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Geteilte Welten – 26.Jetzt wird’s ernst!

Jetzt wird’s ernst!

Tim war eingeschlafen; Marko streichelte ihn zärtlich, schaute an die Zimmerdecke und dachte nach. Er hatte ein bissel Bammel davor, nachher bei Tims Eltern sein zu müssen. Was, wenn sie ihn nicht mochten? Würden sie Tim verbieten, sich mit ihm zu treffen? Hoffentlich würde er sich entsprechend benehmen können – Tims Welt war ja doch so anders als seine; Timis Eltern hatten bestimmt gewisse Erwartungen… er wusste, dass die von Hochbergens nicht wirklich begeistert von Tims Freundeskreis waren. Sie würden es sicher lieber sehen, wenn die Freunde ihres Sohnes aus einem etwas anderen Umfeld stammen würden, das besser zu ihnen passte. Doch nun war es halt so – er und sein Tim waren ein Paar, er liebte seinen Timi wirklich über alles; und er war sich sicher, dass auch Tim ihn liebte. Marko schaute zu Tim hinab, der sich ganz eng an ihn angeschmiegt hatte und im Schlaf ruhig atmete. Marko lächelte. Doch, er war sich sicher – sie gehörten zusammen! Niemand würde sie trennen können, auch Tims Eltern nicht, egal, was heute Nachmittag noch passieren würde! Diese Gewissheit und das schöne Gefühl des nackten Körpers seines schlafenden Freundes beruhigten ihn. Außerdem würde ihnen spätestens nächstes Jahr eh keiner mehr reinreden können.

Marko sah zur Uhr – schon kurz nach drei! Mit einem ganz sanften Kuss weckte er seinen Schatz. „Timi, es ist schon drei Uhr durch – Du solltest langsam mal wieder wach werden!“ Tim rieb sich die Augen – lächelnd sah er Marko an. „Stimmt, wir müssen ja gleich los“, murmelte er verschlafen, „aber erst noch ein bissel kuscheln!“ Mit diesen Worten legte er seinen Kopf wieder auf Markos Brust und schloss die Augen. Doch die Zeit drängte – inzwischen zeigte die Uhr viertel nach drei. Marko wurde immer nervöser. „Tim, so gerne ich ja auch noch mit Dir kuscheln würde – aber wir sollten uns langsam mal anziehen!“ meinte er in einem ernsten Ton. „Ich denke, Deine Eltern möchten schon, dass wir pünktlich sind!“ „Ja, ja, schon gut!“ antwortete Tim ihm etwas mürrisch, schwang die Beine aus dem Bett und schlurfte ins Bad. Er warf sich zwei Hände voll kaltem Wasser ins Gesicht, trocknete sich wieder ab und kämmte sich die Haare. Ein letzter Blick in den Spiegel – ok.

Während er sich dann doch endlich anzog, huschte Marko auch noch einmal schnell durchs Bad. Auf seinen „Hahnenkamm“ verzichtete er an diesem Tag, man sah nur in der Mitte des Kopfes eine blonde, nach hinten gekämmte Strähne. Schließlich folgte er Tim ins Schlaf-zimmer und streifte sich ebenfalls seine Klamotten über. So, fertig für die große Begegnung! Ein letztes Mal sahen sie sich um, ob wieder alles so war, wie es sollte. Wohnraum? Ok. Küche? Ok. Bad? Ok. Schlafzimmer? Na ja… Noch ein langer Kuss, dann schlossen sie die Tür des Gästehauses hinter sich und gingen Hand in Hand in die Richtung des Villenviertels. Erst, als sie in den Ort kamen, ließen sie einander los und liefen einfach nur nebeneinander her.

