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Rattenrennen – siebtes Kapitel

Ein Hinweis: Alle Texte sind von mir und urheberrechtlich geschützt, falls jemand auf die Idee kommen sollte, da etwas abzuschreiben. Eure Amélie von Tharach

Morgengrauen
Essen, Mittwoch, 16. März 2011
3:28 Uhr

Ich kann immer noch nicht einschlafen. Wirres Zeug, sinnloses Gespinst aus Zukunft und fast Vergessenem, geht mir durch den Kopf. Auch das megapeinliche Erlebnis mit dem Gerichtsvollzieher ist wieder da. Noch nie zuvor hatte ich mit einem Gerichtsvollzieher zu tun. Eigentlich war der Gerichtsvollzieher ganz nett und umgänglich, so ganz anders als seine Berufsbezeichnung androht. Ich glaube die Leute haben einen schlechteren Ruf, als sie in Wirklichkeit sind. Aber Gerichte und Streitigkeiten um Geld und Recht hasse ich wie die Pest, und Finanzämter meidet man ja auch wo man kann.
Am Tag habe ich nicht weiter darüber nachgedacht. Franz hat gesagt, dass es nur ein Versehen war, und ich glaube ihm, aber jetzt fange ich wieder an zu grübeln. Warum (verdammte Scheiße) bekommen wir Besuch von einem Gerichtsvollzieher, und warum muss ich Schulden der Firma mit meinem privaten Geld bezahlen? Ich bin doch nicht für die Finanzen der Firma verantwortlich. Mit meiner Einlage müsste die Firma doch blendend dastehen?

Die Idee mit der Teilhaberschaft war von Franz gekommen. „Du hast das richtige Feeling für ganz großes Design“ und damit ich nicht zur Konkurrenz wechsle, hat er mir angeboten, als gleichberechtigte Gesellschafterin in die Firma einzusteigen. Der weiß, wie er mich nehmen muss. Franz hat mir immer wieder gesagt: „Nur du bist uns wichtig. Das Geld brauchen wir nur aus Paritätsgründen. Aber ich lege das sicher als Reserve an.“
Der hat immer so überheblich getan, als ob ich mit meiner Einlage eine Bittstellerin wäre, und er gnädig die dreihundertfünfzigtausend Peanuts annimmt, und jetzt kommt der Gerichtsvollzieher wegen einer Bagatelle. Nicht Franz und auch nicht Uli – ich habe unser (eigentlich ist es mein) Haus bis zum Anschlag beliehen. Wo ist das viele Geld abgeblieben?
An die Firmenkonten komme ich nicht dran, weil Franz alles was zu bezahlen ist, per Online-Banking erledigt, und ich den Anmelde-Namen und die PIN nicht kenne. Franz wollte mir alles abnehmen, und die Zahlungen die während seiner Abwesenheit anstehen, von Marbella aus veranlassen. Offensichtlich hat er Einiges vergessen, oder er traut mir nicht. Wenn die zurück sind, muss ich mal ein ernstes Wort mit denen reden. Wir sind befreundet, aber mich hängen zu lassen, finde ich ziemlich mies.

Ich schlüpfe aus dem Bett. Dann schleiche ich auf Zehenspitzen die Treppe runter. Hoffentlich hat Stefan nichts gehört. Die schwarzen Granitstufen schimmern im Mondlicht. Hat er sich an der letzten Stufe den Schädel eingeschlagen, oder schon vorher das Genick gebrochen? Blut war nur auf dem Boden.
Kichernd denke ich: „Armes Schwein, aber warum musstest du mich auch ständig befummeln. So etwas macht man doch nicht.“
Die Vorhänge im Haus sind nicht zugezogen. Vor mir in der fahlen Dunkelheit sind blätterlose Bäume und Büsche, die wie mich beobachtende Gestalten, jede meiner Bewegungen verfolgen. Sind das die Gespenster die auf mich warten um mich in die Nacht zu entführen?
Nervös zünde ich mir eine Zigarette an und rauche sie bis zur Hälfte. Dann öffne ich die Terrassentür und schnippe den Rest in die Nacht. Beim Aufschlag versprüht die Glut der Zigarette kleine Funken. Wenn Stefan den Zigaretten-Stummel findet, wird er ihn aufheben und mich mit einem vorwurfsvollen Blick abstrafen. Manche Blicke können mehr bewirken, als viele Worte. Eine heftige Diskussion würde mich nicht so treffen, wie sein demonstratives Schweigen. Stefan erzieht mich mit unausgesprochenem Missbilligen, und ich wehre mich mit stiller Rebellion, und flüchte in eine andere Welt.
Ich drehe mich um. Im Wohnraum betrachte ich das wunderbar restaurierte 20er Jahre Sideboard. Das Sideboard habe ich auf einer Auktion in Amsterdam erstanden und für viel Geld in den Originalzustand versetzen lassen. Jetzt ist es ein wertvolles Schmuckstück um das mich unsere Freunde beneiden.
Ich öffne die linke Tür und nehme ein Glas und eine Cognac-Flasche heraus. Jetzt brauche ich etwas von meiner Medizin um meine Nerven zu beruhigen. Dann lege ich mich auf das Sofa. Ich kann immer noch nicht schlafen, aber nach den ersten Schlucken fühle ich mich besser. Erinnerungen betäuben meine Sorgen. Wie an Knoten in einem Seil ziehe ich mich in die Vergangenheit, die heller und heller strahlt.

