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Demonia – Teil 5

Teil 5

Fuer einen Moment bleibt mir die Sprache weg. Ich hatte mit Kinderschaendung oder sonstwas gerechnet, aber nicht damit. Sie
sieht ungluecklich aus, und wieso auch nicht. Was fuer Chancen sie auch immer hatte, dass ich mit ihr zusammenarbeite, sind
nun ganz ins Klo gefallen.
„Etwa alle acht Monate muessen unsere Maenner jemanden,“ Pause, „ermorden um fruchtbar zu bleiben.“
Wenigstens versucht sie nicht um den heissen Brei zu reden. Ich habe Professoren gehabt, die immer von „devitalisieren“ und so
geredet haben, nur um nicht zugeben zu muessen, dass sie ihre Versuchstiere toeten. Alle acht Monate. Ueber wieviele
Jahrhunderte? Wieviele Hunderdtausende von Menschen?
„Und du Fotze willst mich einem dieser Maenner ausliefern, nicht wahr?“
„Nein.“ Sie sagt das mit einer Bestimmtheit, der ich fast glauben koennte.
„Claudia, diese neue Mutation betrifft genau diese Nervenzellen. Die Schwelle fuer diese Nervenzellen ist drastisch gesunken.
Die neuen Maenner muessen nicht mehr toeten.“ Ihre Augen werden jetzt intensiv, wie bei einem Strassenprediger.
„Verstehst du, Claudia? Wir werden nicht mehr toeten muessen. Der Mann, der zuerst die Mutation hatte, hatte zwoelf
maennliche Nachkommen – die Mutation wird nur ueber sie weitergegeben – und die haben auch schon erste Kinder. Es sind
noch Vorschulkinder, aber es sind schon Kinder.“ – „Zwoelf Nachkommen? Wieviel -„
Sie schuettelt den Kopf. „Unsere Fortpflanzung laeuft anders ab als beim Menschen. Von den zwoelf sind acht noch am Leben.
Sie bilden die Grundlage fuer die Wiedergeburt unserer Art. Sie sind nicht staendig auf der Flucht, nicht immer in irgendwelchen
Verstecken oder Gefaengnissen. Sie sind frei.“ Sie beginnt, mich loszubinden, sie wirkt jetzt aufgewuehlt, die Ruhe ist weg.
„Was ist mit den anderen Vier passiert?“
Wut kommt in ihre Bewegungen, eine Leidenschaft, die ich noch nicht bei ihr gesehen habe.
„Sie sind ermordet worden.“
„Auch wenn sie nicht toeten?“
„Sie sind von den maennlichen Demonius der alten Art getoetet worden.“ Ich bin jetzt ungefesselt. Meine eigene Erregung ist
jetzt verdampft. Es ist alles anders als ich dachte, fuer den Moment kann ich gar nicht anders, als ihr in ihrer Traumwelt hinterher
zu laufen.
„Warum?“ Ich stehe, strecke mich, Muskeln und Sehnen und Baender entkrampfen sich entlang meiner ganzen Wirbelsaeule.
„Wir haben Krieg.“

Sie fuehrt mich ins Wohnzimmer. Ich habe die Haende auf dem Ruecken gebunden, unendlich bequem nach den Stunden auf
dem Kuechenstuhl. Auf dem Fussboden liegt meine Werkzeugkiste und jede Menge anderer Baumaterialien, Stahlringe,
Schrauben, Duebel, dazu ein Eimer mit Holzschutzmittel, Arbeitshandschuhe, Teppichmesser, alles sowas. Mein Wohnzimmer
ist eine einzige Baustelle.
„Claudia, wir weiblichen Demonias haben die Nase voll vom Toeten. Wir wollen nicht mehr mit Moerdern schlafen. Seitdem wir
die Moeglichkeit dazu haben, paaren wir uns nur noch mit den Neos.“
„‚Neos‘ sind die acht mit der Mutation?“
„Richtig.“
„Und die alte Art denkt, dass wenn es keine der Neos mehr gibt, ihr euch wieder mit ihnen werdet paaren muessen.“
Sie nickt, jetzt wieder ruhiger.
„Dieser Massenmoerder in Polen, der ist ein Demonius?“
Sie nickt wieder. „Der Anfuehrer der Alten. Ein absolutes Arschloch.“
Irgendwas baut sie in meinem Wohnzimmer, dafuer ist wohl auch das Holz in meiner Kueche. Und sie hat mich nicht mal
gefragt.
