Ich fand den Brief, das Couvert, im Briefkasten, als ich wie immer gegen 14:00 Uhr nach Hause kam. Ich nahm ihn mit der anderen Post mit in die Wohnung und legte ihn auf den Esstisch. Ich zog mei-ne Schuhe aus, zog die Jacke aus und freute mich auf meine Pause. Ich war, wie immer um diese Zeit, alleine zu Hause.
Bei einer Tasse Tee öffnete ich die Post. Mal wieder viel Reklame, aber leider hatte sich auch eine Rechnung unter die Briefe verirrt.
Schließlich nahm ich dieses Couvert. Es war graubraun, so wie Couverts eben sind. Wattiert war es. Das fiel mir auf. Es war nicht beschriftet, keine Adresse, kein Absender.
Ich öffnete es. Ich fand einen Schlüssel. Und einen Brief, einen handgeschriebenen Brief. Die Zei-len waren gleichmäßig mit einer energischen, festen, fast aggressiv anmutenden Schrift beschrie-ben. In der Unterschrift erkannte ich Deinen Namen.
„Bei unser gemeinsamer Kaffeehausbesuch vor drei Tagen“, schriebst Du, „hast Du mich beein-druckt und mich noch mehr für dich eingenommen als wie ich bisher schon war. Wir schreiben uns ja nun schon seit einiger Zeit per Mail. Aber dich tatsächlich dabei zu sehen, wie du deine Gedan-ken in Worte fasst, dein Humor, deine Gestik, insbesondere deine Mimik faszinierten mich. Schon als du die Tür herein kamst, dich nach mir suchend umgeschaut hast …. Dein Äußeres, deine Bewe-gung, all das hat mich in meiner Meinung bestärkt, eine wunderbare Suchende entdeckt zu haben.
Ich kenne einiger deiner Gedanken so wie du einiger meiner Ansichten kennst.
Ich schlage dir vor, dass wir uns in drei Tagen Abends treffen. Ich lade dich ein.
Du sagtest, dein Mann sei ein paar Tage nicht da, deine Kinder sind ohnehin aus dem Haus. Also müsstest du Zeit haben (ohne, dass ich jetzt über deine Zeit bestimmen und verfügen will, das liegt mehr als fern).
Der Schlüssel gehört zur Wohnung eines guten Freundes, der für längere Zeit verreist ist und mir den Schlüssel zur gelegentlichen Kontrolle und dem „nach dem Rechten sehen“ überlassen hat. Die Adresse findest Du unten.“
Ich hatte die Adresse bereits unter seiner Unterschrift gelesen.
Weiter schrieb er „Wenn du dich entscheidest meine Einladung anzunehmen, sei bitte um 20:00 Uhr in der Wohnung meines Freundes.
Ich würde mich geehrt fühlen wenn du sie annehmen würdest und dann da wärst!
Wir tauschen uns seit einiger Zeit über unsere Wünsche und Träume aus. Daher:
Wenn du die Wohnung betrittst, ziehe dich als erstes aus. Tue sonst nichts anders. Entledige dich sofort jeglicher Kleidung, deiner Schuhe und auch deines Schmucks. Lege sie sorgsam auf den Stuhl links neben dem Fenster. (Du wirst feststellen, dass die Fenster keine Vorhänge und keine Rolllä-den haben. Von Gegenüber kann in die Wohnung gesehen werden. Verhalte dich entsprechend.)
Sei nackt, komplett nackt. Entferne alle deine Haare unterhalb deines Kopfes, zumindest, pflege und trimme sie. Über dunkelroten Nagellack an Zehen und Fingern würde ich mich freuen.
Ich weiß um deine Neugier. Sieh dir jetzt die Wohnung an, betrachte alles, was dich interessiert, aber rühre nichts an.
Dann öffne die Wohnungstür, lehne sie an, aber schließe sie nicht. Denn ich habe keinen weiteren Schlüssel. Ins Haus werde ich kommen, es leben ja viele Menschen in dem Haus, aber in die Woh-nung nicht, wenn die Tür nicht schon geöffnet ist.
Danach lege dich im Wohnzimmer auf den Teppich und warte dort auf mich, erwarte mich so dort.
Ich werde dir für alles Zeit genügend lassen, ich werde nach dir eintreffen.