Kannst du mir sagen, warum ich mich nicht dagegen wehren kann? Sie ist schon wieder da und sie geht mir megamäßig auf den Geist. Vielleicht sollte ich ihr eine Flasche Rotwein hinstellen. Den hat sie immer gemocht.
Ich sehe ihre langen, weißen Haare, aber warum bewegen die sich nicht. Ist es ein Bild? Zwei schwarze Augenhöhlen sehen mich an und ich bekomme Angst. Ich spüre so etwas wie einen eisigen Hauch. Ich friere. Bin ich auch so, oder werde ich auch so?

Was hat der Mensch gefühlt? Was hat sie gedacht? Was ging in meiner Mutter vor? Ich weiß es nicht, weil sie mir immer fremd geblieben ist. Aber sie lässt mich nicht los. Wie ein durch die Nächte ziehendes Gespenst belästigt sie mich immer und immer wieder. Kann es sein, dass die alten Mythen vom Besenstiel zwischen den Beinen, doch nicht so falsch sind?
Warum macht sie das?
Warum lässt sie mich nicht schlafen?
Ich besitze hunderte Photographien von ihr, aber ich kann mich nicht an ihr Gesicht erinnern. Wie oft habe ich mir vorgenommen, die mit bunten Blümchen bemalten Pappkartons, die von ihr gebastelten Sammelbücher und ihre megahässlichen mit kleinen Spiegelscherben beklebten Bilderrähmchen, die auf dem Dachboden und im Keller verdreckt und angestaubt herumliegen und doch nur Mittel zum Zweck waren, wegzuwerfen. Wenn ich meine Seelenruhe wiederfinden will, muss ich mich von dem sentimental verklärten Ballast befreien. Bis heute ist es mir nicht gelungen. Aber morgen werde ich es tun …

Vor Wochen habe ich mit ihm darüber geredet. Er hat mir gesagt: „Wir werden gemeinsam und bei Vollmond alles verbrennen. Nur so kannst du dich von ihrem Bann lösen.“ Das klang sinnvoll, obwohl ich nicht weiß, was der Vollmond damit zu tun hat. Am Samstag ist Vollmond und der Mond hat in dieser Nacht eine besondere Konstellation zur Erde. Ich habe ihm versprochen, dass ich ihm bis zum Morgen zur Verfügung stehe. Wie ich Stefan beibringen soll, dass ich eine Nacht nicht zuhause bin, weiß ich noch nicht, aber mir wird schon noch etwas einfallen. Ich erzähle ihm etwas von einem Selbsterfahrungsseminar nur für Frauen, das wirkt immer.
Wenn er am Samstag keine Zeit hat, werde ich alles in die nächstbeste Mülltonne werfen. Das nehme ich mir fest vor, aber ich weiß, dass ein Blick von ihm genügt, und meine Vorsätze vergessen sind.

Meine Mutter war eine schöne Frau, und sie wusste, dass sie alle Blicke auf sich zog. In Berlin, dort wo es in der Mauerstadt hip war, im Dschungel, im Madow in der Pariser Straße, im Sunset und im Treibhaus am Kudamm war sie der Mittelpunkt. Die Namen der 70er Jahre Locations haben sich mir eingeprägt, weil sie immer und immer wieder davon geschwärmt hat.
„Ich war ganz dicht dran. Ich hatte sogar schon Probeaufnahmen …“
Ein paar Knipser hatten ihr von guten Kontakten zum Playboy erzählt, und für die Spinner hat sie sich ausgezogen und die Beine breit gemacht. Was hat es ihr gebracht? Nichts, aber auch gar nichts. Niemand erinnert sich an sie, nur mir geht sie auf die Nerven.
Als Kind bekam ich häufig zu hören: „Ohne dich wäre für mich alles viel schöner und leichter gewesen“, mit unüberhörbar vorwurfsvollem Ton in der Stimme, damit ich mich schuldig fühlen sollte.
„… und dann bist du dazwischen gekommen, aber ich hab dich trotzdem lieb.“
Das „trotzdem lieb“ klang bei ihr wie der ultimative Vorwurf, dass aus ihrer Karriere vom gefragten Fotomodell und internationalem Filmstar nichts geworden ist. Die Karriereleiter war zu steil. Sie war Nummerngirl in der Salambo-Bar , und ein rabiater Freier oder ein Möchtegern-Zuhälter hatte ihr einen Schneidezahn eingeschlagen. Das mit Salambo-Bar stimmt, aber das mit dem Freier und dem Zuhälter habe ich erfunden. Aber ich denke, dass ich mit meinen Vermutungen nicht sehr weit von dem, was tatsächlich geschehen ist, weg bin. In ihrem Nachlass gibt es ein Bild, wo sie in ihrer blonden Minipli-Lockenpracht lacht und ihr ein Schneidezahn fehlt. Außerdem habe ich noch eine uralte Getränkekarte aus dem Salambo gefunden. Das kann kein Zufall sein. Bestimmt gibt es da einen Zusammenhang. Einmal hatte sie es geschafft auf ein Plattencover einer Single von Frank Zander zu kommen. Da saß sie mit einer anderen Tusse und mit Frank Zander in der Badewanne. Sie musste die goldenen Stiefel der Anderen anziehen, dafür durfte die ihren schwarzgoldenen Bikini anziehen – das hat sie mir mal erzählt.