Überpünktlich kamen sie vor dem Haus der von Hochbergens an; ein paar Minuten warteten sie noch vor der Tür. Tim nahm Markos Hand und hielt sie fest. Natürlich hatte Tim einen Schlüssel, aber er zog es vor, zu schellen. Margret öffnete die Tür. Aber auch Tims Mutter kam kurz zur Haustür. „Ist schon gut, Margret, danke!“ Margret zog sich zurück. „Hallo, ihr beiden!“ sprach sie Tim und Marko an, und schaute lächelnd von Einem zum Anderen. Dann richtete sich ihr Blick auf Marko. „Du bist also der Marko, Timis Freund?“ „Ja, Frau von Hochbergen. Guten Tag!“ Er reichte ihr die Hand. Tim stand nur stumm daneben und wartete ab, was weiter geschehen würde. „Na, dann kommt erstmal rein!“ Sie ließ die Beiden eintreten; Marko staunte nicht schlecht, als er zum ersten Mal die Villa, in der Tim wohnte, von innen sah. Sie standen in einer Art Foyer, von dem mehrere andere Räume abgingen. In der Mitte führte eine Treppe ins obere Stockwerk. Marko fühlte sich unwohl in dieser ungewohnten Umgebung. „Tim, Dein Vater erwartet Euch im Salon. Du kennst ja den Weg! Ich bin auch gleich wieder da. Möchtet ihr was trinken?“ Gleichzeitig schüttelten Marko und Tim den Kopf; dann nahm Tim seinen Marko wieder an die Hand und ging zur Tür des Salons. Marko wollte sich losreißen, aber Tim hielt seine Hand ganz fest. Kurz sah er zu ihm herüber, mit einem Blick, der Marko sagen sollte:’ Alles wird gut!’ Dann klopfte er an der Salontür. „Ja bitte!“ hörten sie von drinnen die Stimme von Albert von Hochbergen. Tim öffnete die Tür und zog Marko in den Raum. Professor Albertus von Hochbergen saß mit verschränkten Beinen auf einem ausladenden Ledersofa und schaute zur Tür, als diese sich öffnete. Dann stand er auf, und ging auf die Beiden zu. „Hallo, mein Sohn“, meinte er nur knapp, dann hielt er Marko seine Hand hin, während er ihn ausgiebig musterte. „Sie sind also Marko? Freue mich, Sie kennen zu lernen!“ Marko gab Tims Vater die Hand. „Guten Tag, Herr Professor – ja, ich bin Marko, sie können aber ruhig Du zu mir sagen!“ „Gut, dann lass Du den Professor ruhig mal weg. Herr von Hochbergen reicht!“ „Setzt euch, wir sollten uns mal ein wenig unterhalten!“ Albert von Hoch-bergen deutete auf zwei nebeneinander stehende Sessel. Die Jungs setzten sich, und auch Tims Vater nahm wieder auf der Couch Platz. Inzwischen war auch Sybilla von Hochbergen eingetreten und setzte sich neben ihren Mann.

„Na, dann erzählt doch mal – wie habt ihr denn zueinander gefunden?“ Er gab sich allergrößte Mühe, seiner Stimme einen neutralen Tonfall zu geben; innerlich jedoch hatte er sich noch immer nicht so recht damit abgefunden, dass sein einziger Sohn einen Freund anstatt einer Freundin hatte. Tim begann: „Marko gehört zu meinen Freunden, mit denen ich mich immer treffe“, erklärte er. „Ich wusste nicht, dass er schwul ist, bis mir gestand, dass er sich in mich verliebt hatte.“ Tims Vater nickte. „Und weiter?“ So erzählte Tim die ganze Geschichte; über die Party, die Nacht in der Strohmiete, Markos erste Mail an ihn, die Treffen am See – ein paar ‚unwichtige’ Details ließ er hier aber doch aus. Zu guter Letzt gestand Tim seinem Vater, dass sie sich die „Party“ nur ausgedacht hatten, um das Wochenende miteinander verbringen zu können. Marko saß nur in seinem Sessel und schwieg. Er schwitzte; am Liebsten hätte er sich irgendwo verkrochen. Doch Tims Vater sah nur seinen Sohn streng an. „Du hast uns also belogen!“ Tim wurde rot. „Ja, Papa“, aber das war ja noch vor unserem Gespräch in London, und Marco und ich hatten es so abge-sprochen. Da konnte ich Dir doch nichts anderes mehr erzählen!“ „Du weißt wohl, dass ich es überhaupt nicht mag, wenn Du mich belügst?“ „Ja, Papa, natürlich weiß ich das.“ „Gut so. Eigentlich hättest Du eine Strafe verdient; aber weil Du mir in London die Wahrheit gesagt hast, will ich Dir noch einmal verzeihen“. Dann mischte sich Tims Mutter ein. „Und ihr liebt Euch wirklich?“ „Ja, Mom“, ohne Marko möchte ich nicht mehr leben“, antwortete Tim, und Marko nickte stumm, aber überzeugend. Wie zum Beweis streckte Tim seine Hand aus; Marko reagierte sofort und nahm Tims Hand in seine. Sie sahen sich an – der Blick sagte alles, auch Tims Eltern. So langsam entspannte sich die Situation; Albert von Hochbergen spürte, dass er sich nicht mehr wehren konnte; sein Sohn war glücklich, und das war für ihn das Wichtigste. Sybilla von Hochbergen dagegen freute sich für Tim und Marko, und das ließ sie sich auch deutlich anmerken. Sie mochte Marko irgendwie, und sie sah die verliebten Blicke, die die Jungs sich immer wieder zuwarfen. Kurz und gut: Sybilla von Hochbergen hatte überhaupt kein Problem damit, dass ihr Sohn in einen anderen Jungen verliebt war – ganz im Gegensatz zu ihrem Mann.

