Teil 13
Ich war wirklich spät dran. Vom Schulparkplatz lief ich schnellen Schrittes ins Schulgebäude und weiter hinauf ins Lehrerzimmer. Meine Kollegen waren schon auf den Weg zu ihren Klassenräumen. Ich grüßte im Vorbeigehen.
Kurz vor dem Lehrerzimmer traf ich Walter Götzel, der an der Schule Chemie und Physik unterrichtete. Er war schon älter und bei seinen Schülern mehrheitlich sehr beliebt, da er einen unkonventionellen Charakter hatte und sich selten den Schneid abkaufen ließ. In der Lehrerschaft galt er als dreist mit Hang zum Rüpelhaften. Seine Scherze auf Kosten der Kollegen waren geradezu berüchtigt.
„Spät dran heute, Frau Kollegin?“ Seine Frage war mehr eine Feststellung.
Ich hatte keine Lust auf eine der üblichen sinnlosen Debatten mit ihm. „Der Verkehr, sie wissen ja.“ gab ich ausweichend zur Antwort und drängte an ihm vorbei.
Ich spürte förmlich, wie er einen bissigen Kommentar zu platzieren suchte, gab ihm aber dazu keine Gelegenheit. Noch bevor er etwas sagen konnte, verschwand ich schon im verwaisten Lehrerzimmer.
Dort sortierte ich schnell meine Unterlagen für die erste Stunde eilte dann zu meinem Klassenraum. Götzel war zum Glück schon weiter gezogen.
Es gelang mir trotz allem meine Stunden souverän abzuhalten. Ich war sogar richtig gehend aufgekratzt und konnte meine Schüler richtig motivieren. Der Erfolg zeigte sich in der gesteigerten Mitarbeit.
Die Stunde der Wahrheit kam nach den ersten beiden Stunden. Es folgte die große Pause, bei der ich Pausenaufsichtsdienst hatte. Das ich irgendwo Hendrik sah war sehr wahrscheinlich.
Betont gelassen und eine möglichst emotionslose Miene aufsetzend schlenderte ich durch die Aula. Trotz aller gegenteiliger Mühe ertappte ich mich selbst dabei, wie ich in der Menge der Schüler nach Hendrik Ausschau hielt.
Anfangs sag ich ihn nicht, was bei mir eine gewisse Nervosität auslöste. Dann fand ich ihn. Er lümmelte seelenruhig in der Leseecke, einem gepolsterten Bereich der Aula, die zum gemütlichen Literaturgenuss einladen sollte.
Hendrik las ein Buch und interessierte sich offenbar überhaupt nicht für den Trubel um ihn herum – auch nicht für mich. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie störte es mich, dass er nicht einmal aufschaute. Immer wieder versuchte ich mit ihm Blickkontakt aufzunehmen. Aber er blieb in sein Buch vertieft. Es machte mich sogar ein klein wenig wütend, den ich empfand das ein klein wenig als Geringschätzung.
Ich unterdrückte den Anflug von Ärger. Wir würden uns sowieso gleich sehen, denn ich musste seine Klasse als nächstes unterrichten. Meine Unsicherheit verstärkte sich, als ich nach Ende der Pause das Klassenzimmer ansteuerte. Jetzt würde ein Ausweichen nicht mehr möglich sein, für keinen für uns.
Die Klasse war annähernd vollständig besetzt und damit etwa dreißig Köpfe stark. Ich bemühte mich so sachlich wie möglich die Stunde zu beginnen und bemerkte, dass meine Stimme etwas spröde klang. Zumindest bildete ich mir das ein.
Ich vermied es Hendrik explizit anzusehen und hielt das auch gut zehn Minuten durch. Doch dann, ich hatte gerade eine Aufgabe zur selbständigen Lösung gestellt, suchten meine Augen ihn doch.
Er sah zwar zu mir, doch war sein Blick beinahe vollkommen ausdruckslos, geradezu gar nichts darin zu lesen. Mit erstaunlicher Routine wendete er sich der Aufgabe zu. Der kurze Augenkontakt hatte nicht den geringsten Hinweis auf unser sehr persönliches Intermezzo am Vortag gegeben.