Noch eines:
Ich möchte, dass einer deiner Träume für dich Wirklichkeit wird. Wenn du dich auf ihn bzw. mich einlässt, wird das Erlebte deine bisherigen Vorstellungen bei Weitem übersteigen. Dies möchte ich dir ermöglichen, dies möchte ich dir schenken.
Wenn du nicht da bist oder wenn die Wohnungstür geschlossen ist, zum Beispiel weil du es dir an-ders überlegt hast, bin ich nicht enttäuscht. Denn, es geht nicht um mich, es geht ausschließlich um dich!
Noch ein kleiner Tip: lass es zu, lass dich auf das Spiel ein, lass dich fallen, lass dich überraschen.
Ich erwarte dich – ich freu mich – insbesondere darauf, erleben zu dürfen, wie deine Reaktion ist, wie deine Lust dich fliegen lässt, wie du eintauchst, untergehst und nicht ertrinkst, wie Du erlebst, wie du fühlst und spürst.
Komm, aber verhalte dich genauso wie oben beschrieben.“
Schon beim Lesen des Briefes begann es in meinem Bauch zu kribbeln, mein Mund wurde trocken, die Härchen auf meinen Armen stellten sich auf, mein Schoß fühlte sich anders an.
Ich stellte fest, dass meine Beine sich geöffnet hatten. Es war keine bewusste Bewegung von mir, mein Unterbewusstsein steuerte mich.
Ich wusste schon jetzt, mein Tag war gelaufen, meine Tage waren gelaufen. Ich wusste, ich werde bis zu dem Termin an nichts anderes mehr denken können.
Und ich wusste nicht, was ich wollte.
Ich war verwirrt. Es war in meinem Plan nicht vorgesehen. Diese Art des Erlebens sollte ausschließ-lich über mein Kopfkino erfolgen.
Ich ging planlos in der Wohnung hin und her.
Im PC fand ich eine Nachricht von Dir. „Ich bin“, so schriebst Du mir, „die nächsten drei Tage leider nicht erreichbar.“ Und weiter schriebst Du „Ich bin mir absolut sicher, du wirst die genau richtige Entscheidung für dich treffen.
See you later …“
Na toll, dachte ich mir. Von Dir kann ich keine Unterstützung erwarten.
Schließlich legte ich mich in die Wanne, schloss meine Augen und überließ mich der wohligen Wär-me des Wassers.
Aber schon kurze Zeit später griff ich nach dem Rasierer – schadet nie etwas, egal, wie ich mich entscheide – redete ich mir ein.
Mein Mann fand mich am Abend etwas fahrig, meine Tochter, die anrief, meinte, mit mir könne man sich heute nicht unterhalten und am nächsten Tag war die Konzentration auf meine Arbeit schon sehr schwierig.
Ich fühlte mich mit meinen über fünfzig Jahren wie ein Teenager vor seinem ersten Date – unwirk-lich, unrealistisch, …
Ich schwankte zwischen – warum muss ich so lange warten bis zu dem Treffen – und – was soll ich da?
Der Tag kam.
Mein Mann verabschiedete sich am Morgen von mir für die nächsten Tage mit den Worten „Mach was Schönes, genieß Deine Zeit ohne mich“ und grinst mich breit an. Wahrscheinlich dachte er an Theater, Kino, meine Freundinnen treffen, aber ich musste an etwas ganz anderes denken. „Ich freue mich, wenn ich wieder daheim bin. Ich freue mich schon jetzt auf Dich“ sagte er mir zum Schluss und küsste mich intensiv, streichelte mir über Haar, Wangen und Brüste (und ich kniff ihn in seinen Po).
Und dann war er weg und ich alleine.
Ich ging ins Bad, duschte, zog mich an und ging schließlich zur Arbeit.
Die Einladung verfolgte mich. Ich bekam kaum etwas vernünftig hin, versprach mich am Telefon, ordnete falsch zu. Schließlich kam eine liebe Kollegin und meinte „Gehe für heute heim, ich über-nehme deine Teil. Und komme nach dem langen Wochenende erholt wieder und sei dann voller neuer Tatkraft.“ Sie zwinkerte mir zu und schob mich zur Tür hinaus.