„Es ist angerichtet!“ Margret hatte gerufen. „Dann lasst uns rüber gehen ins Esszimmer“ forderte Tims Mutter sie auf. Die von Hochbergens erhoben sich, und auch Tim und Marko standen auf. Hand in Hand folgten sie Tims Eltern. Es gab Kaffee, Tee, drei verschiedene Sorten Kuchen, und frische Schlagsahne. Tims Vater hatte sich ein Glas Cognac auf seinen Platz gestellt. Nach dem zweiten Stück Kuchen wurden die Jungs unruhig, und sie waren auch mehr als satt. Immerhin hatten sie erst vor vier Stunden gefrühstückt! Tims Mutter bemerkte es zwar, sagte aber nichts. Endlich räusperte sich Tim. „Dürfen wir aufstehen? Ich würde Marko gern mal mein Zimmer zeigen!“ Der Blick seines Vaters sagte deutlich: Nein! Doch seine Mutter sagte: „Geht ruhig! Ich habe mit Deinem Vater sowieso noch etwas zu besprechen“. Erleichtert standen die Jungs auf und verschwanden durch die Tür.

Als sie alleine waren, sah Tims Mutter ihren Mann an: „Albert, sei bitte nicht so streng mit den Beiden! Ändern können wir es doch nicht, und Du hast bestimmt auch gesehen, wie lieb sie sich haben. Lass sie doch! Ich mag Marko, er scheint ein lieber Junge zu sein, und es ist wohl deutlich, wie glücklich unser Timi ist!“ Albert von Hochbergen ließ sich Zeit, bevor er antwortete. „Du hast ja Recht – aber ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen! So etwas hat es in unserer Familie noch nie gegeben!“ „Na und, dann ist es halt jetzt das erste Mal. Tim ist verliebt und glücklich – ich freue mich für die Beiden, sie sind ein schönes Paar! Sei doch nicht immer so verbohrt; oder glaubst Du wirklich, wir hätten noch eine Chance, die zwei auseinander zu bringen? Tim ist fast volljährig! Nächstes Jahr wird er 18, spätestens dann macht er sowieso, was er will!“ „Dieser Marko scheint ja ganz nett zu sein; aber trotzdem: mir gefällt es nicht!“ gab ihr Mann störrisch zurück. „Wenn sich das herumspricht, dass unser einziger Sohn schwul ist…“ „Das wirst Du wohl dauerhaft nicht verhindern können; aber heutzutage ist das doch nichts Ungewöhnliches mehr!“ Albert von Hochbergen schwieg; damit war das Thema für ihn beendet. Tims Mutter zuckte nur mit den Schultern; wortlos stand sie auf und verließ den Raum.

Tim und Marko hatten die Treppe im Hürdenschritt genommen – immer zwei Stufen auf einmal. Tim öffnete die Tür zu seinem Reich – und Marko riss die Augen auf: das Zimmer war in etwa so groß wie das gesamte Gästehaus, in dem sie dieses wundervolle Wochenende verbracht hatten. „Das ist Dein Zimmer?“ staunte er. Marko nickte. „Mensch, ist das groß!“ brachte er verwundert heraus. „Na ja, fast die Hälfte der Etage“ meinte Tim. „Ansonsten ist hier oben nur noch ein Badezimmer, das eigentlich nur ich nutze, und ein Gästezimmer, sonst nichts. Margret, unsere Haushälterin, und Robert, Paps Fahrer, wohnen nicht hier im Haus; und die untere Etage gehört meinen Eltern“. Marko schaute sich um. Tims Bett (Bett? Das war mehr eine Liege- und Spielwiese!) stand mitten im Raum, man konnte es komplett umkreisen. Links gab es einen begehbaren Kleiderschrank, in dem auf Bügeln aufgereiht diverse Anzüge und Hemden hingen; in den Fächern drum herum lagen ordentlich zusammengelegt verschiedene Kleidungsstücke (die Tür war offen, und so konnte Marko hineinsehen). Rechts an der Wand unter dem Fenster stand ein großer Schreibtisch; darauf lag ein Notebook, und eine Leiste, in der man USB- Sticks deponieren konnte. Die Wand rechts und links von der Tür war voll gepackt mit Büchern und CD` s. Unter seinen Füßen sah er nur Parkett, aber keinen Teppich. An einer Wand hingen diverse Auszeichnungen, die Tim erhalten hatte, darunter standen eine gemütliche Couch und ein kleiner Glastisch. In der Ecke gegenüber der Couch hing ein großer Fernseher, darunter in einem Vitrinenschrank eine Musikanlage vom Feinsten. Ansonsten waren die Wände, die nicht belegt waren, in einem blassen blau getönt. In die Decke waren neben einer Lichtleiste mit 5 Strahlern diverse Einbauleuchten eingelassen. So ein Zimmer hätte er auch gerne, wenn er da an seine kleine Bude zuhause dachte…

