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Spieglein, Spieglein, … Kapitel 20 von 21

Als ich sah, wie sie verschwand, rannte ich hinterher, um den Anschluss nicht zu verpassen. Als ich auf der oberen Stufe ankam, konnte ich gerade noch den Schein der Kerze sehen, wie sie langsam verschwand.
Vorsichtig stieg ich die schmalen Stufen, auf denen mir der typische Geruch eines Kellers entgegen schlug. Muffig und verbraucht war die Luft mit einem hohen Luftfeuchtigkeitsanteil. Dazu kam Staub, der sich in er Nase festsetzte und zum niesen reizte.
Das alles hielt mich nicht davon ab, meine Schuhe auszuziehen und hinter dem Lichtschein her zu laufen, der sich vor mir bewegte. Der Gang war zum Glück nicht gerade, sonst hätte mich Elisabeth sehen können, wenn sie sich umgedreht hätte. Der Gang machte einen Bogen, den ich durchschritt. Sofort musste ich stehen bleiben, denn keine fünf Meter vor mir war Elisabeth, die eine Wand abtastete. Zuerst dachte ich, dass es merkwürdig aussah, aber als ich sah, was sie suchte, wurde es mir klar.
Einer der groben Backsteine der Wand war nicht fest eingemauert. Stattdessen ließ er sich reindrücken. Ein leises, scharrendes Geräusch war zu hören und ein kleiner Teil der Wand öffnete sich. Diese Öffnung war gerade groß genug, dass Elisabeth in gebücktem Zustand hindurchschlüpfen konnte. Was dahinter war, blieb mir verborgen. Ich hörte sie nur darin gedämpft sprechen. Mit wem oder was, konnte ich nicht sagen. Dann sah ich wie der Lichtschein wieder heller wurde und ich machte mich wortwörtlich auf die Socken, um schnell wie möglich in das Zimmer zurückzukommen. Kaum war ich aus dem Keller gekommen, rannte ich Marie fast um, die gerade an der Tür vorbei ging. Sie erschrak gewaltig, aber ich hielt ihr schnell eine Hand vor den Mund. Sie registrierte schnell, dass ich es war und als ich einen Finger gegen meine Lippen legte, nickte sie und ging einfach weiter.
Jetzt wurde es Zeit, weiterzukommen, denn ich hörte Elisabeth bereits gefährlich nahe kommen. Noch schneller als zuvor rannte ich in Richtung des Raumes und verschwand gerade darin, als Elisabeth aus dem Keller kam. Hier schnappte ich mir meine Schuhe, bekam sie aber nicht schnell genug an. Um es unverfänglicher zu gestalten, setzte ich mich in einen der Sessel und tat, als wenn ich mir die Füße rieb. In dem Moment kam Elisabeth herein.
Sie trug einen kleinen Beutel mit sich und kam zum Tisch herüber. Hier öffnete sie diesen und zählte mir die entsprechenden Münzen vor, die wenig später einen kleinen Turm bildeten.
Sofort stand ich auf und nahm den Stapel an mich, ohne noch nachzuzählen. Mit einem Lächeln auf den Lippen sah ich Elisabeth an und konnte erkennen, dass sie um die Mundwinkel leicht zitterte. Wahrscheinlich schmeckte ihr das ganze nicht, aber anders konnte sie nicht an die begehrte Ware kommen. Selbst jetzt machte sie noch mehr Gewinn, als ich mir denken konnte, aber das störte mich nicht. Ich wollte an den großen Topf und nicht nur an ihre Honigdose, auch wenn es überaus angenehm war.
Wenig später verließ ich das Haus und kam auf bekanntem Weg wieder hinein. In meinem Haus angekommen, sah ich mir die Münzen noch an und lächelte. Alle Falschen würden nicht einmal die hälfte einer einzigen echten Münze kosten. Da brauchte man sich nicht fragen, wer das bessere Geschäft gemacht hatte.