Daheim saß ich am Tisch und wusste nichts mit mir anzufangen. Ich hatte noch immer keine Mei-nung, was ich denn nun tuen solle. Ich stierte vor mich hin oder Löcher in die Luft. Ich war zeitweise vor Vorfreude erregt und konnte kaum erwarten dort zu sein und dann fand ich es unmöglich überhaupt darüber nach zu denken, dorthin zu gehen.
Ich legte mich mal wieder in die Wanne, meinen wohlig warmen Rückzugsort. Erst schloss ich die Augen, kurz drauf griff ich wieder zu dem Rasierer. Schadet nie etwas, egal, wie ich mich entschei-de werde, redete ich mir wieder ein.
Sorgfältig rasierte ich mich unter den Achselhöhlen und an meinen Beinen. Und dann widmete ich mich intensiv meiner Scham bis hin zu meinen Po.
Schließlich fühlte ich mich perfekt und stieg aus der Wanne.
Ich hüllte mich noch dampfend in mein Badetuch. Ohne Nachzudenken griff ich mir den Nagellack und stellte verblüfft fest, ich hatte mir in den letzten Tagen tatsächlich dunkelroten Nagellack ge-kauft.
Sorgfältig lackierte ich mir erst meine Zehennägel und anschließend meine Fingernägel.
Es war bereits 18:00 Uhr als ich mich anzog.
Hingehen oder nicht hingehen? Das ist hier die Frage, dachte ich.
Kleide dich schon mal so, als würdest du hingehen wollen, riet ich mir selbst. Und beruhigte mich, dass das ja noch keine Entscheidung sei.
Schließlich war es 19:00 Uhr. Wenn du hin willst, müsstest du nun langsam los. Schadet ja nichts, das Haus wenigsten von außen zu betrachten. Mit dem Fahrrad hin, dann habe ich sogar etwas Bewe-gung. Das tut immer gut, hebt das allgemeine Wohlbefinden, sagte ich mir. Und, entschieden ist ja noch nichts.
Die Strecke war doch etwas länger als erwartet. Aber es war immer noch vor 20:00 Uhr. Ich besah mir das Haus von außen, ging durch die Einfahrt in den Hinterhof und besah mir auch diesen. Es war noch hell, Frühsommer eben. Ich sah die vielen Fenster, sah die schmale Straße, den engen Hof, das nahe stehende Hinterhaus. Ich fragte mich, wer wohl wem in die Fenster sehen könne. Ich fragte ich, welches die Fenster der Wohnung des Freundes von Dir seinen?
Ach, geh einfach hoch. Dann wirst du sehen, wohin die Fenster gehen und wer dir, wenn du es wirklich machen würdest, dir, uns zusehen könnte. Beim Sex zusehen könnten, dachte ich sarkas-tisch. Dann weiß ich wenigsten das. Danach kann ich ja wieder abhauen, irgendwo noch einen Wein trinken und dann mit einem spannenden Buch mich in mein Bett legen.
Ich stieg also die Treppenhinauf in der festen Absicht sie in wenigen Minuten wieder hinunter zu steigen.
Aber ich fühlte auch das immer größer werdende Kribbeln in meinem Bauch. Meine Anspannung wuchs immer weiter, über das Maß der letzten Tage hinaus. Mit jedem Stockwerk, mit jeder Trep-penstufe, wuchs die erotische Unruhe und Erregung.
Ich fand die Tür, die Wohnung.
Mit schwitzenden Händen fummelte ich den Schlüssel ins Schloss.
Erregt betrat ich die Wohnung, schloss die Tür wieder sorgfältig hinter mir.
Die Wohnung hatte keinen Flur. Ich stand direkt im Wohn-Schlaf-Arbeits-und Kochraum. Aber die Wohnung war hell, sehr hell. Viele Fenster, und über in der Dachschräge eingelassene Oberlichter drang das sanfte weiche Abendlicht ein. Ich konnte mir vorstellen, wenn ich auf dem Sofa oder dem Bett oder einfach nur auf dem Boden liegen würde, würde ich die Sterne sehen können.
Plötzlich fiel mir Dein Brief wieder ein. Ich zog ihn heraus und las ihn noch einmal (obwohl ich ihn bestimmt schon hunderte Male gelesen habe, ich ihn eigentlich auswendig kannte).