„Muenster ist mehr als ein Brueckenkopf fuer das Ruhrgebiet, nicht wahr?“ Ich schaue sie nachdenklich an. „Bist du
schwanger?“
„Noch nicht.“ Sie laechelt, ihre Mundwinkel symetrisch. „Aber du hast recht. Ich muss weit genug von den Kampfhandlungen
bleiben, damit ich sicher bin, aber auch nah genug, damit ich Kinder von den Neos kriegen kann. Sonst waere ich schon lange
nicht mehr in Europa.“
„Du bist als Brutmaschine eingeplant? Mehr Soldaten fuer das Vaterland?“
„Sei nicht so zynisch. Du wuerdest auch anders darueber denken, wenn deine Art auch auf knapp 300 zusammengeschrumpft
waere.“
So wenige. Sie waeren fast ausgestorben, ohne dass wir es jemals gewusst haetten.
„Und was fuer eine Rolle spiele ich dabei?“
„Deine erste Rolle ist es, mich zu ernaehren.“

Ich stehte auf Zehenspitzen im Wohnzimmer, meine Beine durch einen Besenstiel mit zwei Oesen an den Enden
auseinandergehalten, meine Arme an den Handgelenken zu einem Haken in der Decke gezogen. Der Haken ist ganz frisch
eingesetzt, die erste Stunde rieselt immer mal etwas Putz von oben nach. Sie hat das Seil so fest angezogen, dass mein ganzer
Koerper gestreckt und gedehnt ist, meine Schultern beginnen zu krampfen, meine Waden beben vor Anstrengung, und meine
Haut ist mit einer duennen Schweissschicht bedeckt. Wenn ich meine Waden schonen will, muessen meine Handgelenke mehr
von meinem Koerpergewicht uebernehmen, eine schmerzhafte Art zu stehen. Andererseit sind meine Waden schon so muede,
dass ich ihnen kaum wieder etwas zumuten kann. Peter wuerde mich so lieben. Peter liebte den Anblick von schwitzenden
Frauenkoerpern, die in unbequemen Stellungen gebunden waren, mehr als Ruten oder sonst etwas. Wenn wir zusammen Filme
geguckt haben, waren es immer die bebenden und qualvoll gestreckten Glieder und Leiber, die ihn erregt haben. Ich habe auf die
Zuechtigungen gewartet, das Klatschen von hartem Leder auf weichem Fleisch, die zarte Roetung der Aufprallstelle. Nur konnte
er nicht gut zuechtigen, und ich wollte nie so haengen.
Narlinea macht beides mit mir, und beides macht sie gut.
Ich weiss nicht ganz, was ich von ihrer Geschichte halten soll. Sie scheint wirklich ein Gespruehr fuer meine Gefuehle zu haben,
aber das will ich nicht ueberbewerten. Vielleicht ist sie einfach sehr emfindlich. Und was soll ich von diesem Krieg halten,
zwischen den ‚Alten‘ und den mutierten ‚Neos‘? Alles sehr
unwahrscheinlich. Aber nicht mehr als farblose Augen oder der Geruch von Alabaster. Wenn ich einen zweiten dieser Demonias
sehen wuerde, waere alles etwas glaubwuerdiger. Besonders einer ihrer Maenner. Was fuer eine Evolution machen Maenner
durch, die toeten muessen, um sich fortpflanzen zu koennen? Nur die Moerder werden Kinder zeugen. Die Ruecksichtslosen, die
kalten, diejenigen, die ohne zu grosse Reue oder Gewissensbisse ihre Fruchtbarkeit sichern. Und wenn wir die Bedingungen
noch verschaerfen, Polizei und Rechtsysteme und Gerichte einfuegen? Dann werden diejenigen sich vermehren, die auch noch
intelligent, stark und vorsichtig sind. Und wie wird dass nach all diesen Generationen aussehen, nach, sagen wir mal, zwanzige
Generationen einer solchen Selektion?
Nicht gut.
Vielleicht moechte ich doch nicht so einen Demonius treffen. Narlinea hat auch gesagt, dass sie nur auf Schmerz und
Erniedrigung stehen, nicht auf das Lust der
Opfer. Das Endprodukt einer solchen Selektion muss ziemlich widerlich sein.