Sein völlig neutrales Verhalten irritierte mich. Daran änderte sich auch die ganze Unterrichtsstunde nichts. Er blieb unverbindlich, schon beinahe kühl. Ich suchte nach einer Regung bei ihm prallte wie an eine unsichtbaren Wand ab. Ich hätte beinahe alles erwartet, nur nicht dieses Verhalten.
Für mich bleiben die Ereignisse der vergangenen Nacht wie eine offene Frage im Raum. Auf seltsame Art und Weise wollte ich sie einerseits vergessen und dann doch einem irrationalen Impuls folgend mit Hendrik diskutieren, vielleicht so nach einer Erklärung für mein Verhalten suchen.
Dieses zunehmend quälende Gefühl peinigte mich erst recht nach dem Ende der Stunde. Die Gelegenheit ein paar Worte zu wechseln, auch wenn ich sie zuerst gefürchtet hatte, ergab sich zu meiner Enttäuschung nicht.
Nach dem Ende der vierten Stunde korrigierte ich in dem nunmehr lehren Klassenraum ein paar Arbeiten. Ich hätte dazu auch ins Lehrerzimmer gehen können, blieb aber trotzdem in dem verlassenen Raum sitzen. Trotz der Stille konnte ich mich kaum konzentrieren. Immer wieder sah ich verstohlen hinüber zur Tür und wünschte mir geradezu, Hendrik würde die Gelegenheit zum klärenden Gespräch nutzen.
Allerdings wurde meine Hoffnung enttäuscht. Hendrik betrat nicht das Zimmer.
Im Geiste formulierte ich alle möglichen guten und weniger guten Erklärungen. Eigentlich simulierte ich so ein mögliches Gespräch mit ihm als Gedankenspiel, kreierte und verwarf dabei verschiedenste Gesprächsmuster. Schließlich wurde mir bewusst, dass selbst in diesem Gedankenspiel nur ich sprach und der imaginäre Hendrik geradezu überheblich die Macht des Schweigens gegen mich verwendete.
Das machte mich am Ende so wütend, dass ich schnaubend den Stapel Papier vor mir nur halb erledigt zusammen warf und in meine Tasche stopfte. Ich kam mir wie eine blöde Gans vor und kaute den Tränen nahe, den Blick ins nirgendwo jenseits der Fenster gerichtet, an meinen Fingernägeln.
Teil 14
In diesem frustrierten Gemütszustand verließ ich schließlich am späten Nachmittag die Schule. Unbehelligt kam ich zu Hause an.
Der Abend wurde nicht besser. Selbstzweifel und Erinnerungen an den Vortag quälten mich. Ich schimpfte mich eine elende Närrin, zum einen weil ich so schwach geworden war, zum anderen weil ich mich nun über Hendriks zur Schau gestellte Gleichgültigkeit ärgerte. Dabei hätte ich eigentlich froh sein müssen, dass er die Angelegenheit vermutlich auf diese Art und Weise auf sich beruhen lassen wollte.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich richtig elend. Ich musste mich geradezu zwingen einen strukturierten Tagesplan aufzustellen. So ganz genau konnte ich dabei den Grund meines Unwohlseins nicht ausmachen. Natürlich, es hing mit Hendrik zusammen. Aber ich hätte nicht erklären können, was ich eigentlich wollte. Die einzige Ausnahme davon war vielleicht der Wunsch alles ungeschehen zu machen. Das war aber nicht möglich und so richtig war ich mir auch dessen nicht sicher.
Ich war nahe daran auszuflippen. Erst der wohl geordnete Schulbetrieb lenkte mich ab und zwang mit seinen strengen Abläufen meine Gedanken zurück in das bekannte Flussbett des Alltags. Es gelang mir sogar mich etwas zu entspannen und wieder mehr innere Ruhe zu finden.