In ihrer Berliner Zeit hatte sie viele Freunde, wenn man den Begriff „Freunde“ sehr weit dehnt. Später, mit zunehmendem Alter litt sie unter der nachlassenden Aufmerksamkeit der Leute, die sie für wichtig und interessant hielt. Auch ihr blieb die bittere Erfahrung, dass Schönheit nur eine verderbliche Ware ist, nicht erspart.
Ich habe lange gebraucht um zu verstehen, warum sie so war wie sie war. Geplatzte Träume, wirre Ideale und zu viel Rotwein können zu einer gefährlichen Mischung werden. Tatsache ist, dass sie eine viel zu kurze Zeit in der Zeit war. Danach war sie nicht mehr im strahlenden Zentrum. Nachrückende, blutjunge Mädchen hatten sie zuerst an den Rand, dann ins Vergessen gedrängt, und es gab keinen Weg zurück.

Musik gehört zu meinem Leben. Eine Melodie hat sich in meinem Kopf festgesetzt: „You don´t know what´s going on. You´ve been away for far too long. You can´t come back and think you are still mine. You´re out of touch my baby. My poor discarded baby. I said, baby, baby, baby, you’re out of time. Well, baby, baby, baby, you´re out of time …”
Ich glaube, es war die Hippiezeit und die 70er mit zu vielen Joints und dem Wahn von Bhagwan (oder Osho) wie er sich nannte, die sie aus der Spur geworfen hatten. Bis zu ihrem Lebensende hing sie voll verhuscht und immer etwas daneben, unausgegorenen Spinnereien von grenzenloser Gerechtigkeit für alle Menschen nach.

Was ich über die 60er bis Mitte der 70er Jahre weiß, kenne ich nur von ihrem Geschwafel. Ihre Schwärmereien klangen, als ob damals die Tore zum Paradies weit offen gestanden hätten. Ibiza, La Gomera, Goa und die Namen vieler geheimnisvoller Orte, von denen sie immer wieder erzählte, sind in meinem Gedächtnis eingebrannt. Für mich haben diese Orte die gleiche Bedeutung, wie ein billiger Abklatsch von billigem Kitsch, den nur ein paar verschrobene Spinner noch schön finden. Ich wollte diese Orte nicht sehen. Ich will da nie hin und ich habe Flugangst. Ich will ihr Gerede vergessen, weil ich ihr Lallen und Kichern nicht ertragen konnte, wenn sie zu gedröhnt in einer Ecke lag.

Früher dachte ich, dass meine Mutter eine Ausnahme war. Aber sie war nur eine der unzähligen Achtundsechzigerinnen, die auf ihren egoistischen Selbstfindungstrips alles ausprobieren wollte, und zwischen herumflippen und Dope verticken vergessen hatte, dass es auch so etwas wie Verantwortung für ihr Kind gibt. Ich weiß, dass solche Ansichten verbittert und auch etwas reaktionär klingen, aber ich bin es nicht. Tief in meinem Innern weiß ich, dass meine Mutter immer nur das Beste für mich wollte, wenn sie gelegentlich von ihrem schlechten Gewissen gepackt wurde.

Früher, als kleines Mädchen und als ich das alles noch nicht wusste, habe ich mir oft vorgestellt, dass mein Vater ein russischer Großfürst oder ein berühmter Forscher ist, der auf der Suche nach dem heiligen Gral von Eingeborenen entführt, eines Tages zu mir zurückkommen und mich zu sich holen wird.
Die Realität ist an Banalität oft nicht zu übertreffen. Meinen leiblichen Vater habe ich nie kennengelernt. Ich kenne nicht einmal seinen Namen, aber ich habe eine Vermutung wer oder was er gewesen ist. In ihrer Bilderkiste liegt es ein kleines und abgegriffenes Bild von einem Plattenfuzzy aus dem Madow. Keine Briefe, keine Aufzeichnungen und auch sonst gibt es keinen Hinweis auf meinen Erzeuger. Ich bin ein Zufallsprodukt, entstanden aus einem namenlosen One-Night-Stand mit einem auf Latin-Lover geschmalzten DJ, der sich ein paar Minuten nach meiner Zeugung aus dem Staub gemacht hat.
Meine Mutter hat nie über ihn geredet. Von ihren Erzählungen weiß ich nur, dass sie mit mir im Bauch und ein paar Habseligkeiten in einem Rucksack, von Berlin zurück nach Bad Liebenzell kam. Einen kleinen Ort im Schwarzwald, den sie hasste und der ihr immer zu miefig und zu eng war. Damals lebten meine Großeltern noch, und sie nahmen ihre Tochter mit mir als Anhang wieder auf.

Ich fühle mich nicht gut. Ich habe Kopfschmerzen, und ich werde erst am Nachmittag in die Firma fahren. Mit Sandra habe ich telefoniert, und sie hat mir versprochen, dass sie mich anruft, wenn etwas Wichtiges geschieht. Ich weiß nicht warum, aber die Firma ängstigt mich, und ich zweifle an meiner Kollektion. Außerdem beschäftigt mich der Traum der letzten Nacht. Es wird Zeit, dass ich auf andere Gedanken komme, und das alles aufschreibe, so wie er es mir geraten hat.