„Wenn du die Wohnung betrittst, ziehe dich als erstes aus. Tue sonst nichts anders. Entledige dich jeglicher Kleidung, deiner Schuhe und auch deines Schmucks. Lege sie sorgsam auf den Stuhl links neben dem Fenster. (Du wirst feststellen, dass die Fenster keine Vorhänge und keine Rollläden haben. Von Gegenüber kann in die Wohnung gesehen werden. Verhalte dich entsprechend.)
Sei nackt, komplett nackt.“
Nun ja, tue ich mal so, als würde ich mit machen wollen. Ich ging zum Stuhl neben dem Fenster, vergewisserte mich noch einmal, dass die Tür geschlossen war (… damit Du nicht plötzlich hinter mir stehst).
Ich schaute durch das Fenster – und tatsächlich, in recht kurzer Entfernung stand das nächste Haus. Es war ein Stockwerk höher. Ich konnte in die Fenster dieses Hauses sehen …
Nun, was sehen sie schon, dachte ich bei mir. So blöde wird doch niemand sein, seinem Nachbarn ständig in die Fenster zu schauen, denn er muss ja damit rechnen, dass der Nachbar zurück schaut. Aus so kurzer Entfernung wird man das reichlich einfallende Licht genießen und den Blick nach ge-genüber einfach nicht riskieren.
Ich zog Zug um Zug, Stück um Stück meine Kleider aus. Bis ich nackt war. Verstohlen blickte ich im-mer wieder aus dem Fenster, in die Fenster. Kühle umfing mich, aber es war nicht kalt, es war eben Frühsommer mit der Betonung auf Sommer.
Es war sehr erotisch und erregend nackt in einer fremden Wohnung zu stehen.
Es war sehr erotisch und zugleich verstörend nackt in einer fremden Wohnung zu stehen und zu wissen, die Menschen gegenüber könnten, wenn sie da wären und es wirklich wollten, mich jetzt nackt sehen.
Was würden sie von mir sehen, was würden sie denken?
Ich nahm mir Deinen Brief noch einmal zur Hand. Das Papier zitterte leicht als ich las „Ich weiß um deine Neugier. Sieh dir jetzt die Wohnung an, betrachte alles, was dich interessiert, aber rühre nichts an.“
Ich ging also vorsichtig, den Blicken von gegenüber möglichst ausweichend durch die Wohnung, die ja eigentlich ein großzügig geschnittenes Einzimmerapartment mit Bad und Abstellkammer ist.
Interessant sind das Ambiente, die Einrichtung, der Krimskrams und die Bücher, die herum liegen.
Das Zimmer ist sehr spärlich bei reichlich Platz eingerichtet. Ein strenger Stil herrscht vor, Kühle strahlen die Einrichtung und der Raum aus. Zwei exakt platzierte Bilder, abstrakt. Die Wirkung auf großer weißer Fläche ist immer enorm. Auf dem Beistelltisch zum Sofa stehen auf einem Tablett zwei Flaschen Wein, Primitivo aus Sizilien, zwei Gläser und noch einmal zwei Flaschen Wasser. Ein großer Spiegel beherrscht die Wandfläche zwischen zwei Türen. Ich sehe mich darin. Ich sehe, wie ich nackt in diesem Raum stehe. Ich betrachte mich. Sehe meine Haare, mein Gesicht, meine Brüs-te, meinen Bauch, meine Beine und natürlich das kleine getrimmte Dreieck, das meinen Schoß be-deckt, wohl eher markiert.
Ich fühle mich gut, wenn ich mich so ansehe, aber bin ich schön?
Ich wende mich hin und her. Mein Kopf bleibt immer frontal dem Spiegel zugerichtet, aber mein Körper dreht sich leicht. Fünfzig Jahre denke ich (genau genommen etwas darüber) und kein biss-chen weise. Da bin ich mir jedenfalls sicher – und jetzt und hier schon gar.
Stehe hier in einer fremden Wohnung, alleine, niemand weiß wo ich bin, habe nichts an, gar nichts an, warte auf meinen Liebhaber, den Loverboy, der mir das Riesen-Mega-Erotikerlebnis verschaf-fen will.
… und eigentlich wollte ich schon längst fort sein.
Ich sehe zu dem Bett hinüber. Dieses Bett ist nicht nur für eine Person gedacht. In einer Nische, die nur vom Bett aus zu sehen ist, hängen vier Aktfotos von Frauen. Auf zwei der Fotos kann ich eksta-tische Kopulationen erkennen – interessant, denke. Kann die männlichen Personen der Woh-nungsbesitzer sein?