Diese neue Mutanten, wuerden die soviel besser sein? Vielleicht muessen sie nicht mehr toeten, um zeugungsfaehig zu sein,
aber die ueber Generationen erworbenen Instinkte muessten deswegen noch lange nicht verschwinden. Das werden auch nicht
gerade nette Mitmenschen sein.
Wahrscheinlich wuerden sie meine jetztige Lage genauso lieben wie Peter. Ich koennte heulen vor Schmerz, aber Narlinea hat
deutlich gemacht, dass ich den Mund halten soll. Auf dem Wohnzimmertisch, zwischen Schraubenziehern und Schmirgelpapier,
liegen Klammern mit kleinen Gewichten. Sie braucht es nicht zu sagen, sie sind fuer meine Brustwarzen, falls ich ihr zu laut
werden sollte, oder meine Schamlippen. Ich beisse die Zaehne zusammen und halte still. Noch geht es.
Sie baut einen Tuerrahmen aus den Balken, mitteln im Wohnzimmer. Die zwei langen Balken hat sie mit einem Schwingschleifer
abgeschmirgelt, wie auch die kleineren, und fixiert jetzt eine Verankerung an Fussboden und Decke. Ich habe hohe Decken in
meiner Wohnung, wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle, habe ich immer noch mehr als 50 Zentimeter Luft ueber meinen
ausgestreckten Fingern.
Die langen Balken reichen bis zur Decke, sie muss es genau ausgemessen haben, als ich schlief. Wie sie die Dinger nach
Hause gebracht hat, ist mir schleierhaft. Selbst fuer sie muesste das Holz irre schwer sein. Die Guertel haben als Trageriemen
dienen muessen, das ist jetzt klar.
Sie kann mit Werkzeugen umgehen. Vaters alten Schlagbohrer bedient sie so geschickt wie die Rute. Sie traegt dabei fast alles,
was man sich als Schutzkleidung vorstellen kann – Handschuhe, Augenschutz, Mundschutz, und die gleichen Ohrenstoepsel,
mit denen sie mich kuerzlich versiegelt hatte. Mir faellt ein, dass sie nicht zum Arzt gehen kann, wenn sie sich verletzt. Jeder
Arzt wuerde fuer sie einen Nobelpreis kriegen, schon alleine wegen der Augen.
Narlinea streift die Schutzbrille und Handschuhe ab, zieht sich Saegespaene aus den Haaren. Sie schwitzt immer noch nicht,
auch nicht unter der ganzen Kleidung.
„Es gefaellt dir, nicht wahr.“
Ich sage nichts. Der Folterrahmen ist ein Rechteck aus massiven Holzbalken, durch Stahlbolzen zusammengehalten und in
Decke und Fussboden verankert. Sie hat das Holz glattgeschmirgelt, und dicke Stahlringe und Oesen an strategischen Stellen
angebracht. Es steht in der Mitte des Zimmers, so, dass genug Platz zum Ausholen einer Rute oder einer Peitsche bleibt, ohne
ohne gleich den Fernseher abzuraeumen. Es ist gross genug, dass ich auch kopfueber mit gestreckten Armen haengen koennte,
ohne den Fussboden zu beruehren. Selbst ein Mann haette hier Platz. Ich werde keine Chance haben, es als Buecherregal oder
Blumengeruest zu tarnen. Es ist ein Folterwerkzeug. Es beherrscht das ganze Zimmer.
Dieser Rahmen ist stabil, primitiv, demonstrativ brutal. Das Holz ist grobgehauen, der Stahl matt, kein elegantes
sadomasochistisches Spielzeug, sondern ein Geraet fuer ernsthafte Schmerzzufuegung. Eine Konstruktion aus einer wilderen,
grausameren Zeit, als das Auspeitschen eines Untertanen den Fernseher ersetzte und gluehendes Eisen zum juristischen Alltag
gehoerte. Sie hat recht. Etwas in mir findet das Teil furchtbar erregend. Narlinea steigt auf einen Stuhl, haengt sich an den
Querbalken, und beginnt Klimzuege zu machen. Eins, zwei, fuenf, zehn, fuenfzehn…
„Das wird halten.“ Sie laesst sich fallen, landet wie eine Katze. „Ich werde es natuerlich noch mit Schutzmittel streichen
muessen,“ sie dreht sich zu mir, „aber morgen Abend wirst du ein neues Spielzeug haben.“ Wie peinlich, dass tief in meinem
Inneren ein Hauch der Vorfreude sich breit macht. Fast schade, dass ich fuer morgen Abend mir etwas anderes vorgenommen
habe.