Das Haus meiner Großeltern befand sich außerhalb von Bad Liebenzell im Wald und war nur über eine Schotterstraße erreichbar. Um in den Ort zu gelangen, mussten wir etwa zwei Kilometer durch den Wald laufen, immer an einem kleinen Bach entlang.
Ich war noch zu klein, und ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Aber dass es schön war, das weiß ich noch.
Besonders gut gefallen, haben mir die Abende auf der blauen Holzbank vor dem Haus. Manchmal haben wir gemeinsam Lieder gesungen, oder meine Oma ging mit mir Blumen pflücken. Auch mein Opa war ein lieber Mann, der mit mir spielte und mir lustige Geschichten erzählte. Als meine Großeltern noch lebten war alles noch einigermaßen in Ordnung. Was blieb meiner Mutter auch anderes übrig als sich zu fügen. Aber als meine Großeltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, fing das Elend an. Da war ich vier Jahre alt, und wir waren in dem düsteren Haus allein.

Soll ich meine Cam anschalten, oder mich zwingen, alles aufzuschreiben. Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren und ich spüre die drei goldenen Kugeln in mir. Wenn ich mich bewege, ist es, als ob von ihm leichte Stromstöße durch meinen Körper gesendet werden. Er hat mir befohlen, alles aufzuschreiben, um meinen Willen zu testen. Ich bin nicht schwach, und beim Schreiben fallen mir immer neue Bruchstücke ein, die sich wie die Teilchen eines komplizierten Puzzles zusammenfügen. Als Kind denkt man nicht darüber nach, aber ich bin in einem unbeschreiblichen Chaos aufgewachsen und keine Behörde oder Jugendamt hat sich um uns gekümmert.
Im Sommer konnte ich im Wald und am Bach spielen und meine Mutter lief vollkommen ungestört nackt im und ums Haus herum. Aber im Herbst und im Winter froren wir entsetzlich. Im ganzen Haus gab es nur einen Ofen. Um das Ungetüm anzuheizen musste im Sommer Holz besorgt und getrocknet werden. Obwohl wir mitten im Wald lebten, und hin und wieder Waldarbeiter vorbei kamen, hatte sie das mit der Heizung nie auf die Reihe bekommen. Außerdem musste der Ofen auch saubergemacht werden, und mit Sauberkeit hatte meine Mutter ihre kleinen Probleme.
Im Winter hatten wir uns in dicke Decken eingemummelt und in der Zeit war ich trotz der Kälte meiner Mutter sehr nah. Was blieb uns auch anderes übrig?
Fleckige Tapeten, Schimmel an den Wänden und eine Zwischendecke aus grob behauenen Holzdielen. Das Haus meiner Großeltern war noch echte Vor-Vorkriegsware, und so war auch der Zustand. Immer waren mehrere Dinge gleichzeitig kaputt. Mal lief der Regen durchs Dach, dann waren Fenster eingeschlagen, und die Tür ließ sich nicht abschließen. Überall musste repariert werden, aber meiner Mutter war das egal. Sie fand das Leben im Wald und in der Bruchbude schön. Zuerst das ausgeflippte Großstadtleben in Berlin, und dann nur noch Natur. Wieder einmal fiel sie ohne Übergang von einem Extrem ins andere.
„In unserer kleinen Höhle entwickeln uns zurück zur Natur und das bringt uns nicht um“ war ihre Einstellung. Ich weiß nicht, ob sie den Satz irgendwo aufgeschnappt und gedankenlos wiederholt hat, oder ob sie damals schon geahnt hat, was die Worte eines Tages für uns bedeuten könnten. In Wirklichkeit war ihre romantische „Höhle“ der Vorhof zur Hölle.
Oft ließ sie mich tage- und nächtelang allein. Die Vorzeichen waren immer die gleichen. Normalerweise standen wir erst gegen Mittag auf. Aber an ihren „Fiebertagen“ verhielt sie sich anders. Da war sie schon nach kurz nach Sonnenaufgang wach.
„Ich bin technisch so unbegabt. Ich weiß nicht wie man so ein Scheißding bedient“ waren ihre Ausreden um sich zu drücken. An ihren „Fiebertagen“ konnte sie es. Ihr rotes Kleid, das tagelang achtlos in irgendeiner Ecke unter schmutzigen Klamotten gelegen hatte, wurde dann mit unserem alten Bügeleisen traktiert und sie fing an sich zu schminken und die Haare mit Henna rot zu färben. Das mit dem Henna war eine Riesensauerei. Stundenlang lief sie mit der grünen Pampe auf dem Kopf und darüber eine Plastiktüte darüber herum. Dann musste das krümelige Zeug auch noch aus den Haaren gespült werden, und ich musste ihr dabei helfen. Seitdem kann ich keinen Spinat mehr sehen. Dann wusste ich, dass ich die Nacht wieder allein bleiben musste. Angst allein im Haus und im Wald zu sein hatte ich nie, ich war das ja gewohnt.
„Amischätzchen, das macht die Mami nur, damit du Verantwortung lernst.“ So klangen ihre Ausreden, wenn sie mir nach einem gehauchten Kuss und oft schon an der Tür zuflüsterte. „Mami hat ihr läufiges Fieber. Mami muss jetzt etwas für ihre kleinen Nervis tun. Ich bin bald zurück.“
Entweder wurde sie abgeholt, oder sie fuhr per Anhalter nach Pforzheim, oder nach Calw in die Provinzdiskotheken. Oft blieb sie tage- und nächtelang irgendwo hängen, und ich war vergessen. Manchmal brachte sie Männer mit. Mit ihrem Latino-Lover-Ideal von früher hatten die abgefuckten Typen nicht mehr viel zu tun. Die blieben nur ein paar Stunden und selten länger als eine Nacht. Selbst die Durchgeknalltesten konnten unser Chaos auf Dauer nicht ertragen.
Einmal hatte sie einen Rocker aufgetan und der ist mit einer Motorradgang bei uns eingefallen. Das waren so zwanzig wild tätowierte Typen. Die hatten vor dem Haus ein Feuer gemacht und Fleisch und Würstchen gegrillt und sich besoffen. Das hat mir gut gefallen, weil die sehr nett zu mir waren. Die haben mir auf einem Pappteller ein Grillwürstchen in Scheiben geschnitten. Dazu gab es Ketchup und Majo und das hat gut geschmeckt. Ich durfte auf den Harleys sitzen und die gaben mir sogar eine Kutte zum Anziehen. Die war aber viel zu groß und zu schwer für mich. Außerdem stank die und das mochte ich nicht. Als ich ins Haus ging, sah ich, wie meine Mutter nackt auf ihrer Matratze lag. Zwei Tätowierte hatten meine Mutter abwechselnd gefickt. Ich weiß nicht wie lange das ging. Ich stand nur da und konnte nichts sagen, so erschrocken war ich. Aber die haben sich nicht stören lassen. Ich hab dann geheult, weil ich dachte, sie tut denen weh und sie beißt einem den Pimmel ab und das sind die Würste die auf dem Grill liegen und ich hab so etwas gegessen. Meine Mutter rief mir zu: „Amilein, du musst nicht weinen, das ist alles ganz natürlich.“ Ich bin dann in den Wald gelaufen und hab mich erbrochen.
Ich habe dann noch gesehen, wie die Kerle alle ins Haus gingen. Es war schon Nacht, als die mit ihren Motorrädern wieder wegfuhren. Meine Mutter hat dann nach mir gerufen, aber ich bin sofort auf meine Matratze und hab die Augen ganz fest zu gemacht. Ich wollte nur noch schlafen und nie wieder aufwachen.

