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Das einbeinige Model

Für die Szenerie des Fotoshootings der neuen Sommerkollektion hatte die Werbeagentur einen romantischen kleinen See ausgesucht. Die Autos für Equipment, Ware und der Bus zum Umziehen konnten allerdings nur auf etwa hundert Meter heranfahren. Dann musste man durch einen wackeligen Durchgang im Weidezaun gehen und erreichte auf einem schmalen Wanderweg schließlich den See.
Als Liza zum Bus ging um sich umzuziehen, blieb sie an einem rostigen Nagel beim Durchgang hängen und ein ziemlicher Riss klaffte in der Hose. Beim Umziehen im Bus merkte sie, dass sie sich dabei auch am Oberschenkel verletzt hatte. Schnell ein kleines Pflaster aus der Busapotheke drauf, umgezogen und zum nächsten Posing.
Liza schenkte der Verletzung keine weitere Beachtung. Es war auch gar keine Zeit dafür, ihr Kalender war mit Terminen vollgepflastert. Als sich das Gebiet um die kleine Wunde zu verfärben begann, versteckte sie es unter einer Schicht Puder. Als sie zwei Tage später morgens aufwachte, spürte sie Schmerzen im linken Bein. Das Bein war vom Oberschenkel bis zur Wade blau angelaufen. Erst jetzt kontaktierte sie einen Arzt, der sie sofort ins Krankenhaus schickte. Dort behandelte man sie mit allen zur Verfügung stehenden Medikamenten, aber die Sepsis war bereits zu weit fortgeschritten.
Der Arzt machte ihr klar, dass sie sich in Lebensgefahr befand. Er könne die alleinig medikamentöse Behandlung nicht länger verantworten. Liza fragte ihn, was er denn sonst noch tun möchte. Seine Antwort traf sie wie ein Keulenschlag: „Es gibt nur mehr eine Möglichkeit, ihr Leben zu retten – die Amputation des ganzen Beins!“
Als sie nach einigen Tagen aus dem Tiefschlaf geholt wurde und wieder einigermaßen klar war, kam der Arzt an ihr Krankenbett. „Wir haben leider eine Hüftexartikulation durchführen müssen. Das heißt, dass das Bein im Hüftgelenk amputiert wurde. Es war die einzig mögliche Strategie, um ihr Überleben zu sichern.“
„Welchen Sinn macht es, mit einem Bein weiterzuleben?“ fragte Liza mit Tränen in den Augen.
„Es ist sicher schlimm für eine junge, hübsche Frau wie sie, ein Bein zu verlieren – noch dazu mit ihrem Beruf. Aber Millionen Menschen auf dieser Welt haben nur ein Bein und führen trotzdem ein glückliches Leben. Sie werden sehen, auch sie werden sich damit zurechtfinden.“
„Ich kann nicht glauben, dass es weg ist, ich spüre es doch – das Knie, die Zehen…“ sagte Liza, aber nach ihrem Bein zu fühlen, dazu fehlte ihr der Mut.
„Natürlich spüren sie das alles. Spüren ist gut, nur wenn zu heftige Phantomschmerzen auftreten müssen wir vielleicht nochmals operieren. Ansonsten ist die Operation gut verlaufen. Wir konnten so viele Weichteile erhalten, dass sie auch künftig ordentlich sitzen können. Die Prothesenversorgung ist etwas aufwendiger, aber da der Stumpf endbelastbar ist, doch möglich.“
Am nächsten Tag fühlte sich Liza stark genug, um sich aufsetzen zu können. Sie konnte aber nur auf der rechten Backe sitzen, links schmerzte es zu sehr. Sie schlug die Decke zur Seite: der linke Teil ihres Bettes war leer…
Liz heulte in ihren Kopfpolster hinein. Alles wäre so schön gelaufen. Ausgerechnet Rick, der Star-Modefotograf, hatte ihr schöne Augen gemacht. Einige Male schon hatte er versucht, sie anzubaggern. Demnächst hätte sie wahrscheinlich sein Zappeln beendet und nachgegeben. Dann hatte sie noch ein neuer Kunde mit einer weltbekannten Schuhmarke unter Vertrag genommen. Da hätte es in der Kasse geklingelt… Ja, sie hatte attraktive Beine, wie geschaffen um für Damenschuhe Werbung zu machen. Aber – sie hatte. Jetzt, mit nur einem Bein will niemand mehr mit ihr Fotoaufnahmen machen… Vierundzwanzig – und die eben erst vielversprechend begonnene Karriere ist schon wieder zu Ende.