Mit der gewohnten Normalität bewältigte ich den Unterricht. Ich wusste um meine Beliebtheit bei den Schülern und ich schöpfte daraus auch oft immer neue Begeisterung für meine Arbeit, die wiederum meine Schüler spürten. So ergab sich ein selbständiger Kreislauf aus gegenseitigem Ansporn und Motivation.
Zwei volle Stunden unterrichtete ich auch Hendriks Klasse. Ich war heute deutlich sicherer als gestern, lauerte diesmal nicht auf ein Zeichen von ihm. Es gelang mir auch diese Stunden mit dem alten Selbstvertrauen und Selbstverständnis zu halten.
Hendrik verhielt sich so neutral und unbeteiligt wie am Vortag. Er gab auch heute nicht das geringste zu erkennen. Nun, mir sollte das recht sein.
In den folgenden und letzten beiden Unterrichtsstunden spürte ich wie jeder andere Lehrer auch die Ungeduld und abnehmende Aufmerksamkeit der Schüler. Wir nannten sie die Zappelstunden, weil es die letzten beiden Stunden am Freitag waren. Die Schüler waren mit ihren Gedanken zu dieser Zeit schon im Wochenende.
Der letzte Gong war daher nicht nur ein Befreiungsschlag für die Schüler, sondern auch eine Erlösung für mich. In wilder Flucht verließen alle das Klassenzimmer und drängten zum Schulausgang.
Ich packte meine Sachen zusammen und verließ gute dreißig Minuten später ebenfalls das Schulgebäude. Das Gelände war bereits fast völlig verwaist. Eine ereignisreiche Woche lag hinter mir und ich freute mich auf ein paar ruhigere Tage.
Ich steuere mein Auto aus dem Parkplatz hinaus auf die Straße. Mit mäßigem Tempo fuhr dann die lange Straße vorbei am Schul- und Sportzentrum entlang. Es war bis auf einen einsamen Fußgänger niemand mehr unterwegs.
Obwohl der Schüler mir den Rücken zugedreht hatte erkannte ich schon von weitem, dass es Hendrik sein musste. Er ging zu Fuß, weil vermutlich noch immer sein Fahrrad defekt war.
Teil 15
Beinahe ärgerlich nahm ich wahr, wie mein Herz plötzlich ein klein wenig heftiger schlug. Ich hätte einfach wenden oder schnell an Hendrik vorbei fahren können. Stattdessen schaute ich mich nur kurz um und warf einen Blick in den Rückspiegel, ob noch jemand anderes in der Nähe war. Wie schon zuvor festgestellt war die Straße leer, niemand zu sehen.
Ich rollte an Hendrik vorbei und stoppte mein Auto ungefähr zehn Meter vor ihm am Straßenrand. Mit einem seltsamen Kribbeln in den Fingern drückte ich auch den Schalter für den elektrischen Fensterheber der Beifahrerseite. Leise summend senkte sich die Scheibe. Ich beugte mich etwas zur Beifahrerseite und sah durch das geöffnete Fenster hinaus auf den Bürgersteig.
Dort tauchte Hendrik auf. Er blieb neben meinem Auto stehen und beugte seinen Oberkörper herunter, damit er in den Wagen sehen konnte. Er sagte keinen Ton, sondern sah mich stumm, seltsamerweise auch nicht fragend an.
„Willst du mitfahren?“ fragte ich ihn, ohne wirklich erklären zu können, warum ich das tat.
Hendrik nickte kurz. „Klar.“ sagte er, als sei mein Angebot das Selbstverständlichste der Welt. Er warf seine Tasche auf die Rückbank und setzte sich zu mir auf den Beifahrersitz.
Ich fuhr wieder an und verließ schnell die Gegend nahe der Schule.Dabei zwang ich mich ruhig zu bleiben. Das war reichlich schwer, weil sich gerade mit Macht die Bilder unserer gemeinsamen Nacht zurück in mein Bewusstsein drängten.
„Wie war der Tag?“ fragte ich, um das Schweigen endlich zu unterbrechen und zugleich um meine Gedanken abzulenken.
„Danke, ganz ok.“ erwiderte er cool.
Wieder schwiegen wir. Ich fuhr in Richtung von Hendriks Zuhause. Den Weg kannte ich ja bereits.