Je öfter ich an meine Kindheit denke, desto weiter führt mich meine Erinnerung zurück. Ich ging noch nicht in die Schule, als mit meiner Mutter eine Veränderung vorging. Das rote Kleid war verschlissen, und eines Tages kam sie mit einer großen, hellgrünen Plastiktasche an, auf der stand „BREUNINGER.“ In der Plastiktasche war ein schwarzes, langes Kleid. Damals konnte ich noch nicht lesen, aber sie hat das Kleid bis zu ihrem Tod in der Plastiktüte aufbewahrt.
Das Kleid fand ich sehr schön. Auch ihre rot gefärbten Haare hatte sie schwarz gefärbt, und mit dem Kleid sah sie wie eine Heilige aus. Vielleicht waren das Kleid und die gefärbten Haare die Zeichen, dass sie anfing, über ihr Leben nachzudenken. Damals habe ich die Zusammenhänge nicht verstanden. Erst viele Jahre später hat sie mir erzählt: „Wir hatten keine Kohle und ich musste was tun. Das musst du doch verstehen!“
Der Satz hat sich bei mir bis heute eingeprägt. Ich soll alle verstehen, aber wer versteht mich? Wenn du Geld hast, musst du dich darum kümmern, und wenn du kein Geld hast, musst du noch viel mehr tun. Heute weiß ich auch, dass das Geld, das sie von meinen Großeltern geerbt hatte, aufgebraucht war. Da sie nie gearbeitet und sich nie um Rechnungen oder Zahlungen gekümmert hatte, sollte die Bruchbude in der wir wohnten, versteigert werden. Es musste etwas geschehen. Vielleicht hatte sie irgendwann eingesehen, dass ihre große Zeit in den Dorf-Diskos vorbei war. Sie musste ein neues Jagdrevier finden.