Es klopfte an der Zimmertür. Ihre beiden Mitpatientinnen bekamen ständig Besuch. Sie schaute garnicht zur Tür hin, zu ihr kam ohnehin niemand. Dann merkte sie, wie ein Schatten auf ihr Bett zukam. Rick! Am liebsten hätte sie laut aufgejubelt. Sie beherrschte sich aber und sagte nur: „Hallo Rick, schön, dass du vorbeikommst.“
Abends, Rick war längst schon wieder gegangen, dachte sie über seinen Besuch nach. Rick war ganz anders als sonst. Seine Anteilnahme – Anteilnahme, nicht Mitleid – seine Fürsorglichkeit, sein ganzes Verhalten war so, als ob sie schon Jahre zusammen sein würden. Fast liebevoll, aber dennoch korrekt. Warum war er nicht schon früher so, sie hätte ihm schon längst nachgegeben! Aber vielleicht gut so, wer weiß wie es dann gekommen wäre, jetzt, mit nur einem Bein. Allerdings, Rick hinterließ keineswegs den Eindruck, dass es ihn stören würde, dass sie nur mehr ein Bein hat.
Am nächsten Tag kam Rick schon wieder! Liza jagte es kalte Schauer über den Rücken als sie sah, was er mitgebracht hatte: Ein Paar dunkelblaue Unterarmkrücken! Ja, natürlich brauchte sie jetzt Krücken um sich fortbewegen zu können, zumindest solange sie sich keine Prothese leisten kann. Aber dass sie derart drastisch mit ihrem künftigen Schicksal konfrontiert wird, darauf war sie nicht vorbereitet. Tränen stiegen ihr in die Augen.
Rick erfasste sofort die Situation: „Tut mir leid, wenn ich dich damit erschrecke, aber gestern sagtest du doch, dass du das Aufstehen probieren solltest. Ich dachte, wenn ich dir dabei helfe…“
Ja, ja, bei der Visite hatte man ihr gesagt, dass sie aufstehen solle. Aber allein war sie dazu nicht in der Lage und die Schwestern hatten offenbar keine Zeit gehabt. Okay, sie würde es jetzt probieren – zu Ricks Hilfe hatte sie ohnehin mehr Vertrauen. Sie verlagerte ihren Körper auf die rechte Pobacke und stemmte ihren Oberkörper hoch. Rick hatte die Decke zurückgeschlagen, nahm ihren Fuß und führte ihn vorsichtig neben die Bettkante.
Dieses blöde Krankenhaushemd! War wieder hochgerutscht und gab alles frei, was es verbergen sollte. Naja, auch schon egal, dachte Liza. Der halbe Unterleib war ohnehin mit Verbänden bedeckt, die von einer Art Netzhose am Körper gehalten wurden. So konnte Rick ohnehin nicht viel sehen.
Liza hing so halb auf der Bettkante. Rick nahm sie bei den Armen und zog sie hoch. Da stand sie nun auf ihrem übriggebliebenen Bein. Ein, zwei Minuten stand sie so da, Liza kam es wie eine Ewigkeit vor. Wenigstens das Krankenhaushemd war wieder hinuntergerutscht. Ihre Bettnachbarinnen applaudierten. Dann bat sie Rick, ihr wieder ins Bett zu helfen. Es war mühsam, auf nur einem Bein zu stehen und es wurde ihr schwindlig.
Die nächsten zwei Tage hatte Rick Termine und konnte nicht kommen. Mehrmals am Tag versuchte sie alleine aufzustehen. Eine ihrer Bettnachbarinnen half ihr dabei. Am nächsten Tag kam sie schon alleine zurecht. Zögernd griff sie nach den Krücken, die Rick mitgebracht hatte. Beim Stehen konnte sie sich damit abstützen, aber gehen ging noch nicht.
Am dritten Tag stand sie wieder neben ihrem Bett und stützte sich mit den Krücken ab. In diesem Moment trat Rick ein. Wie von fremden Mächten gezogen machte Liza mithilfe der Krücken ein paar unbeholfene Schritte auf ihn zu. Rick blieb auf halben Weg stehen und breitete die Arme aus. Mit zitternden Armen hinkte sie ziemlich wackelig auf ihn zu, bis er sie in seine Arme schloss und küsste. Liza war seit Langem nicht mehr so glücklich. Der Weg zurück zum Bett war viel leichter, wo sie doch Ricks schützende Arme in ihrer Nähe wusste.