„Danke,“ sagte ich leise, „dass du unseren kleinen Ausrutscher für dich behalten hast.“ Ich wollte die Gelegenheit nutzen und mich für seine Diskretion bedanken
Plötzlich lächelte Hendrik verschmitzt. „Hast du etwas anderes erwartet?“
„Nein.“ sagte ich und kam mir im selben Moment sehr doof wegen meiner Frage vor.
„Das geht nur uns zwei etwas an.“ setzte Hendrik noch eins drauf. „Die Pickelgesichter in meiner Klasse würden vermutlich augenblicklich in ihre Unterhosen abspritzen, wenn sie nur annähernd wüssten, wie heiß wir es miteinander getrieben haben. Ich möchte ja nicht meine Mitschüler traumatisieren.“
Ich musste kurz schlucken, wegen Hendriks rücksichtslos offener Darstellung der Dinge. Es war sehr vulgär gesprochen, aber wohl absolut korrekt auf den Punkt gebracht. „Ich bedaure, dass ich mich so gehen ließ.“ gestand ich ebenso offen.
„Jenny, ich bedaure nicht eine Sekunde davon.“
Das konnte ich mir gut vorstellen. Er machte mir nichts vor. Außerdem gab es für mich keinen echten Grund, ihm seine Ehrlichkeit übel zu nehmen.
Kurz darauf erreichten wir wieder die Siedlung, in der Hendrik wohnte. Bei Tageslicht sah alles noch trostloser aus. Die Anlagen erfuhren offensichtlich wenig Pflege und die Bewohner hier schien das auch nicht zu stören. Ich sah eine ganze Reihe Migranten und nachlässig gekleidete Kinder. Es war ein typischer Schmelztiegel all derer, welche das Leben nicht gerade verwöhnte. Ich stoppte am Straßenrand.
Hendrik sah mich selbstsicher lächelnd an. „Möchtest du auf einen Sprung mit heraufkommen? Vielleicht interessiert es dich ja, wie ich wohne. Wir könnten einen Kaffee trinken.“
„Ich muss noch Schularbeiten korrigieren und auch einiges im Haushalt erledigen.“ sagte ich abwehrend.
„Es wäre nur fair.“ blieb Hendrik bei seinem Vorschlag. „Ich habe dein Haus gesehen. Jetzt könntest du sehen, wie ich lebe. Schämst du dich dich hier zu zeigen?“
Letzteres war natürlich Unsinn. „Natürlich schäme ich mich nicht.“ sagte ich leicht ärgerlich. „Also gut. Auf einen Kaffee.“
„Schön.“ Hendrik stieg aus dem Wagen.
Ich sperrte das Auto ab und folgte Hendrik in die Siedlung. Sein Wohnblock stand im Innenhof, also nicht an der Straße. Wir passierten einen verwahrlosten Spielplatz und Rassenflächen, die hässliche Trampelpfade durchschnitten.
Hendrik schloss einen der vielen fast völlig gleich aussehenden Hauseingänge auf und führte mich in das Treppenhaus. Es roch darin etwas muffig und es stapelten sich auf dem ersten Treppenabsatz Berge von Werbeprospekten.
Obwohl es einen Aufzug gab gingen wir zu Fuß hinauf in die zweite Etage. Jede Etage schien drei Wohnungen zu haben. Oben angekommen öffnete Hendrik die mittlere Wohnungstür.
Ich war überrascht, den es war ein kleines Apartment, allenfalls eine Eineinhalbzimmerwohnung. Er konnte hier unmöglich mit seiner Mutter und seinen Geschwistern wohnen.
Vom kleinen Flur ging eine Tür zur Küche, eine zum Wohnzimmer und eine offenbar zum Bad weg. Die Küche lag rechts und war ein schmaler Schlauch mit billigen, aber funktionalen Möbeln.