„Ich gehe mich eben duschen,“ sagt sie, „und danach machen wir Silberstreifen auf deinem Hintern.“

Sie zuechtigt mich wieder diesen Abend, es soll wohl ein taegliches Ritual werden. Es sind 20 Schlaege, diesmal
Laengstschlaege, zehn auf jeder Backe, und sie sind wieder mit maschineller Praezesion gesetzt, mit einem sinnlichen Gefuehl
fuer meine Schwellen. Diesmal kann ich es nicht leugnen: es erregt mich. Ich denke an meine Gefangenschaft und ich denke an
Australien und ich denke an maennliche Massenmoerder mit maskenartigen Gesichtern und schwarzen Augen, aber es hilft alles
nicht. Meiner Koerper kennt mal wieder seine eigenen Gesetze, und ein Teil von mir wuenscht sich noch ein paar Schlaege. Ich
hoffe, dass ich es verstecken kann, aber ich glaube nicht, dass ich Erfolg habe – sie redet von dem Geruch von Silber, von dem
Hauch von Gold, der von mir aufsteigt.
Ich versuche trotzdem, nach aussen hin nicht erregt zu wirken. Aber ohhhh, ist sie gut.
Mein Hintern sieht aus, als ob ich mich auf ein heisses Gitterrost gesetzt haette. Mit solchen Malen kann ich erst recht nicht zur
Polizei.

Sie kettet mich wieder ans Bett, und geht zurueck ins Wohnzimmer, streichen.
Meine Haende sind wieder frei, und diese Nacht habe ich ein Werkzeug. Ich habe die Erlaubnis gekriegt, mein Abendessen im
Bett zu nehmen, logischerweise deswegen, weil ich fernsehen will und im Wohnzimmer nichts hoeren kann bei dem Laerm ihrer
Bastelstunde. Ich habe versucht, so weit weg von ihr zu sein wie nur
moeglich als ich sie fragte, nach der Theorie, dass auch diese Sinnesnerven fuer Emotionen in ihrer Nase eine maximale
Reichweite haben muessten. Und ich habe versucht, nicht daran zu denken, was ich eigentlich vorhatte. Sie hat ja gesagt, und
ich sitze jetzt mit meinem Salatteller und meinem Joghurt auf meinem Bett und gucke Tagesthemen. Salat und Joghurt bedeuten
Gabel und Loeffel. Mit etwas Glueck…
Nach der Nationalhymne stelle ich den Teller auf den Fussboden neben meinem Bett, lecke das Besteck ab und stecke es unter
meinem Kopfkissen, und schalte Lampe und Fernseher aus. Jetzt Geduld, nur etwas Geduld…
Aber ich kann nicht schlafen.
Die Bettpfosten meines Messingbetts werden an der Unterseite mit einer Mutter zusammengehalten. Mit dem Loeffel oder der
Seite der Gabel kann ich vielleicht die Schauben aufmachen, das Gestaenge auseinanderbauen. Ich warte, wach und aufgeregt,
drei Stunden lang.
Aus dem Fernseher im Wohnzimmer kommt wieder Amerikanisch, CNNs Nachtprogramm.
Etwas Laermschutz habe ich also, aber nicht viel. Es ist fast voellig dunkel, ich muss alles ertasten. Den Kopfkissenbezug
wickle ich um die Kette, und lasse mich vorsichtig auf den Fussboden gleiten, Loeffel und Gabel in der Hand. Mir fallen alle
Ausbrecher und Gefaengnissfilme ein, die ich je gesehen habe. Wenn es nicht so ernst waere, muesste ich fast lachen. Der
Loeffel passt nicht in den ersten Schraubenschlitz, an keiner Stelle. Die Gabel passt nur an einer Stelle, die Zinken werden zur
Spitze hin duenner. Nach der ersten Schaube ist die erste Zinke hoffnungslos verbogen, aber die Schraube ist draussen. Und es
sind ja noch drei Zinken…
Zwei Schrauben spaeter habe ich den Bettpfosten abgebaut, das Bett steht nur auf drei Beinen. Klug wie ich bin, habe ich das
bedacht, und einen meiner immer noch nicht ausgepackten Koffer auf das Kopfende des Betts gestellt. Das mir das erst kurz vor
der letzten Schraube einfaellt, unterschlage ich einfach mal hier.