Ohne dass es Marko aufgefallen war, hatte Tim sich inzwischen ausgezogen – nur noch im Slip und Shirt lag er auf dem Bett und deutete mit der Hand auf den freien Platz neben sich. Aber Marko stand immer noch mit offenem Mund da. Er konnte sich nicht daran gewöhnen, dass diese Suite nur Tim ganz allein gehörte. Endlich begriff er, zog sich ebenfalls aus bis auf Slip und Shirt und legte sich neben Tim auf das Bett. „Und das ist alles Deins?“ fragte er, noch immer verwundert. Ja – aber das ist doch nichts Besonderes!“ „Für mich schon – so ein tolles Zimmer hätte ich auch gerne!“ „Hast du doch jetzt!“ antwortete Tim lächelnd. Mein Zimmer ist auch Dein Zimmer – weil ich Dich liebe!“ Marko sah ihn an – und strahlte. Doch dann runzelte er die Stirn. „Na, Deine Mama scheint ja in Ordnung zu sein, aber Dein Vater… er hat wohl echt ein Problem damit, oder? Ob das gut geht?“ So ernst hatte Tim seinen Schatz schon lange nicht erlebt; sie lagen nur nebeneinander, ohne sich zu berühren; es schien sich eine ernsthafte Diskussion zu entwickeln. „Und außerdem: meinen Ellis müsste ich es ja auch noch beibringen – und wenn Du zu uns nach Hause kommst, wirt Du sicher enttäuscht sein“, meinte Marko betrübt. „Quatsch“, antwortete Tim und sah ihn mit festem Blick an. „Ich weiß doch, dass Du in einer anderen Welt lebst als ich – aber ich liebe Dich, und ich lasse Dich nicht wieder los! Und mein Daddy ist gar nicht so schlimm, wie Du meinst. Mom wird das schon regeln; sie mag Dich, und sie freut sich darüber, dass wir uns gefunden haben.“

„Ich weiß nicht… ich habe das Gefühl, dass Dein Vater mich nicht mag und dass er nicht damit einverstanden ist, dass wir zusammen sind“. „Und wenn? Ich will nur Dich und nichts Anderes – ob meinem Paps das nun passt oder nicht! Du gehörst zu mir und ich zu Dir; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren! Punkt!“ Marko sah ihn mit glänzenden Augen an – er rutschte an ihn heran und küsste ihn. „Und wie sagen wir es meinen Eltern?“ fragte er und fiel noch einmal in seine Grübelei zurück. „Genau so wie meinen!“ Für Tim war diese Frage scheinbar kein wirkliches Problem. „Wir gehen hin, und sagen ihnen einfach, was los ist“. Noch immer war Marko skeptisch. „Du siehst das alles so einfach – wenn es doch nur auch so wäre!“ Tim stellte ihm als Antwort die ultimative Frage. „Liebst Du mich?“ „Na klar, was denkst Du denn?“ gab Marko zurück, ohne zu überlegen. „Und ich liebe Dich!“ antwortete Tim. „Wo ist also das Problem?“ Für Tim war das Thema damit eigentlich durch; doch Marko grübelte noch immer. Tims Telefon schellte. Seine Mutter war dran. Sie fragte wollte wissen, ob Marko noch zum Abendessen bleiben würde. Tim gab ihm die Frage weiter. „Willste noch bleiben? Bitte, sag ja!“ Marko nickte, auch wenn er eigentlich nicht so wirklich begeistert war; doch er wollte mit Tim zusammen sein, so lange es nur ging. „Ja, Mom, Margret soll bitte für vier Personen decken!“ Tims Mutter lächelte, doch das konnte Tim durch das Telefon natürlich nicht sehen. Um kurz vor sechs war es dann vorbei mit Kuscheln; sie mussten sich wieder anziehen und runtergehen zum Abendessen.




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