Im Wohnzimmer diente ein Regalsystem als Schrank. Eine Couch, zwei Sessel und ein Couchtisch nahmen die Mitte des Zimmers ein. Neben der Fensterfront, die den Blick auf einen schmalen Balkon freigab, stand in einer Zimmerecke ein modern aussehender Flachbildschirm nebst einigem technischen Gerät, das überhaupt nicht billig aussah. An der Wand zur Küche befand sich eine Durchreiche zur selbiger und davor ein kleiner Esstisch mit drei Stühlen.
Eine weitere Tür führte in ein anderes Zimmer. Das konnte eigentlich nur das Schlafzimmer sein.
„Du lebst hier allein?“ fragte ich irritiert.
Hendrik warf seine Tasche im Wohnzimmer achtlos auf den Boden und drängte sich dann an mir vorbei in die Küche. „Ja.“ rief er von dort. „Nimm einfach irgendwo Platz.“ Er hantierte offensichtlich mit der Kaffeemaschine.
„Aber deine Mutter, deine Geschwister, ich dachte du lebst mit ihnen zusammen?“
„Fast.“ drang seine Stimme aus der Küche zu mir herüber. „Sie wohnen in der Wohnung links von mir.“
Wie konnten sie sich gleich zwei Wohnungen leisten, fragte ich mich. Egal. Das war nicht mein Problem. Ich ging hinüber zur Küche und sah Hendrik beim Hantieren mit der Kaffeemaschine zu.
Die Einrichtung der Wohnung war zweifellos billig, aber nicht geschmacklos. Die Möbel waren zwar einfach, aber kleine Accessoires lockerten sie auf. Es war auch alles sehr sauber und ordentlich. Das allein war schon sehr erstaunlich für einen jungen Mann wie Hendrik. Natürlich war es leicht möglich, dass seine Mutter hier Ordnung hielt.
Hendrik schien meine Fragen zu spüren. „Das Sozialamt bezahlt beide Wohnungen.“ erklärte er. „Sie kosten zusammen nicht mehr als eine große. Ich habe noch eine ältere Cousine. Die unterstützt mich finanziell. Im Gegenzug helfe ich ihr wann immer Not am Mann ist.“
Er nahm zwei Kaffeetassen und wir gingen zurück ins Wohnzimmer. Dort setzten wir uns an den Couchtisch. Hendrik nahm auf der Couch platz, während ich mich in einen Sessel mit Blick zum Fenster setzte.
Ich sah seine CD-Sammlung und wir unterhielten uns über unsere sehr ähnlichen Musikgeschmäcker. Wieder fiel mir auf, wie gut sich Hendrik auskannte und wie leicht ihm unterhaltsame Konversation fiel. Allerdings spürte ich auch, dass eine seltsame Spannung über unserem Gespräch lag.
Mir wurde bewusst, dass ich hier mit ihm allein in der Wohnung war. Diese eher plötzliche Erkenntnis löste bei mir eine seltsame Anspannung aus. Ursprünglich hätte ich erwartet seine Mutter und seine Geschwister anzutreffen. Doch nun war ich unerwartet ganz allein mit ihm zusammen. Ich versuchte die aufkeimende Nervosität mit dem Kaffee herunter zu spülen.
Hendrik erzählte von einem Konzert, das er unlängst besucht habe. Doch ich hörte gar nicht mehr richtig, was er sagte. Denn mir fiel auf, dass seine Augen hemmungslos meinen Körper abtasteten. Jetzt war die ansteigende Spannung im Raum schon nahezu greifbar.
Heiß und kalt lief es mir den Rücken herunter. Ein bohrendes Gefühl in meinem Bauch sagte mir, dass ich jetzt besser gehen sollte.
Aber während ich noch nach unverfänglichen Worten zum Einleiten meines Rückzuges suchte, wechselte Hendrik schon das Thema. „Komm, ich zeige dir auch mein Schlafzimmer.“ Er sagte das in einem solchen Selbstverständnis, als würde er von einer weiteren CD sprechen.
Ich nickte zustimmend, war schlicht überrumpelt.
Hendrik führte mich zu der Tür, die in den noch unbekannten Raum führte und öffnete sie. Einladend deute er ins Zimmer, in das ich aus meiner Position noch nicht hineinsehen konnte.