten auf dem Wasser. „Du solltest ein Buch schreiben, Norman.“
„Ach Lena, wer interessiert sich schon für die Geschichte eines Krüppels, wenn er nicht vorher Supermann war?“
„Ich mag den Ausdruck nicht.“
„Supermann?“
„Nein, du Blödmann, `Krüppel´.“
„Wie würdest du mich dann nennen?“
„Ähm… Norman!“
„Du bist echt süß, Lena.“ Norman sieht mich an. „Und wer ist Lena? Welche Geschichte steckt hinter diesem bezauberndem Wesen, dass sich Zeit nimmt, mit einem wie mir, auf einer Bank zu sitzen und seine Geschichte gespannt verfolgt?“
„Hmm…vielleicht erzähle ich dir Lena´s Geschichte…beim nächsten mal.“
„Beim nächsten mal, heißt das wir treffen uns wieder?“
„Ja.“
„Okay“, sagt Norman und setzt sich zurück in seinen Rollstuhl.

Norman´s Wagen steht am Parkhaus des Kinos. „Ein echter Gentleman würde der Dame jetzt die Wagentür öffnen. Aber auf Grund meiner derzeitigen Situation bitte ich die Dame die Tür doch selbst zu öffnen und ein zu steigen, sobald der vermeintliche Gentleman seinen Rollstuhl in das Fahrzeuginnere verfrachtet hat.“
„Ich helfe dem vermeintlichem Gentleman gerne, seinen Rollstuhl in das Fahrzeuginnere zu verfrachten.“
Ohne eine Antwort setzt sich Norman in seinen großen schwarzen BMW und verfrachtet mit geübter Leichtigkeit den Rollstuhl hinter den Beifahrersitz.
Nachdem er alles verstaut hat fragt er „und steigst du jetzt ein?“
„Ja ich…äh…ja.“
Ich setze mich in den Wagen und betrachte neugierig die sogenannte „Handbedienung“, die es einem Querschnittgelähmten ermöglicht Gas und Bremse mit den Händen zu betätigen.
„Keine Sorge Lena, bis jetzt hat das Ding nur selten versagt…also fast nie…nur manchmal.“
„Haha… sehr beruhigend.“
Norman startet den Motor und aus dem Radio ertönt lautstark „Whole Lotta Love“. Er dreht die Lautstärke herunter „sorry ist sicher nicht deine Musik.“
Ich drehe die Lautstärke wieder hoch und lehne mich lächelnd zurück in den Sitz.
Norman fährt aus dem Parkhaus und ich weise ihm den Weg. Ich genieße den Led Zeppelin Mix aus seinem Radio.

„Gibst du mir deine Nummer, Lena?“
„Hmm…vielleicht.“
„Was heißt vielleicht? Du kannst auch meine Haben.“
„Was soll´s, gib mir dein Handy. Du hast Glück, mein Akku ist alle.“
Ich nehme Normans Handy und speichere meine Nummer neu, unter dem Namen Jelena ein.
„Danke, Lena. Darf ich mich dann auch bei dir melden?“
„Du möchtest wissen ob wir uns wieder treffen?“
„Ja.“
„Sehr gerne Norman. Es war ein sehr schöner Nachmittag mit dir und ich würde mich freuen, dich wieder zu sehen.“
Norman lächelt und dreht die Musik wieder etwas lauter.

„Da wohnst du? Wow du hast wohl ziemlich reiche Eltern“, sagt Norman.
„Geht so.“
„Und wer ist der Typ da?“
In unserer Einfahrt – auf seinem Motorroller wartet Bernd das Brot. Ich flüstere nur „scheiße.“
„Ist das dein Freund?“
„Haha…der? Nein. Das ist nur ein Bekannter, kein Plan was der hier will.“
Norman hält direkt vor unserer Einfahrt. Ich steige aus und höre Bernd rufen „hey Lena Schatz, wo warst du? Ich warte schon seit Stunden auf dich.“
Norman beugt sich vor, sieht an mir vorbei zu Bernd „so, nur ein Bekannter.
„Ja nur ein Bekannter, mit einem kleinen Dachschaden, Norman. Du meldest dich, ja?
„Ja mache ich, keine Sorge Lena.“
Ich schließe die Tür und Norman fährt.

„Was willst du hier“, frage ich während ich wütend auf Bernd zu gehe.

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