Am Nachmittag ging ich zum Münzhändler und erkundigte mich nach den Replikaten. Er hatte alles in die Wege geleitet und erzählte mir, dass ich die bestellte Ware am nächsten Tag abholen könnte. Sicher brannte ihm auf der Zunge, warum ich davon über zwanzig Kilo bestellt hatte, aber er wagte nicht, zu fragen.
Gegen Abend kam Klara in ihr Zimmer. Sie sah, wie fast immer sehr fröhlich aus und berichtet mir, das der Kauf des Hauses perfekt sei. Die Gewürze würden morgen verkauft werden. Von meinem Gewinn würden das Haus bezahlt werden. Nach kauf ihrer Kleider würde trotzdem noch etwas übrig bleiben, was sie mir am nächsten Tag geben würde.
Ich hörte es mir an und befand es für gut, zumindest sagte ich es ihr. Sie gähnte darüber hinaus mehrmals und entschuldigte sich für den Abend, denn sie war so müde, dass sie kaum noch stehen konnte. Sollte sie doch machen, mir war es im Moment gleich. Ihre Mutter hatte mir bereits mehr gegeben, als sie mir geben konnte.
Klara war bereits früh am Morgen wach, was kein Wunder war, wenn man bedenkt, wie früh sie schlafen ging. An diesem Morgen erzählte sie mir, dass sie das Haus gründlich in Augenschein nehmen wollte, um es nach unseren Bedürfnissen einrichten zu können. Woher sie allerdings wusste, was meine Bedürfnisse waren, wusste ich nicht. Da sie meinte, dass ich nicht dabei sein müsste, ging ich davon aus, dass es das Haus gar nicht gab. Wahrscheinlich würde Klara zu ihrem Grafen gehen, um ihn bei Laune zu halten. Deswegen war sie wohl öfter länger weg. Ich musste grinsen, als ich daran dachte.
Klara war noch keine Stunde weg, als Marie vor dem Spiegel stand. Noch immer hatte ich nichts für sie und war froh darüber, dass ich sie nur wenig mit in meine Pläne einspannen musste. Je weniger sie wusste, umso besser.
Obwohl es nichts gab, stand Marie noch weiter vor dem Spiegel und schien etwas auf dem Herzen zu haben. Sie hielt wie immer ihren Kopf gesenkt und kam nicht mit der Sprache heraus.
„Marie, was ist los? Hast du noch etwas auf dem Herzen?“
Noch immer wusste sie nicht, was sie sagen sollte und ich musste sie ein weiteres Mal dazu ermutigen.
„Marie, bitte, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Bitte, wenn du etwas möchtest, dann sag es mir!“
So gesehen hatte ich wirklich keine Zeit. Ich wollte zum Münzhändler und die bestellte Ware abholen.
„Herr Christoph hat mir vor einigen Tagen versprochen, sich an meiner Mitgift zu beteiligen. Ich bin mir nur nicht mehr sicher, ob er sein Versprechen noch hält. Wisst ihr, ich, gab ihm etwas sehr Wertvolles von mir und ich wäre traurig, wenn ich das Versprochene nicht bekommen würde.
Obwohl ich es wahrscheinlich gar nicht mehr brauche. Mein Verlobter hat die Verbindung getrennt, weil es glaubt, dass ich doch nicht die richtige für ihn bin!“
„Oh, das tut mir leid!“, kam von mir und es tat mir wirklich leid. Immerhin hatte sich Marie sehr darauf gefreut und alles in eine Waagschale geworfen. Dabei hatte ich wirklich vergessen, ihr das Versprochene zu geben. Es war mir unangenehm. Dafür wurde ich gleichzeitig neugierig, was vorgefallen war.
„Wie kam denn das?“, fragte ich sie und sie sah zum ersten Mal auf.