Anfangs war alles ziemlich mühsam für Liza. So nahm sie doch noch Ricks Angebot an, zu ihm zu ziehen. Es fiel ihr umso leichter, als sie sich längst in Rick verliebt hatte und sie deutlich spürte, dass diese Liebe von ihm erwidert wird. Rick kümmerte sich auch um alles, zumindest soweit es seine Zeit zuließ. Wie liebevoll er wirklich war, erlebte sie, als sie erstmals nach der Amputation gemeinsam im Bett waren. Liza wollte ihn nicht zurückweisen, sie wollte es doch selbst, hatte großes Verlangen… Rick gab nicht den wilden Stier, sondern nahm Rücksicht darauf, dass Lizas ganzer Beckenbereich noch sehr empfindlich war. Sie war froh zu erfahren, dass ihre nunmehrige Einbeinigkeit für einen guten Fick kein Hindernis war.
Einwenig hatte sie sich schon Sorgen deswegen gemacht. „Nun, es war ja nicht gerade meine Hauptsorge und jetzt lache ich darüber“, sagt Liza heute. „Was unser Sexualleben betrifft, möchte ich mein Bein sicher nicht mehr zurückhaben“, schränkt aber mit kokettem Blick auf Rick sofort ein: „ich habe aber auch einen sehr phantasievollen Partner!“ Heute weiß sie, dass sie und er auf nichts verzichten müssen, weil sie nur ein Bein hat. Im Gegenteil: Es sind einige Varianten dazugekommen!
Einige Monate nach der Amputation bekam Liza ihre Prothese. Rick hatte ihr das Geld für dieses teure Ding und das Training in der Gehschule „geliehen“. Es war schwierig, mit dem künstlichen Bein gehen zu lernen, da sie kein Hüftgelenk mehr hatte und sie das künstliche Bein aus dem Becken heraus vorwärtsbewegen musste. Das war sehr anstrengend und lange Wege konnte sie damit kaum zurücklegen. Aber sie ermöglichte ihr, wieder einigermaßen normal gehen zu können, vor allem ohne Krücke! Damit hatte sie die Hände frei. Aber die Prothese war für Liza nicht nur die reine Freude. Da sie keinen Stumpf hatte, auf den man den Gliedersatz hätte stecken können, musste sie mit einem korbähnlichen Gebilde an das Becken geschnallt werden. Das war relativ steif und fest und meist schwitzte sie darunter. Die eingebauten Gelenke ermöglichten ihr zwar ein normales sitzen, aber auf der Toilette musste sie die Prothese absetzen, um das Höschen abstreifen zu können. Alles in allem war das Kunstglied nicht geeignet, es mehr als ein paar Stunden zu verwenden. Auch nach Monaten hatte Liza sich noch nicht an dieses Anhängsel gewöhnt.
Kein Wunder, dass sie als erstes nach dem Nachhausekommen die Prothese ablegt. Sie hat inzwischen genug Kraft in ihren Armen, um sich mit den Krücken sicher und schnell zu bewegen. Ja, mit den Krücken ist sie eindeutig schneller unterwegs als mit der Prothese. Allerdings hat sie dabei die Hände nicht frei, höchstens eine, denn sie hat inzwischen auch gelernt, für kurze Wege in der Wohnung mit nur einer Krücke auszukommen. Gern hüpfte sie aber auch bloß auf ihrem einen Bein durch die Gegend. Dabei hatte sie das Gefühl, dass dies Rick garnicht so ungern sieht. Kann sein, dass sie sich da auch täuscht, dachte sie, denn was sollte an einer auf nur einem Bein hüpfenden Frau attraktiv sein? Tatsache aber ist, dass er sich ihr gerne von hinten nähert, wenn sie krückenlos auf ihrem einzigen Bein steht. Liza durchrieselt es heiß und kalt, wenn er dann seine Hand über ihre leere Hüfte gleiten lässt, hin zu der Stelle, die ehedem eingebettet zwischen zwei Schenkeln war. Es irritiert sie immer noch einwenig, dass sie dem keinen schützenden Schenkel entgegensetzen kann – was sie aber auch garnicht will. Doch unwillkürlich zucken dabei die Muskelreste ihres abgeschnittenen Beins unter der Haut und Ricks Hand verweilt dann immer eine Zeitlang um das zu fühlen.
