Meine verschiebbare Wohnkapsel war für den Abend wieder einmal umgeparkt worden. Nur die ganz Reichen können es sich heutzutage noch leisten, eine feste Adresse zu haben. Obwohl es Planeten geben soll, die noch nicht so überbevölkert sind wie die Erde. Wir könnten ja auch einfach auswandern. Das sagt man uns jedenfalls immer, wenn wir uns förmlich über ein solches Umparken beschweren. Aber das mit der Umsiedelung auf einen anderen Planeten ist nicht einfach; der Bürokratie-Aufwand dafür verschlingt Monate. Und dann muss man ja auch erst einmal einen Job dort finden, denn ohne gesicherten Lebensunterhalt erlaubt kein Planet die Zuwanderung.
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Obwohl ich also morgens nie weiß, wo ich mich abends ins Bett lege, ist es natürlich kein Problem, eine Wohnkapsel zu finden. Ein eingebauter Chip und unser Sozial-Navi-System auf dem Cepi führen uns überall hin. Eine Wohnkapsel ohne oder gegen den Willen des Eigentümers öffnen können allerdings nur wenige; unsere Earth Security oder ES, die Kontrolleure, die es inzwischen von jeder bekannten und auch etlichen unbekannten Organisationen gibt und noch ein paar Leute. Okay, ich gebe zu, so ganz sicher fühlt man sich unter diesen Umständen nicht mehr im eigenen Heim, aber doch relativ geschützt. Wenigstens solange man nicht groß auffällt, hat man zu Hause seine Ruhe. Die Kontrollen in Zusammenhang mit meinem geplanten Jobwechsel hatte ich alle schon hinter mir. Umso erstaunter war ich, als mein E-Pad mir an diesem Abend eine neuerliche Kontrolle meldete. Die Kontrolle abzuweisen, kam nicht in Frage. Es war schon kritisch, per E-Pad nach dem Grund für die Kontrolle und der ID des Kontrolleurs zu fragen. Seufzend öffnete ich mit einem Klick die Kapselpforte, verärgert, genervt, aber eigentlich noch recht gelassen. Bei mir konnten sie nichts finden außer meinen wenigen verbleibenden Zigaretten. Und die waren gut versteckt. Wegen solcher Kleinigkeiten machte man sich aber auch nur selten den Aufwand einer Durchsuchung; da ging es schon meist um andere Dinge – und insofern hatte ich nichts zu befürchten.
Meine Gelassenheit verschwand schlagartig, als ich Jonit hereinkommen sah. Ich war nicht einmal vollständig angezogen; trotz routinemäßiger stichprobenartiger Überwachung der Wohnkapseln haben wir uns inzwischen alle daran gewöhnt, auch einmal wie ich gerade im bequemen Kimono herumzulaufen – schließlich wollte ich gerade unter die Vitaldusche gehen – oder sogar ganz nackt. Pornos für die Überwacher, nennt meine Freundin Kim das. Wenn es einen Menschen gab, vor dem ich mich jedoch auf keinen Fall nackt und nur mit einem dünnen seidigen Stoff mangelhaft umhüllt zeigen wollte, dann war das Jonit. Andererseits war ich bei einem Ageloru wiederum völlig sicher vor irgendwelchen anzüglichen Hintergedanken. Auf Agelor kennt man keine Erotik. Die Fortpflanzung verläuft streng geplant, und die dafür nötigen Körperfunktionen werden durch elektrische Impulse ausgelöst. Trotzdem – gerade weil ihm Nacktheit so völlig fremd sein musste, schämte ich mich, dass der Kimono meine nackten beine zeigte, sogar bis hoch in meinen Schoß, denn bei dem glatten Material hält der Gürtel nicht sehr gut und der Stoff fällt immer vorne auseinander. Hastig griff ich nach den Händen und hielt sie mit der Hand zusammen. Ich hätte erwartet, dass er gar nicht hinsah; aber ich spürten seine Blicke so real wie heiße Berührungen, auf meinen Schenkeln, auf meinen Armen, und es kam mir so vor, als könne Jonit sogar den dünnen Stoff des Kimono durchdringen. So unbehaglich hatte ich mich noch nicht oft in meinem Leben gefühlt. Was wollte er hier?