Zwischen Schlossberg und Kurhaus und dort, zwischen gesetzterem Alter, Geld und Schwarzwald-Kur-Frust ist er ihr über den Weg gelaufen. Ob sie ihm sofort von mir erzählt, oder mich nicht erwähnt hatte, um ihre Chancen zu verbessern, weiß ich nicht. Jedenfalls hat er beim Anblick der schwarzgekleideten „Sünderin“ angebissen.
Ein paar Tage später sagte sie: „Ich habe jemand kennengelernt. Wir gehen heute durchs Monbachtal spazieren. Du bist brav. Versprichst du mir das?“
Ich hatte nur mit dem Kopf genickt, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Dann wurde ich in unserer Zinkwanne von Kopf bis Fuß mit einem Lappen und kaltem Wasser abgewaschen, weil der Strom mal wieder abgestellt war. Ich hatte geheult, weil mir so kalt war. Dann bekam ich meine blonden Haare gebürstet und sie hat mir zwei Zöpfchen geflochten. In einem Kinderladen in Calw hatte sie ein blauweiß gestreiftes Strickkleidchen und Kniestrümpfe geklaut. Das musste ich anziehen. Ich weiß noch, dass ich gestrampelt und geschrien hatte, weil ich die Sachen fürchterlich fand.
Gegen Mittag nahm sie mich an der Hand, und wir sind den langen Weg bis zur Liebenzeller Mission gewandert, wo es damals einen kleinen Streichelzoo gab. Obwohl mir die Füße wehtaten, fand ich das sehr schön, weil meine Mutter so ganz anders war als sonst. Sie war ruhig und in sich gekehrt. Ja und dann stand er plötzlich neben uns. Obwohl er fast zwei Meter groß war, hatte ich ihn nicht gleich bemerkt. Dann sah ich, wie er meiner Mutter ganz höflich und sogar mit einer kleinen Verbeugung die Hand gab. Ich dachte: „Was ist denn das für einer?“
Seine spindeldürre Gestalt, seine vorgebeugte Haltung, und dazu sein eigenartig wiegender Gang, erinnerten mich an einen großen Vogel, der flatternd nach einem verfaulten Kadaver hackt. Ich musste kichern, weil meine Mutter mit ihren 1,60 Meter Körpergröße neben ihm wie eine Zwergin aussah. Er lächelt mich freundlich an und spendierte mir ein Eis von der Verkaufsbude. Plötzlich fand ich ihn sehr nett. Obwohl ich meine neuen Sachen mit dem schmelzenden Eis bekleckert hatte, bekam ich von meiner sonst so streitsüchtigen Mutter keine Schimpfe. Im Gegenteil, sie hat sich sogar bei ihm entschuldigt, dass sie so unaufmerksam war. Nicht ich war am tropfenden Schokoladeneis schuld – meine Mutter sagte: „Meine Kleine ist ein ganz artiges Mädchen.“ Da hat er sich vor mich hingekniet und mit einem Taschentuch den Fleck von meinem Kleidchen abgewischt. Ich fand das peinlich, weil das so komisch aussah, wie der große dürre Mann versucht hat, den Schokoladenfleck von meinem Kleid wegzuwischen, und dabei alles nur noch schlimmer gemacht hat. Mir waren die Flecken egal, aber die Leute hatten zu uns hergesehen und gelacht.
Ich durfte dann die Tiere, ich glaube es waren Ziegen streicheln, und er hat mir dabei immer wieder über den Kopf gestreichelt und gesagt, dass ich ein ganz liebes Kind wäre. Wir sind dann noch den Weg am Monbach entlang gewandert. Ich durfte auf bemoosten Steinen und über Baumstämme balancieren, und ich höre noch ihre Stimme: „Liebling sei vorsichtig, damit du dir nicht aua tust.“ Das fand ich lustig, weil sie sonst nicht so führsorglich war, und bei uns am Haus war ja auch ein Bach, und da hatte es sie nie interessiert, wenn ich ganz nass und schmutzig geworden bin.
Es war ein schöner Tag. Meine Mutter war fröhlich und hat immerzu gelacht, und er hat viel fotografiert.
Etwa einen Monat später mussten wir das Haus räumen, und wir sind mit zwei Koffern und dem was wir anhatten von Bad Liebenzell zu ihm nach Essen gezogen. Ein paar Wochen später hatte er sie geheiratet. Mich hat er schon kurz danach adoptiert, und wir sind zu einem „von“ und einem neuen Namen gekommen.

Ihre Ehe war von Anfang an der volle Griff ins Klo. Der neue Mann, mein sogenannter Stiefvater, war Professor für Germanistik und fanatisch dunkelgiftgrünbraun bis in die Haarspitzen. In Bad Liebenzell ist mir das nicht so aufgefallen. Da sah er einigermaßen zivilisiert aus – wie ein Künstler oder so. Aber in Essen war er ein absoluter Freak. Zu jeder Jahreszeit hatte er Sandalen mit dicken handgestrickten Wollsocken an den Füßen. Seine wirr vom fast kahlen Schädel abstehenden Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden, und sein Bart ging ihm bis zur Brust. Da hingen fast immer Essensreste drin, und manchmal kam es mir so vor, als ob da kleines Krabbelviehzeug drin hausen würde. Meiner Mutter hatte das nichts ausgemacht. Die hat sich vor nichts geekelt. Zu allem Überfluss war er auch noch ein stramm rechts- und erbarmungswürdig gläubiger Katholik mit einer Weltanschauung, die sich aus von ihm verfeinerten und kommentierten Welteis- und Scheiben-Welt- und allerlei abstrusen Engel- und Endzeittheorien ableitete.
„Das ewige Welteis hat eine besondere Wirkung auf uns. Wer mir glaubt und lernt ist auserwählt. Wer zweifelt ist ein Feind. Du meine kleine Amélie hast blaue Augen und goldlockiges Haar. Du mein Engelchen bist ausersehen, eines Tages die Urmutter einer neuen Rasse zu werden.“
Da er für seine wirren Ansichten nur wenige Zuhörer fand, versuchte er sie mit Gott und seiner kleinen Welt zu teilen, zu der meine Mutter und ich als aufmüpfiges Anhängsel gehörten.
In meiner Mutter hatte er ein gläubiges Opfer gefunden, die jede seiner Theorien wie göttliches Manna aufsaugte. Mit ihrem benebelten Verstand waren seine wirren Tiraden die Offenbarung, obwohl ich denke, dass sie von seinen endlosen Monologen nichts verstanden hat.
Für ihn war meine Mutter die bedingungslos Gläubige, die jeder unverstandene Prediger braucht, um noch fanatischer gegen die Verderbtheit der Welt zu wettern.
Bei meiner Mutter hatte er es nicht schwer. Sie war leicht zu beeinflussen. Bei mir war das anders. Als Kind war ich sehr schwierig. Unter den Umständen unter denen ich aufgewachsen bin, war das auch kein Wunder.
Mit ständigen Machtspielchen lebten wir in verschiedenen Welten aneinander vorbei. Seinen ganzen Ehrgeiz verwendete er darauf, mich in seinem Sinn zu erziehen und meinen störrischen Willen zu brechen.
Mit seinem absonderlichen Religionsgehabe zwang er mich dazu, auf Knien stundenlang den Rosenkranz rauf und runter beten. Wenn er wie ein Schmierenkomödiant mit theatralischer Stimme rief: „Wir werden zu Staub, aber du bist Dreck …“ dachte ich „… bitte lieber Gott, erlöse mich bald von dem Übel“ und ich habe meine kleinen Hände noch fester gefaltet und noch inbrünstiger gebetet.