Liza hatte längst mitgekriegt, dass Rick eine Pose ganz besonders liebt. Das ist, wenn er entspannt auf der Couch sitzt und sie sich seitlich so vor ihn hinstellt, dass sie ihm die linke Seite zuwendet. Die Seite, auf der das Bein fehlt. Das heißt, es fehlt ihr garnicht mehr. Mittlerweile glaubt sie in solchen Momenten, dass es gut ist, dass keines da ist. So hat Rick den Blick frei auf ihr Höschen, bei dem sich ihre üppige Vulva durchdrückt. Ohne zweites Bein hat der Steg des Höschens Mühe, alles zu verdecken. Ein Motiv, das eine Zweibeinige nicht bieten kann. Fast immer endet dieses Posing dann im Bett.
„Ich weiß nicht mehr, wo ich gute Models herbekomme. Du musst wieder zu posen beginnen“, sagte Rick eines Tages. Liza glaubte an einen Scherz. „Okay, mit meiner Prothese habe ich wenigstens ein hübsches Bein“, gab sie zurück.
„Ob mit oder ohne Prothese, es gibt da ganz interessante Varianten“, meinte Rick. „Für die Werbefritzen von der Schuhfirma kämen wir mit Deinem einen Fuß vollkommen aus. Und bei der Hosenmode merkt man es ja garnicht, dass Du ein Kunstbein hast.“
Ist es möglich? Rick meint es im Ernst? Liza war ziemlich verwundert. Gewiss, der Catwalk war ohnehin nie ihr Bestreben. Dazu unterschied sie sich doch zu sehr von diesen biologischen Kleiderständern aus Haut und Knochen die sich bei der Präsentation umständlich über die Beine steigen mussten. Ihr Metier war das Posing für Prospekte und Kataloge, wo man eher ebenmäßig gebaute Girls bevorzugt. Naja, sie sah immer noch gut aus und an ihrer Konfektionsgröße 38 hat sich nichts geändert.
„Glaubst Du das wirklich?“ fragte sie nochmals nach.
„Sicher! Wenn ich das mit Dir mache wird daraus auch was“, sagte er im Ton der Überzeugung.
Es funktionierte. Niemand in den Werbeagenturen, die die Bilder kauften, hätte etwas bemerkt. Auch die nicht, die größere Aufträge vergaben. Liza verdiente wieder ihr eigenes Geld.
Rick hielt es aber für richtig, die Auftraggeber zu informieren, dass sein Model nur ein Bein hat. Niemand stieß sich daran. Bis einmal jemand bei Rick anrief und fragte, warum er die Einbeinigkeit seines Models nicht darstellt. Es wäre doch ein Eyecatcher und wenn es gut dargestellt ist würde sich niemand darüber aufregen…
Für Rick war es eine neue Herausforderung. Wie stellt man eine Körperanomalie ästhetisch dar, und zwar so, dass diese Anomalie, das fehlende Bein, die Aufmerksamkeit des Betrachters einfängt, und nicht vom eigentlichen Hauptmotiv, der modischen Bekleidung oder den Accessoires zu sehr ablenkt? Er ließ Liza mit leerem, nicht hochgestecktem Hosenbein auf ihren Krücken gehen, das leere Hosenbein umwehte dabei die Krücke. Für solche Szenen sammelte sich in kürzester Zeit ein ganzes Arsenal von Krücken an: schwarze, dunkelblaue, knallrote, verchromte und solche aus Edelstahl, eigens angefertigt. Die Unterarmkrücken sind aus Metall in unterschiedlichen Formen, die Achselkrücken aus Holz. Unglaublich, wie viele Arten von Krücken es gibt!
In allen möglichen Posen lichtete er Liza ab, sitzend, liegend, … Immer darauf bedacht, dass ihre Einbeinigkeit eher wie „zufällig“ aussieht. Die Sujets verkauften sich erstaunlich gut. Lizas Wert stieg am Markt und damit verdienten die beiden gutes Geld.
Eines Tages meldete sich jemand von einer bedeutenden amerikanischen Werbeagentur. Eine schöne Frau mit nur einem Bein zieht die Aufmerksamkeit auf sich, erklärte die Dame aus den USA, und das sei ja gerade das, was man in der Werbebranche braucht. Rick schickte einige seiner Fotos und Videos, die er mit Liza gemacht, aber noch nicht verkauft hatte. Zwei Wochen später waren sie auf dem Weg nach Los Angeles.
Liza konnte es kaum fassen; jetzt, mit nur einem Bein verdiente sie mehr als ehedem mit zwei!




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