„Ach wisst ihr, es war so schön mit Herrn Christoph und ich habe es sehr genossen. Ich habe mir gedacht, das ich mit meinem Verlobten ebenfalls Freude haben könnte. Es kam ja nicht mehr darauf an. Also habe ich ihn dazu gebracht, das mit mir zu machen, was Herr Christoph mit mir gemacht hat. Aber es war nicht gut, ganz und gar nicht. Er hat nur schmerzhaft in mir herumgestochert und mich behandelt, als wenn ich nur ein Stück Fleisch wäre. Als er dann noch viel zu früh fertig war, hat er gemeint, dass es an mir liegen würde. Außerdem könnte er mich jetzt nicht mehr heiraten, denn ich wäre keine Jungfrau mehr!“
Was für eine Logik dachte ich nur und konnte Maries Schwermut gut verstehen. Sie hatte es gut gemeint, hatte gehofft, durch ihren hohen Einsatz ihr Glück zu finden. Stattdessen hatte sie nichts als Trümmer vor sich. Marie war so verzweifelt, dass sie mir diese ganze Sache erzählte. Im normalen Zustand hätte sie kein Wort über die Lippen bekommen.
„Marie, mache dir darüber keine Sorge. Herr Christoph hat mir selber gesagt, dass er für dich sorgen wird. Deine Mitgift wirst du bekommen, ganz bestimmt und sicher mehr als du dir denkst. Wahrscheinlich so viel, dass du einen anderen Mann ehelichen kannst, der nicht so dumm wie dein vorheriger ist. Ein hübsches und freundliches Mädchen wie dich, darf man nicht verlassen. Er weiß gar nicht, was er da verpasst!“
Über Maries Gesicht ging ein Leuchten. Sie sah erneut auf und hatte einen zuversichtlichen Ausdruck aufgelegt.
„Vielleicht ist es auch besser so!“, meinte sie und wollte gerade wieder gehen. Doch dieser Ausspruch kam mir seltsam vor. Das wollte ich genauer wissen.
„Wie meinst du das?“, fragte ich sie und Marie drehte sich erneut um, kam wieder näher. Man konnte sehen, dass sie nach Worten rang, aber letztendlich kam sie mit der Sprache heraus.
„Mein Verlobter war ein grober Klotz. Ich fühlte mich bei ihm nur gut aufgehoben, weil er mir eine Zukunft geboten hat. Wir hätten Kinder bekommen und ich wäre eine gute Mutter geworden. Seit dem Abend mit Herrn Christoph bin ich mir nicht mehr sicher, ob es gut gelaufen wäre. Er hat mir gezeigt, wie schön es zwischen zwei Menschen sein kann. Dabei habe ich etwas in meinem Herz gefühlt!“
Während sie das sagte, legte sie eine Hand auf ihre linke Brustkorbhälfte und zeigte damit zusätzlich optisch an, wo ihr Herz sich befand.
„Bei meinem Verlobten und mir habe ich das nicht gefühlt. Nichts von den schönen Gefühlen, die mir Herr Christoph geschenkt hat. Also ist es vielleicht besser für mich, wenn ich mir einen Mann wie ihn suche. Herr Christoph ist aber leider nicht an mir interessiert. Es ist seltsam, immer wenn ich ihn jetzt sehe, schlägt mein Herz schneller und mir wird warm. Es kribbelt in meinem Bauch und ich fühle es warm in mir werden.
Bitte sagt das nicht zu ihm, es wäre mir peinlich. Ich darf nicht einmal daran denken, denn ein Mann wie er wird für mich immer unerreichbar sein!“
Als Marie dies sagte, konnte ich sehen, wie ihr einige Tränen die Wangen herunter liefen. Doch nur kurz, denn sie drehte sofort auf den Hacken um und rannte aus dem Zimmer.
Sie tat mir mehr als leid. Marie war ein so nettes Mädchen, und wenn ich ehrlich war, sogar anziehend. Ihre Naivität kam nicht daher, dass sie dumm war, sondern weil man ihr niemals etwas beigebracht hatte. Ich nahm mir vor, sie nicht zu enttäuschen. Sie sollte gut aus dieser ganzen Sache herauskommen.