Ich ging zwar zur Schule, aber ich wurde streng überwacht. Mit anderen Kindern durfte ich nicht spielen. Freundinnen hatte ich auch keine, weil er alle mit seinem „Mädchen dürfen das nicht …“, oder „Mädchen sollen das nicht“, und „Frauen sind die leibhaftige Sünde …“, oder „du bist eine kleine Lilith . Du kommst nicht ins Paradies. Du stehst auf der Warteliste fürs Fegefeuer“ vertrieb. Solche Sprüche gab er von sich, wenn ich wieder einmal nicht so funktionierte, wie er es von mir verlangte.

Vor dem Fegefeuer hatte ich lange Zeit eine höllische Angst. Als Kind hatte ich oft davon geträumt, dass böse Männer kommen und mich holen, und mich dann auf einen Spieß stecken und rösten. Manchmal denke ich, dass sein Psychoterror auch heute noch in mir nachwirkt – irgendwo tief versteckt in meiner Seele.

Wir besaßen weder ein Radiogerät, noch einen Fernsehapparat. Er sagte: „Mir kommen die amerikanischen Teufelsabbilder nicht ins Haus.“ Damit meinte er Barbiepuppen. Eines Tages waren alle meine Spielsachen verschwunden. Als Ersatz hatte er mir eine Puppe gebastelt. Das war ein seltsames Gebilde mit einem aufgemalten, grinsenden Gesicht und roten, geflochtenen Zöpfen. Ich hasste die Puppe, und ich habe das Ding gleich aus dem Fenster geworfen. Ich weiß noch, dass mir „hoffentlich ist die tot“ durch den Kopf ging.

Meine Mutter war eine musikalische Frau. Sie mochte das 60er- und 70er-Jahre Geschrammel, und sie spielte auch leidlich Gitarre. Mit ihrer glockenhellen Stimme konnte sie die Lieder von Joan Baez wunderschön nachsingen.
„Fields of c***dren running wild in the sun
Like a forest is your c***d growing wild in the sun
Doomed in his innocence in the sun …” Das wunderschöne Lied und ihre Stimme klingt immer noch in meiner Erinnerung. Nach der Heirat war das vorbei. Von einem Tag auf den anderen ordnete sie sich vollkommen unter. Mein Stiefvater wollte nur Richard Wagner hören, um mit unkoordiniert wedelnden Armbewegungen ein imaginäres Orchester zu dirigieren. Der nicht vorhandene Taktstock war so etwas wie seine Luftgitarre, weil es ihm an musikalischem Talent fehlte. Wenn ich ihn so herumkaspern sah, konnte ich mir oft das Lachen nicht verkneifen. Ich musste immer aufpassen, dass er meine Grimassen nicht sah. Wenn er mein Lachen hörte, schrie er: „Wagner ist eine ernste Angelegenheit …“ und dann rastete er vollkommen aus und es hagelte Ohrfeigen.

Meine Mutter fühlte sich im Ruhrgebiet unwohl. In den ersten Monaten ihrer Ehe verließ meine Mutter das Haus nur sehr selten, obwohl er sie nicht kontrollierte, oder einen besonderen Zwang auf sie ausübte. Aber nach einem halben Jahr musste sie wie eine stromernde Katze raus. Meinem Stiefvater machte das nichts aus. Ich glaube, es war ihm sogar recht, wenn sie nicht im Haus war.
Wenn meine Mutter nicht da war, reichte schon der kleinste Anlass, um „aus prophylaktischen Gründen“ wie er es nannte, eine Erziehungsmaßnahme durchzuführen. Lächelnd und mit dem Satz „Amilein, du sollst Vater und Mutter ehren …“ fingen es immer an. Wenn er das durch das große Haus nach mir rief, wusste ich, dass ich ihm den hölzernen Kochlöffel aus der Küchenschublade bringen musste. Dann zog er mir den Schlüpfer runter und legte mich über sein Knie um mir den Hintern zu versohlen.
Tristan und Isolde war seine Lieblingsoper und manchmal rezitierte er mit theatralischer Stimme: „O sink hernieder, Nacht der Liebe, gib Vergessen, dass ich lebe; nimm mich auf in deinen Schoß, löse von der Welt mich los!“
Wenn er gute Laune hatte, zog er mich auf seinen Schoß, um mir grausliche Geschichten von Königen, eingesperrten Prinzessinnen und einer treulosen Welt zu erzählen. Ich wollte das nie, weil ich auch heute noch glaube, dass er einen schweren Splitter im Kopf hatte.
Meine Mutter hat von alledem nichts bemerkt. Oder sie tat so, als ob sie nichts bemerken würde. Ihr ganzer Ehrgeiz bestand jetzt darin, mich zu einer bekannten und gefeierten Künstlerin zu formen.
Allein war sie gerade noch auszuhalten, aber mit ihm als Autoritätsperson im Rücken, war das die Hölle. Mit dem obligatorischen Blockflöten-Unterricht war es nicht getan. Ich musste Klavier, Geigen und Gitarren quälen. Wenn irgendwo eine Schulaufführung war, gingen die Beiden den Lehrern so lange auf die Nerven, bis ich eine kleine Rolle abbekam. Als Kind war sie mir oft peinlich, wenn das ungleiche Paar sich wieder einmal lautstark in den Vordergrund gedrängt hatte. Aber etwas Gutes hat ihre Foto- und Karrieregeilheit bewirkt. Meiner Mutter verdanke ich mein Gespür für extravagantes Design, und meinem Stiefvater den Zwang, fast pedantisch auf die Details und auf Sauberkeit zu achten.