Ich gehe weiter. Auf einem Siteboard sehe ich verschieden Gegenstände. Seile liegen dort, eine Feder, zwei Kerzen, ein Fläschchen Gleitcreme, Stöpsel verschiedener Größe, ein Bündeln Klam-mern, mehrere Klemmen, eine Klatsche (oder wie so etwas heißt), aber auch eine Gerte.
Mir bricht der Schweiß aus. Das volle Programm liegt hier, denke ich. Hast Du das für mich gedacht oder liegt das immer hier? Was hast Du vor? Mit mir vor?
Ja doch, über diese Themen haben wir uns auch unterhalten.
Ich werde unruhig, sehe zur Tür (ich bin beruhigt, sie ist zu).
Mich stößt dies ab, wenn ich daran denke, mir vorstelle, was Du mit mir vorhaben könntest, wie schmerzhaft so manches sein kann, wenn Du es mich spüren lässt – mich zieht es an, ich spüre förmlich, wie die Sekrete in meiner Vagina gebildet werden, wenn ich daran denke, verkraftbare erotisierende Schmerzen durch Dich spüren zu dürfen.
Ich blicke lange auf die versammelten Dinge dort.
Ich berühre sie nicht, ich berühre mich. Lege meine Hand auf mein markierendes Haar, fühle mit meinen Fingern meine glatte Schamlippen, spüre ausströmende Wärme und fühle die Nässe mei-nes Schoßes. Ich fühle in mich hinein, spüre ein Ziehen in meinem Unterleib und mein Rücken fühlt sich plötzlich wärmer an. Meine Brüste, meine Nippel ziehen sich zusammen.
Ich erschaudere, bin erstaunt über mich. Über die Wirkung dieser Dinge auf meinen Körper und natürlich auf meinen Kopf, meine Gefühle. Diese Dinge, die hier liegen und die Du bei mir anwen-den könntest, ich sie tatsächlich spüren, erfahren könnte. Ich müsste nur hier bleiben, müsste nur meinen Plan ändern und hier bleiben.
Mein Mut, der mich bis hierher getragen hat, verlässt mich. Ich spüre es. Ist wohl doch nichts für mich, Frau Hasenfuß.
Nun gut, denke ich, ein letztes will ich noch tun bevor ich mich wieder ankleide und gehe.
Ja gehe! Das steht jetzt für mich fest!
Bei diesen Dingen, die dort liegen!
Ich ignoriere das Verlangen meines Bauches.
Ich gehe gleich. Ich habe etwas erfahren und das soll genügen. Reden und schrieben ist halt einfa-cher als tun – oder tun lassen. Und es ist noch schwerer, es zuzulassen, wohlwissend bzw. sich vor-zustellen können, was passieren könnte, was Du tun könntest.
Nun das letzte (wenn ich schon hier bin).
Ich gehe in die Mitte des Raumes, dort wo der große Teppich liegt.
Ich lege mich auf ihn, richte mich so aus, dass meine Füße zur Eingangstür hin gerichtet sind, sehe nach oben, sehe die bereits tiefe Dämmerung, den inzwischen grauen Himmel durch die Luken im schrägen Dach. Haken an den Dachbalken mit Seilen und Deko wie große, schwere Mobile daran.
Ich spreize meine Arme ab. Ich stelle mir vor, Du würdest gleich zur Tür hinein kommen. Ich schlie-ße meine Augen und rücke so meine Fantasie noch etwas näher an die Realität heran.
Ich glaube Deine Blicke zu fühlen, wie sie über meinen Körper wandern. Hier und dort hängen blei-ben, dies und jene Detail meines Körpers taxieren, bewerten und wieder von ablassen.
Ich ziehe meine Beine an, umfasse sie mit meinen Händen, ziehe sie auseinander und öffne sie, öffne sie für Dich, erst für Deine Blicken, dann vielleicht für Dein Tun, so stelle ich mir vor, für Dich (ist ja niemand hier, die Tür ist zu, von den anderen Fenster kann bei diesem Licht bestimmt nie-mand mehr etwas sehen).
Ich stelle mir vor, wie Du nun zwischen meine Beine schaust, wie Dein Blick sich in meine weiblichs-te Stelle vertieft – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich stelle mir vor, was Du Dir alles vorstellen könntest – und weiß doch nichts.