Nachdenklich fuhr ich wenig später zu dem Münzhändler und holte die Fälschungen ab. Sie sahen täuschend echt aus, und wenn ich eine Echte nahm und als Gegengewicht auf eine Balkenwaage legte, schlug diese nur ganz wenig aus. Fast perfekt waren sie, waren größten Teils sogar blind, als wenn sie durch viele Hände gegangen waren. Wirklich Glänzende bekam man nur, wenn man sie polierte. Lächelnd lud ich sie in mein Auto und fuhr zurück.
Am späten Abend kam Klara und hielt einen größeren Leinenbeutel in ihren Händen. Sie ging zum Spiegel und legte ihn auf einen der Beistelltische. Danach verschwand sie, ohne sich nach mir zu erkundigen. Wahrscheinlich dachte sie, dass ich nicht da wäre. Also griff ich durch das Glas und hob das Säckchen an, was schwerer war, als ich gedacht hätte. Mehrere Kilo schwer war es, und als ich es herübergeholt hatte, macht ich es auf.
Goldig glänzte es mir entgegen. Ich griff hinein und ließ die Münzen klappern. Eine Wohltat für meine Ohren. Sofort holte ich alle anderen Münzen, die ich bereits hatte, und ließ sie mit in das Säckchen fallen. Danach ging ich in die Küche, holte meine Küchenwaage und legte das Säckchen darauf. Gespannt sah ich zu, wie sich der Zeiger einpendelte.
Über sechs Kilogramm zeigte die Waage an und ich wollte es zuerst nicht glauben. Mehrmals justierte ich sie nach, kam jedoch auf dasselbe Ergebnis. Danach überschlug ich kurz den Goldpreis und kam auf eine Summe, die mir mehr als zusagte. Ein sehr einträgliches Geschäft. Immerhin war alles in relativ kurzer Zeit über die Bühne gegangen. So gesehen, ein hervorragendes Geschäft. Wenn ich so weiter machte, würde mein Plan aufgehen. Dabei fiel mir ein, dass ich nur einen wirklich kleinen Anteil von dem ganzen Geschäft bekommen hatte. Wenn das so war, musste Klaras Familie ein noch wesentlich größeres Geschäft gemacht haben. Ging ich noch davon aus, dass kein Haus gekauft worden war, musste sich das Gold geradezu stapeln. Dabei war ich mir sicher, dass sie alles im Keller aufbewahrten. Menschen, die auf diese Weise ihr Geschäft machten, vertrauten keiner Bank. Die Bank hätte irgendwann unangenehme Fragen gestellt.
Also fragte ich mich, was in dem Kellerraum alles lagerte. Ich würde es herausfinden, da war ich mir sicher. Es kam auf den richtigen Zeitpunkt an.
Es war kurz vor Mitternacht, als Klara ihr Zimmer betrat. Sie zog sich um und wollte gerade ins Bett steigen, als ich mich meldete.
„Na Klara, läuft alles, wie es sein soll?“
Klara erschrak ein wenig, hatte anscheinend nicht damit gerechnet, dass ich noch auf war. Sie kam herüber und stand in ihrem Nachthemd vor mir.
„Oh, ihr seid ja noch wach. Das habe ich nicht angenommen. Entschuldigt bitte!
Ja, es ist alles prächtig. Das Haus ist noch besser als ich es mir erträumt habe. Die beiden Kleider sind ebenfalls in Arbeit. Ich werde sie euch zeigen, wenn sie fertig sind.
Wie ich sehe, habt ihr euren Anteil erhalten. Ich hoffe, es entspricht euren Erwartungen. Vater hat gesagt, dass die Geschäfte besser gelaufen sind, als er gedacht hätte. Daher ist euer Anteil größer ausgefallen. Was denkt ihr eigentlich, damit anzufangen?“
Kurz dachte ich darüber nach und kam auf eine gute Idee.
„Ich weiß es noch nicht. Vielleicht gebe ich es deinem Vater. Es sieht aus, als wenn er ein guter Geschäftsmann ist und ich ihm vertrauen kann. Sicher kann er mein Geld vermehren. Natürlich mit einer Gewinnbeteiligung!“
Kaum hatte ich das ausgesprochen, ging bei Klara die Sonne auf. Sie strahlte geradezu, da ich ihr genau in die Karten spielte. Dumm war, dass ich ihr Spiel kannte und daher deckte ich nicht alle Karten auf.