Aber das Bein ist ab, und ich kann die Kette ueber das Ende stuelpen. Frei!
Egal, dass ich im ersten Stock wohne, und aus dem Fenster klettern muss. Egal, dass ich splitterfasernackt bin. Ich muss nur
zum Nachbarhaus kommen. Nur eine Schelle erreichen. Dann hoert diese Scheiss auf. Vielleicht kriege ich sogar noch einen
spaeteren Flug.
Aus dem Wohnzimmer hoere ich nur den Fernseher. Ich gehe zum Fenster, das Kopfkissenbezug mit der Kette in meiner Hand,
drehe den Hebel um, und – Das Fenster geht nicht auf.
Ich ziehe kraeftiger, mit soviel Ruck, wie ich mich nur traue. Nichts zu wollen. Das Fenster bleibt zu.
Was in aller Welt?
Ich probiere das andere Fenster, gleiche Geschichte. Ich kann nicht in ein anderes Zimmer oder zur Vordertuer, vom ihrem Platz
im Wohnzimmer aus kann sie den ganzen Flur ueberblicken. Ich stemme ein Bein gegen den Festerrahmen, ziehe, ziehe, ziehe
– es scheint am oberen Rand aufgehen zu koennen, aber irgendwas klemmt unten, es ist zu dunkel, aber –
„Wenn du das Licht anmachst, kannst du die Schraubenkoepfe sehen.“ Oh Scheisse.
Ich bleibe still am Rahmen, den Kopf gesenkt, wie besiegt, kaue an meiner Unterlippe. Ich habe jetzt noch eine Moeglichkeit. Als
sie hinter mich tritt und ein Hand auf meine Schulter legt, lasse ich zur Ablenkung die Kette fallen, drehe ich mich blitzartig um.
Mein Handballen landet mit einem wunderschoenen Schlag gegen ihre Stirn, genau zwischen diesen unmenschlichen Augen. Ich
haette es nicht besser machen koennen, wenn ich es geuebt haette, ich habe mich aus meinen ganzen Koerper gedreht, die
Kraft aus den Bauchmuskeln genommen, wie sie es immer im Film machen. Der Schlag zieht meinen ganzen Arm hoch, vibriert
in meinen Zaehnen nach.
Sie tritt einen Schritt zurueck, schuettelt den Kopf einmal, wie ein benommener Boxer, und laechelt dann, kalt. Sonst – kein
Effekt. Sie ist nicht einmal benommen. Ich wehre mich zwar weiter, kratze, fluche, versuche zu beissen, aber sie ist einfach
staerker, geschickter, schneller. Zwei Minuten spaeter zwingt sie mich auf die Knie, meine Arme auf dem Ruecken gedreht und
hochgezogen bis es mir weh tut, meine Stirn gegen den Teppich gepresst, besiegt, unterworfen. Sie stellt einen Fuss
demonstrativ auf meinen Ruecken, sie hat wieder die Stiefel an, der Absatz bohrt sich spitz in meine Lenden.
„Netter Versuch, Claudia.“
Ich sage nichts, keuche nur, als sie meine Arme etwas weiter verdreht. Was sollte ich auch sagen. Ich habe versucht zu fliehen,
ich bin gescheitert, und jetzt wird es Konsequenzen geben. Haette ich mir vom Bett aus die Fensterrahmen auch nur einmal
angeguckt, oder haette ich Ruhe bewahrt, und nicht wie hysterisch an dem Fenster gezogen, haette ich vielleicht doch noch
fliehen koennen. Vielleicht haette ich die Kette als Waffe benutzten sollen.
So ging es auf jeden Fall wohl nicht.
Vermutlich war das meine letzte Chance zu entkommen. Vermutlich bin ich jetzt in ziemlichen Schwiergkeiten, oder, um meinen
manchmal etwas grobmauligen Freund zu zitieren: jetzt bin ich gefickt.
„Komme jetzt. Es wird Zeit, dass wir etwas klaeren.“




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