Ich stelle mir vor wie Du … wie Du … wie Du – ich stelle mir nichts mehr vor.
Wenn, so sage ich mir, wenn, dann lebe deine Fantasie jetzt bis zu Rand aus. Öffne die Tür – in den nächsten zehn Minuten wird er bestimmt nicht kommen – aber ich lerne das wahre Gefühl des Überrascht Werdens kennen.
Ich gebe mir einen Ruck, gehe zur Tür, öffne sie und lehne sie ans Schloss an. Dann gehe ich wieder zum Teppich, lege mich wie eben auf den Rücken, schaue zum Himmel hinauf (der mittlerweile schwarz ist), spreize meine Arme und fühle in mich hinein.
Plötzlich höre ich ungewohnte Geräusche. Ich bemerke, wie ruhig es eben noch war. Den Lift höre ich, Menschen steigen die Treppe hinauf und hinab. Ich höre Schritte aus den Fluren. Türen wer-den geöffnet und wieder geschlossen.
Ich höre und ich spüre auf einmal, ich bin hier nicht allein. Hier ist reges Leben in diesem Haus. Und mir fällt auf, ich liege hier alleine, nackt, ungeschützt, allen wollenden Blicken ausgesetzt in einer fremden Wohnung auf dem Teppich mitten in einem fast leeren streng eingerichteten atmosphä-risch kühlen Raum.
Ich rolle mich zusammen, versuche mich zu sammeln.
Ein Rest der erotischen Spannung ist noch in mir. Ich stelle mir vor, jemand geht auf dem Flur vorbei und bemerkt die offene angelehnte Tür. Ich stelle mir vor, wie er den Kopf durch die Tür steckt. Er wird nichts sehen, denke ich, hier ist so düster, ich bin wahrscheinlich kaum noch zu erahnen. Und ich stelle mir vor, wenn er wüsste, dass ich hier nackt und berührbar auf dem Teppich liege, was würde er tun, dieser Fremde?
Würde er mich berühren wollen? Würde er mich ficken wollen?
Ich bin mir sicher, dass niemand den Kopf durch die Tür steckt, umso besser kann ich mir dies vor-stellen.
Ich schließe wieder meine Augen. Ich spüre in meiner Fantasie eine Hand auf meinem Rücken, wie sie mich entdeckt, wie sie mich langsam erforscht. Ich spüre die nicht vorhandene Hand auf mei-nem Körper herum wandern.
Ich bleibe eingerollt liegen, lege mich, meinen Oberkörper, auf meine Beine und meinen Kopf auf den Teppich. Ich biete der imaginären Hand meinen Rücken als Autobahn an.
Ich stelle mir vor, wie sie erst in die eine Richtung zu meinem Kopf hin, dann in die andere Richtung zu meinem Po hin über meinen Rücken streicht. Noch nicht suchend, aber erkundend, entde-ckend. Ich gebe mich dem Nachfühlen dieser Hand hin, genieße die Wärme der Hand, die Berüh-rung durch sie. Mir kommt sie jetzt und hier real vor.
Einen leichten Luftzug fühle ich, er muss von der Hand kommen, denke ich und schnurre weiter, halte meine Augen geschlossen und lasse mich von der Berührung einfangen.
Es ist schön, es warm, es ist angenehm, es ist beruhigend, es ist erotisch, ich genieße das Hier und das Jetzt.
Ich blinzle leicht. Ich sehe eine Kerze flackern und noch eine. So muss es sein.
Dann sehe ich Deine nackten Füße.
Ich rühre mich nicht, bleibe so liegen. Aber langsam dringt der Gedanke in mein Hirn, zu mir vor. Jetzt bist Du hier, Du bist hier!
Und ich bin hier! Ich bin jetzt mit Dir hier! Ich bin jetzt genauso hier, wie Du es gewollt hattest, nackt, auf dem Teppich liegend!
Jetzt bleibe auch ich hier. Ich gehe nicht mehr!
Ich lasse es geschehen, ich will es. Egal, was kommt, was Du tust – ich habe vollstes Vertrauen zu Dir, ich lasse mich darauf, auf Dich ein.
Und ich spüre Deine Hand sanft über meinen Rücken gleiten …