„Das wäre eine gute Sache. Vater ist geschickt mit Geld und wird euch einen noch größeren Profit einbringen. Überlegt es euch gut und vor allem schnell. Soweit ich weiß ist im Moment die Lage günstig, viel Geld zu verdienen. Jeder Tag, der verstreicht, könnte viel kosten!“
Natürlich drängte Klara darauf, aber ich wollte sie nur bei der Stange halten, die Erwartungen anheben. Die Familie sollte ihren Glauben an mich, nicht verlieren. Zumindest noch nicht.
Klara war noch müder als am Vortag, was ich ihr sogar glaubte. Immerhin war es für sie schon spät, denn normalerweise lag sie um diese Zeit im Bett. Gespielt kraftlos ging sie zu ihrem Bett zurück und legte sich hin. Auch ich machte meine Augen zu und schlief ruhig und fest ein.
Als ich aufwachte, schlief Klara noch. Ich wollte sie nicht wecken und schlich mich leise in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen.
Ich liebe diese Zeit, wenn man noch im Bademantel am Küchentisch sitzt, gedankenversunken in den Morgennebel schaut und darauf wartet, dass das Wasser kocht.
Wenn ich schon einen Kaffee trinke, muss er von Hand aufgebrüht sein. Dabei kann ich nicht einmal sagen, ob er wirklich besser schmeckt, als einer aus der Kaffeemaschine. Es ist das Ritual darum, der dieses Getränk sinnlich macht. Papierfilter in den Träger, Kaffeepulver hinein und zuschauen, wie das Wasser darin versickert. Dann nachschütten und zuhören, wie die Tropfen in die Kanne darunter plätschern. Ist die letzte Flüssigkeit versiegt, nimmt man eine Nase voll, von dem aufsteigenden, frischen Aroma.
Wenn dieses herrliche Getränk in die Porzellantasse fließt und langsam den Boden unsichtbar macht, ist es Zeit sich zu setzten und ihn zu veredeln, wenn man möchte. Ich persönlich mag ihn am liebsten, wie er aus der Kanne kommt. Ich finde, dass man nur so die Vielfalt der Aromen erleben kann. Schon die Länge der Röstung kann aus derselben Bohne etwas vollkommen anderes machen.
Um es mir noch schöner zu machen, toastete ich mir vier Scheiben Toast und versah zwei davon nur mit Butter, die anderen beiden mit Butter und einem Hauch von hervorragender Erdbeerkonfitüre, die ich mir auf dem örtlichen Markt kaufte. Der Geschmack kam noch von Erdbeeren und keinen Bakterien, die genetisch verändert wurden, dass sie den entsprechend Geschmack erzeugten.
Gedankenversunken saß ich da und starrte eine halbe Stunde lang aus dem Fenster und sah der Sonne zu, wie sie langsam aufging und den Nebel vertrieb.
Eigentlich ging es mir gut. Klagen konnte ich nicht, worüber auch und ich fragte mich, ob ich das alles aufgeben wollte. Wofür nur. Für eine Welt, die ich nicht kannte, eine Welt, in der ich nichts zu suchen hatte. Würde ich gar den Lauf der Zeit verändern. Dabei war ich mir nicht einmal sicher, ob es unsere Vergangenheit war, die sich dort abgebildet hatte. Es konnte genauso eine andere Welt sein, ein Paralleluniversum ein ganz anderer Planet, irgendwo in den weiten des Alls.
Diese und ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf und ich verfiel über das Grüblen in eine Art Hypnose, aus der ich nur langsam wieder erwachte. Die Erde hatte mich wieder und ich atmete tief durch, nahm das letzte Stück von meinem Toast und brachte das benutzte Geschirr zur Spülmaschine.