Über die unwichtigsten Kleinigkeiten konnte er sich fürchterlich aufregen. Nie hatte ich bei ihm so etwas wie menschliche Wärme und Güte gespürt. Trotzdem war ich etwas traurig, weil er so leise und ohne zu leiden gestorben ist. Er ist ausgerutscht und die Treppe runtergefallen. Dabei hat er sich das Genick gebrochen. Ich hätte ihm das volle Programm gegönnt. Aber meine Gebete „… und erlöse mich von dem Übel“ wurden erhört, und nur das Ergebnis zählt.

Als Kind hatte ich gern Mikado gespielt. An meinem achten Geburtstag habe ich mein altes Strickkleidchen aus meiner Kleiderkiste geholt und mich da reingezwängt. Das war mir viel zu eng und zu kurz, und reichte mir noch nicht einmal über den Po, und sogar der Schokoladeneisfleck war noch zu sehen. Das Kleidchen hatte ich ja nach dem Ausflug ins Monbachtal nie wieder angehabt. Auch die Kniestrümpfe waren mir zu klein. Beim Anziehen habe ich Löcher reingerissen, aber das war mir egal, weil es lustig aussah. Und plötzlich hatte ich Lust, Mikado zu spielen. Aber weil der oberste Treppenabsatz so schmutzig war, habe ich den Boden mit viel Spüli sauber gemacht. Die einundvierzig Mikado-Stäbchen hatte ich nicht gebündelt und nicht einfach so auf den Boden geworfen, sondern mich hingekniet und fein säuberlich hintereinander gelegt. Ich hatte das ganz ordentlich gemacht, und das sah fast wie eine kleine Straße aus. Und dann kam er aus seinem Musikzimmer. Pech gehabt. Wer die Stäbchen bewegt, hat das Spiel verloren. Der war doch so schlau, das hätte er doch wissen sollen.

Das alte Spiel besitze ich immer noch, und ich bewahre die Hülle mit den farbigen Stäbchen als schöne Erinnerung auf. Die runden Dinger habe ich nie wieder auf dem Boden liegen lassen. Eigentlich hasse ich Mikado.

Für meine Mutter war der schreckliche Unfall ein großes Glück. Nach nur dreieinhalb Jahren Ehe hat sie sein beträchtliches Vermögen und die große Villa in Kettwig geerbt, in der ich auch heute noch wohne.

Ihre Trauer hielt nur ein paar Tage an. Eines Morgens sagte sie: „… ich hab´ mich noch einmal gut hochgefickt. Das hat sich gelohnt.“ Dann brachte sie ihre schwarzen und graubraunen Sack- und Schlapperklamotten in die Altkleidersammlung, und wir gingen einen ganzen Tag shoppen. Mit engen Jeans und zu kurzen Röcken wollte sie wieder an ihre alten Zeiten anknüpfen. Aber es hat nur noch in die Kneipen und Trinkhallen in Kettwig und Werden gereicht.
„Ich brauch‘ das Fieber zurück, das alte Fieber zurück,
gib mir das Fieber zurück!“
Das alte Fieber war wieder da, und in einer Kneipe lernte sie einen selbsternannten Anlageberater aus Essen kennen. Der erzählte ihr von der Toskana, und traf damit voll ihren Hippie-Nerv. Mit großen Versprechungen, wie er ihr geerbtes Geld mit Goldzertifikaten und Minenaktien schnell vermehren wollte, fing er sie ein. Ich weiß, dass sie mich geliebt hat, aber ich war wieder einmal im Weg und der nächste Horrortrip mit der Waldorfschule fing an.
Anfangs fand ich mich in der „Deppenschule“ überhaupt nicht zurecht. Doch davon erzähle ich später mehr. Im Nachhinein betrachtet war meine Abschiebung mehr als Glück, denn der sogenannte „Anlageberater“ hatte sich nicht nur in Thailand an Kindern vergangen, sondern auch noch andere Sachen am Hals. Dafür musste er einige Jahre einsitzen. Nur von dem Geld, das ihm meine Mutter gegeben hatte war nichts mehr da. Aber die Erbschaft war mehr als ausreichend, und hatte noch gereicht, um mich ein paar Jahre unter anthroposophischer Aufsicht aufwachsen zu lassen und das Haus zu erhalten.




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