Als ob er meine nur gedachte Frage gehört hätte, sagte Jonit leise: „Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen.“ Verwundert sah ich ihn an. Was sollte das jetzt? „Setzen Sie sich“, sagte er; so bestimmt, dass ich nicht zu protestieren wagte. Verkrampft nahm ich auf einem Sessel Platz. Er setzte sich nicht; er lief unruhig im Zimmer umher; so, als hätte er Angst vor etwas. Vor der Geschichte, die er mir erzählen wollte? Vor meiner Reaktion darauf? Und können Ageloru überhaupt Angst haben? Ein paar Minuten vergingen. Sie zogen sich endlos in die Länge, die Stille summte in meiner kleinen Wohnkapsel. Und dann, ganz unvermittelt, begann Jonit zu erzählen. „Vor langer Zeit, als es noch keine Raumschiffe gab und wir Ageloru unter uns blieben, gab es auf diesem Planeten einmal zwei Menschen, die sich liebten. Ich muss Ihnen sicherlich nicht sagen, wie ungewöhnlicher dieser merkwürdige Zustand von Körper und Geist auf einen Ageloru wirkt, denn man auf der Erde und anderswo Liebe nennt. Sie wissen, wie auf Agelor der nachwuchs entsteht. All das, dass sich zwei Ageloru zusammentun, dass sie Kinder bekommen, das ist für uns eine reine Notwendigkeit, damit wir nicht untergehen. Wir erfüllen es wie jede unserer anderen Pflichten. Aber bei diesen beiden war es anders. Für sie gab es nichts Wichtigeres als einander. Die anderen Ageloru verstanden das natürlich nicht, und sie billigten es erst recht nicht. Anfangs störten sie sich nicht sehr an dem Anderssein der beiden Liebenden. Aber mit der Zeit fiel ihnen auf, daß dieses Anderssein den reibungslosen Ablauf der Dinge auf Agelor störte. Die beiden Liebenden trennten sich nur ungern voneinander, und für sie kam statt der Gesamtheit der Ageloru immer als erstes der andere, und das brachte eine ziemliche Unruhe mit sich. Und eines Tages beschloss der Rat von Agelor, dass es so nicht weitergehen konnte; es musste etwas geschehen. Sorgfältig wog man die Möglichkeiten ab, die man hatte. Es waren eigentlich nur zwei: Man konnte einmal die Liebenden zwingen, sich den anderen anzupassen. Oder man musste sie aus der Gemeinschaft ausschließen. Man überlegte hin und her und kam zu dem Schluss, dass man es zunächst einmal mit der ersten Möglichkeit versuchen würde. Man verlangte also von den Liebenden, dass sie sich so oft trennten, wie es nötig war, und man verlangte von ihnen, die Interessen aller über die Interessen des geliebten Menschen zu stellen.“
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„Die beiden taten ihr Möglichstes. Sie konnten es aber nicht verhindern, dass diese Anpassung sie sehr viel Mühe kostete, und dass vor allem die häufigen Trennungen sie in der Seele so verletzten, dass die beiden krank wurden und ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen konnten.. Nach einer Weile musste der Rat feststellen, dass es so nicht ging, und dass sie nun also doch zur letzten Konsequenz greifen mussten. So wurden die beiden Liebenden aus der Gemeinschaft der anderen Ageloru ausgeschlossen. Sie wurden von ihren bisherigen Aufgaben entbunden und in eine Behausung weit weg von den anderen verbannt. Es fiel ihnen allerdings nicht schwer, sich damit abzufinden, denn sie hatten ja einander. Und so lebten sie eine Zeit lang glücklich und zufrieden.“ Jonit holte tief Luft. „Dies ist der Teil de Geschichte, der historisch belegt ist“, erklärte er. „Für den Rest gibt es keine Belege. Außerdem ist er durch das viele Weitererzählen vor allem auf anderen Planeten, die natürlich ihre Freude daran hatten, uns Ageloru ebenso irrwitzige, fantastische Dinge anzuhängen, wie sie sie für ihre eigene Vergangenheit erfunden hatten, massiv verändert worden. Die letzte, heute bekannte Fassung, ist so aberwitzig, dass ich sie bisher nie ernst genommen habe. Doch Sie haben mich zum Nachdenken gebracht. Ich werde Ihnen den weiteren Verlauf der Geschichte so erzählen, wie er auf Ihrem Planeten überliefert worden ist; als ein Märchen, das in einem Ageloru nichts als Erstaunen weckt. Sie werden sich in unsere Denkweise aber nicht ausreichend hineinversetzen können, um es zu verstehen, wenn ich es so erzähle, wie wir auf Agelor die Geschichte erzählen.”