Als ich auf die Uhr sah, wurde mit erst bewusst, dass ich dort länger als sonst gesessen hatte. Warum auch nicht. Ich hatte in dem Sinne nichts vor, was ich sofort erledigen musste. Ich konnte warten, warten auf den richtigen Zeitpunkt. Dieser konnte heute oder morgen sein, vielleicht später. Es trieb mich nichts.
Erst jetzt ging ich ins Schlafzimmer, um nach dem Rechten zu sehen. Klara war verschwunden, was mich nicht wunderte. Warum sollte sie solange dort bleiben, bis ich mich meldete. Wäre ich da gewesen, hätte ich sie angesprochen.
Ich wollte gerade gehen, als die Tür aufging und Marie zu ihrem alltäglichen Gespräch herein kam. Dieses Mal war sie mehr als früh da, wesentlich früher, was mich wunderte. Auch schien sie nicht so vorsichtig zu sein wie sonst. Sie kam auf mich zu, machte keine Anstalt leise zu sein.
„Hallo Marie!“, sagte ich, bevor sie etwas von sich gegeben hatte, „Was bist du heute früh hier. Sonst kommst du doch erst später!“
„Ja, heute kann ich das. Ich bin alleine hier, die Drei sind weggegangen, haben mir nur gesagt, dass sie erst spät wiederkommen werden. Was sie vorhaben, haben sie mir nicht gesagt!“
Es war seltsam. Noch vor einigen Minuten hatte ich darüber nachgedacht, wann der richtige Zeitpunkt für mein Unterfangen war, und jetzt fiel er mir geradewegs vor die Füße.
Das ganze war nur sehr kompliziert, wenn ich es so machen würde wie sonst. Das Problem war Marie. Ich musste mich ihr offenbaren, sonst wurde es zu verzwickt.
„Sag Marie, was hältst du von Zauberei?“, fragte ich sie und sie sah mich verständnislos an.
„Was meint ihr damit? So wie Hexen oder Hexenmeister? Jemandem damit schaden, ihn verfluchen oder töten?“, fragte sie vorsichtig.
„Nein, nicht so etwas. Nicht um jemandem zu schaden, sonder, um ihn zu verblüffen. Kennst du das, wenn man jemanden verschwinden lässt und dieser ganz woanders wieder auftaucht?“
Klaras Gesicht hellte sich auf, sie sah vergnügt aus, als sie antwortete: „Ja, so etwas habe ich schon gesehen. Es ist lange her, da war ein Zirkus hier in der Stadt. Da war ein Zauberer, der hat eine Frau zersägt und wieder zusammengefügt. Später ist sie in einen Kasten gestiegen und der wurde zugemacht. Als der Magier die Kiste wieder aufmachte, war sie nicht mehr drin!“
Das hörte sich gut an, denn es würde Marie jetzt nicht ganz so verwirren, wenn ich sie jetzt mit dem Spiegel konfrontierte.
„Weißt du, ich, bin etwas Ähnliches wie ein Zauberer und ich würde dir gerne etwas zeigen!“
Marie stand wie angewurzelt vor dem Spiegel. Sie sah aus, als wenn sie es nicht erwarten konnte, dass etwas Außergewöhnliches passierte.
„Bitte gehe einen Schritt weiter nach zurück und erschrick nicht!“
Marie nickte und macht den geforderten Schritt. Dann stand sie wie gebannt still da und starrte in meine Richtung.
Vorsichtig drückte ich mit einer Hand gegen das Glas und streckte zuerst nur eine Hand hindurch.
Auch wenn ich Marie gesagt hatte, dass sie nicht erschrecken sollte, sah ich doch, wie sie zusammenzuckte, als sie die Hand zu sehen bekam. Ungläubig starrte sie darauf, und ihr Staunen wurde noch größer, als ein Arm folgte der noch Gesellschaft von einem Zweiten bekam.
Ich sah, dass sie etwas sagen wollte, aber kein Ton kam aus ihrem offen stehenden Mund. Stattdessen zeigte sie mit einem Finger auf meine Arme, konnte es nicht verstehen, was sie sah.
Jetzt war ich soweit vorgedrungen, dass ich den restlichen Weg gehen konnte, nein, musste. Egal was passierte. Also streckte ich noch meinen Kopf hindurch.
Marie bekam keine Luft mehr, als sie mich sah und sackte in sich zusammen. Leider war ich nicht so schnell, dass ich sie auffangen konnte, doch wie es aussah, prallte sie nicht direkt mit dem Kopf auf den Boden.
Ich kam durch den Spiegel, beugte mich über Marie und hob sie vorsichtig auf, um sie auf Klaras Bett zu legen. Hier setzte ich mich daneben, öffnete die Verschnürung vor ihrer Brust, damit sie besser Luft bekam, und wartete darauf, dass sie aus ihrer Ohnmacht erwachte.
Es dauerte nicht lange, bis ihre Augenlieder anfingen zu flattern. Sie öffnete langsam die Augen fixierte mich und starrte mich an.
„Herr Christoph, seid ihr das? Das kann nicht sein. Ihr, der Mann aus dem Spiegel? Warum, wie geht das?“
Ich sah auf sie herab und lächelte sie an. Sie hatte den Schock besser verdaut, als ich gedacht hätte.
„Ja, ich bin das wirklich!“ Dann nahm ich eine ihrer Hände in die meinen, damit sie mich spüren konnte, „Siehst du, ich bin aus Fleisch und Blut. Sei mir nicht böse, aber ich konnte es dir nicht sagen. Es wäre nicht gut gewesen!“
Marie sah mich noch immer an und sicher kam ihr gerade in den Sinn, was sie mir alles erzählt hatte. In ihren Augen sehr peinlich. Dafür hatten wir aber im Moment keine Zeit. Ich musste sie anders nutzen, konnte mich nicht zu lange mit Erklärungen aufhalten.
„Marie, ich werde dir später alles erklären, jetzt muss ich etwas anderes erledigen. Bitte sei mir nicht böse!“
„Ich bin euch nicht böse, nur überrascht. Ich brauche noch ein wenig, bis ich es wirklich verstanden habe!“
Sie wollte aufstehen und ich half ihr. Dann ging ich mit ihr zum Spiegel zurück und meinte zu ihr: „Du kannst mir helfen, wenn du möchtest. Du weißt, dass ich auf deine Herrschaften nicht gut zu sprechen bin, genauso wie du. Wenn du aber nicht willst, geh bitte, damit du davon nichts mitbekommst!“
Marie schüttelte langsam ihren Kopf hin und her.
„Nein Herr Christoph, ich möchte euch helfen. Ich glaube, es ist besser für mich. Ich glaube, ich werde es hier nicht mehr lange aushalten. Lange wollte ich von hier weg, habe aber keine Chance gesehen. Nur eine Heirat hätte mich hier weggeholt!“
„Gut!“, meinte ich zu ihr und stich ihr mit dem Fingerrücken meines Zeigefinger über die eine Wange, „Dann wollen wir mal anfangen!“
Marie sah mir fasziniert zu, als ich durch den Spiegel zurückging.
Wenig später reichte ich ihr mehrere Beutel mit den falschen Münzen hindurch. Sie nahm sie an und stellte diese auf den Boden. Erst als ich alle durchgegeben hatte, kam ich selber nach.
Mit diesen Beuteln verließen wir Klaras Zimmer und gingen auf die Kellertür zu. Als ich sie aufmachte und hinuntergehen wollte, blieb Marie davor stehen. Sie hatte sichtbare Angst und tat keinen Schritt mehr vorwärts.
„Dort gehe ich nicht herunter. Dort unten ist der Tod!“, sagte sie und ich konnte ihr ansehen, dass sie es ernst meinte. Sie brauchte es auch nicht. Stattdessen nahm ich eine Taschenlampe, die ich mitgenommen hatte, und schaltet sie ein.
Marie staunte, als sie das Licht sah. Für sie musste es wie eine erneute Zauberei aussehen. Sie sagte aber nichts. Sie nahm es hin.




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