Er zögerte einen kurzen Moment lang. Ungeduldig gab ich ihm mit der Hand ein Zeichen fortzufahren. Es war mir doch egal, was er von Märchen hielt und in welcher Form er mir das übermittelte, was er mir ganz offensichtlich sagen wollte. Hauptsache, er rückte endlich heraus mit der Sprache. Genau das tat er; und ich konnte seinem Tonfall anhören, wie sehr es ihm widerstrebte, die Worte zu gebrauchen, die wir auf der Erde noch immer lieben; obwohl unser verstand dem der Ageloru insofern nichts nachsteht, als wir ebenfalls genau wissen, dies ist reine Fantasie. „Eines Tages aber kam eine böse Hexe ins Land. Diese Hexe hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Neid und Haaa auf allen Planeten zu verbreiten. Sie hatte schon geglaubt, sie könne bei den Ageloru nichts ausrichten, denn wo keine Gefühle sind, ist auch kein Platz für Neid und Haaa. Als sie aber von den beiden Liebenden gehört hatte, sah sie ihre Chance gekommen, wenigstens bei diesen beiden ihre schlimme Saat zu pflanzen. Und wie jeder weiß, können auch schon zwei Menschen alleine viel, viel Unfrieden stiften. Die Hexe versuchte nun zunächst, die Liebe zwischen den beiden zu zerstören; der Rest werde dann schon von selbst kommen, sagte sie sich. Sie verkleidete sich zuerst als eine wunderschöne Frau, um den Mann in Versuchung zu führen. Doch der beachtete sie gar nicht, denn er liebte ja seine Frau. Dann versuchte sie dasselbe bei der Frau, als wunderschöner Jüngling verkleidet, aber auch hier konnte sie nichts ausrichten. Hierauf versuchte sie, den Mann mit dem Versprechen großer Macht und großer Reichtümer fortzulocken. Doch der lachte nur und erklärte, das interessiere ihn alles überhaupt nicht, er sei glücklich mit seiner Frau und er werde sein Leben gegen nichts im gesamten Universum eintauschen. Und auch bei der Frau konnte die Hexe mit ihren Versprechungen nichts erreichen.“
Da packte die Hexe die Wut, und sie schwor sich, dass, wenn es denn im Guten nicht gelungen war, sie es im Bösen versuchen werde. Und eines Nachts, als die beiden Liebenden schliefen, entführte sie flugs die Frau und sperrte sie auf ihrer Burg ein. Da war nun am nächsten Morgen das Gejammer bei dem Mann groß. Aber er überlegte nicht lange, sondern machte sich auf die Suche nach seiner Frau. Er suchte überall auf Agelor und fand sie nicht. Dann baute er sich das erste Raumschiff und suchte auf einigen anderen Planeten, aber auch hier fand er sie nicht. Doch eines Tages landete er auf dem Planeten Zieta, und hier fand er einen hohen, hohen Berg, und darauf eine Burg. Und irgend etwas sagte ihm, dass er am Ziel seiner Suche angekommen war und die Hexe hier finden würde. Die Hexe war natürlich heillos entsetzt, dass der Mann sie gefunden, dass also auch dieser Plan fehlgeschlagen war. Sie schrie und tobte. Zuerst wollte sie die beiden töten, weil sie erkannt hatte, dass sie auf andere Weise ihre Liebe nicht zerstören konnte. Aber dann kam ihr eine bessere Idee, denn ein schneller Tod erschien ihr viel zu milde für die zwei Liebenden, die sich allen ihren Plänen widersetzt hatten. Sie öffnete das Tor und empfing den Mann überaus freundlich. Als er danach verlangte, seine Frau wiederzusehen, versprach sie ihm sogar, dass sie seinen Wunsch erfüllen werde. Dann ging sie, die Frau zu holen, und brachte sie in das Zimmer, in dem sie den Mann hatte warten lassen. Die beiden stießen einen Freudenschrei aus und liefen aufeinander zu. Aber noch bevor sie beieinander angekommen waren, lachte die Hexe laut auf, hob die Hände und rief einen Zauberspruch. „Und plötzlich wuchsen überall aus dem Boden Gitterstäbe. Sie wuchsen höher und höher, so dass sie schließlich bis an die Decke reichten. Sie umschlossen den Mann wie ein Gefängnis, und auch die Frau war bald ringsherum von Gitterstäben umgeben. Und so konnten die beiden Liebenden einander nicht erreichen“. Die Hexe lachte höhnisch und sagte: „Zerstören kann ich eure Liebe nicht, doch nun habe ich wenigstens dafür gesorgt, dass ihr nie wieder zusammen kommen könnt!“
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„Aber die beiden Liebenden konnten einander doch noch sehen, und sie konnten auch noch miteinander sprechen und so sahen sie sich zärtlich an und tauschten viele Worte der Liebe aus. Das konnte die Hexe natürlich nicht dulden. Schnell sagte sie einen zweiten Zauberspruch auf, der den beiden Liebenden die Stimme nahm, so dass sie nun nicht mehr miteinander sprechen konnten. „So“, sagte die Hexe dann zufrieden, „jetzt habe ich euch auch das genommen.“ Nun konnten die beiden sich keine Worte der Liebe mehr sagen. Sie stellten aber nach einer Weile fest, dass sie, wenn sie beide einen Arm so weit aus dem Gitter heraus streckten, wie das überhaupt nur möglich war, dann einander mit den Fingerspitzen gerade berühren konnten. Und eine gute Fee, die das Elend der beiden zufällig gesehen hatte und Mitleid mit ihnen bekam, schenkte ihnen die Fähigkeit, über diese Berührung miteinander mit ihren Gedanken zu sprechen. Und so konnten die beiden sich weiterhin gegenseitig Worte der Liebe geben. Und auch heute ist es noch so, dass die gute Fee herumgeht und allen Menschen, die sich so sehr lieben wie diese beiden, diese Gabe schenkt, bei einer Berührung über ihre Gedanken miteinander sprechen zu können.“ So endete Jonit.
Ich war sprachlos und wusste nicht, was ich sagen oder auch nur denken sollte. Das war ja ein geradezu lächerliches Märchen; so kindisch wie all diese Märchen, die wir manchmal im Rahmen des Unterrichts in History teilweise noch kennenlernen. Gerade deshalb war es natürlich auch ein schönes Märchen – aber warum erzählte er mir das? War das jetzt eine Liebeserklärung? Von einem Ageloru? Unmöglich. Nun, die Tatsache war unbestreitbar, bei einem physischen Kontakt zwischen uns, zwischen Jonit und mir, geschah etwas. Was es genau war, und wieso es existierte, das wusste ich nicht. Aber mit Liebe hatte das ja wohl nichts zu tun. Oder vielleicht doch? Wieso sah er mich so an? Und weshalb kam er jetzt auf mich zu, mit diesem Ausdruck von Entschlossenheit im Gesicht? Ich konnte es kaum glauben, als er nach meinem Kimono fasste und ihn auseinander schlug. So überrascht war ich, dass ich ihm keinen Widerstand leistete. Es war, als ob ich neben mir stünde. Er betrachtete mich aufmerksam. Ich war nackt unter dem Kimono, ich sagte es ja schon. Ein wenig kam es mir vor, als ob er ein kompliziertes technisches Gerät anschauen würde, von dem er noch nicht so genau wusste, wie es funktioniert. Trotzdem, und obwohl es mir so unbehaglich zumute war wie schon lange nicht mehr konnte ich eine gewisse Reaktion nicht verhindern. Ein so schöner Mann – dass Ageloru eigentlich keine Gefühle und keine Erotik kennen, ist für etwas so Widerspenstiges und Unlogisches wie weibliche Hormone kein überzeugendes Argument, sich zusammenzureißen und im Häuschen zu bleiben statt völlig aus dem Häuschen zu geraten -, mir so nahe, mit seinen Händen an meinem Kimono und mit seinen Augen wie gebannt auf meinem nackten Körper – ich konnte es einfach nicht verhindern, meine Nippel wurden hart. Ich war erregt. Und ich wollte ihn; ich hatte ihn von Anfang an gewollt, auch wenn in der neutralen Umgebung draußen mein Verstand stark genug gewesen war, es mir zu verbieten, dieser Versuchung nachzugeben. Doch jetzt, mit ihm allein, war ich ihr hilflos ausgeliefert. Selbstverständlich registrierte er das Hartwerden meiner Brustwarzen. Sehr zögernd, fast zaghaft, streckte er die rechte Hand aus und berührte beide Nippel nacheinander, so zart, es war wie ein leichter Lufthauch. Die Nippel wurden noch härter.