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Insel

Dies ist eine Geschichte mit Science-Fiction-Einschlag, die mir zum Erkunden von Geschlechterrollen zwischen Verwandten dienen sollte. Irgendwie ist mir dabei auch noch meine Vorliebe für Spionagestories reingerutscht. Daher ist es eine Erzählung geworden, die sich sehr langsam entwickelt. Ich bin gespannt, wie Leser so eine Geschichte aufnehmen werden.

1 — Prolog
1.1 Michelle erinnerte sich an den Tag ihrer Ankunft auf der Insel

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Der Tag ihrer Ankunft auf der Insel würde ihr immer im Gedächtnis bleiben. Wie sie das große Haus bezogen hatten, das ihr als Elfjähriger so gruselig erschienen war und ihr nun so vertraut vorkam. Von der älteren Generation gab es zu diesem Zeitpunkt nur noch ihre halbverrückte Großtante, die keine große Hilfe war, sondern eher Betreuung benötigte. Die ehemaligen Familien wurden somit von Gloria im Haus verteilt. Es war ihr damals merkwürdig erschienen die Familienverbünde zu trennen, aber heute ein selbstverständlicher Teil ihres Alltags, dass die Jungen im linken Flügel des Hauses residierten und die Mädchen im rechten. Wie Gloria als älteste auf einer strikten Trennung beharrt hatte und sie sich nur in Wohn-und Esszimmer sowie in der Küche des Haupthauses trafen. Damals war es ihr barbarisch vorgekommen, auf einmal von ihrem Halbbruder Michael räumlich so stark getrennt zu werden, wo sie doch vorher im Haus ihrer Eltern Zimmer an Zimmer gelebt hatten. Heutzutage stellte sie dies nicht mehr infrage.

Es war ihr eher lieb, denn ihre jüngeren Cousins Jeffry und Andrew waren eher eine Plage und ihr älterer Cousin Johannes hatte die Insel schon verlassen, als sie noch nicht einmal fünfzehn Jahre alt war. Gut, sie hätte sich eine bessere Mitbewohnerin als Freda vorstellen können, aber dafür war sie auch räumlich nahe an Gloria, die immer hilfsbereit war.

1.2 Michael erinnerte sich

Er hatte schon immer seine ältere Schwester Gloria bewundert. Sie war so unabhängig und erfolgreich trotz des harten Schicksalsschlages, der ihre Familie getroffen hatte. Sie hatte nach einem Jahr Geld verdienen müssen, um allen das Überleben und ein Fernstudium zu ermöglichen. Das machte ihn als fünf Jahre jüngeren Bruder stolz auf sie. So war er jetzt trotz seiner erst knapp 19 Jahre bereits ein beinahe fertig ausgebildeter Computer-Spezialist, denn sie hatte für die besten online-Lehrer und ein exzellentes Fernstudium gesorgt. Umso härter traf ihn ihr plötzliches Verschwinden, das so gar nicht zu ihrem Charakter passte.

Ihre Familien hatten während einer Familienfeier auf einer eine heimtückische Infektion bekommen, die sich zunächst in einem hässlichen Hautausschlag im Kreuz sowie in hohem Fieber äußerte. Diese Ansteckung resultierte später in lebensbedrohlichen Asthma-Anfällen bei seiner Tante, deren Ursache zunächst unklar war. Als nach dem Tod seiner Tante und wenig später seines Opas klar wurde, dass diese Infektion wahrscheinlich eine zeitverzögerte lebensbedrohliche Allergie gegen nicht identifizierbare Substanzen aus der städtischen Umgebung auslöste, war guter Rat teuer. Alle Familienmitglieder bis auf seine Großtante Anja hatten die feuerroten Ekzeme gezeigt, die sich wie mit dem Lineal gezogen entlang der Wirbelsäule aufreihten. Bei den meisten gab es vier bis fünf davon, die ungefähr die Größe einer Münze hatten. Alle konnten damit auch die Allergie entwickeln.

Der befragte Spezialist drängte auf einen sofortigen Umzug in eine einsame Gegend, speziell nachdem er selber erkrankte. Seine Großtante und sein Großonkel unterstützten diesen Vorschlag, weil sie den Militärarzt von einer Forschungsstation dort gut kannten. Sie waren sehr zuversichtlich dass er helfen können würde. Dabei war es schon gruselig zu sehen, wie der Militärarzt in einer weißen Vollschutzkombination mit separater Atemversorgung bei ihnen erschien. Das war kein gutes Zeichen und sein Großonkel verlor seinen Optimismus nach den ersten Tagen dort.

Die kalifornische Mojave-Wüste erwies sich jedoch als nicht einsam genug. Seine Großtante wurde angesteckt zeigte aber keine Symptome, aber sie wurde mehr oder weniger verrückt, als schnell hintereinander ihr Mann starb und dann seine Großmutter, ihre geliebte Schwester. Trotz all ihrer medizinischen Expertise und der Unterstützung durch den Militärarzt konnte sie dies nicht verhindern. Wo in der Welt war man ausreichend von den auslösenden Faktoren isoliert? Eine unbewohnte Insel, war die Antwort laut des Ratschlages des Militärarztes. Dank seiner Hilfe hatten ihre Eltern es noch geschafft, ihr Haus zu verkaufen.

Die Behörden und die Marine erteilten eine Ausnahmegenehmigung für die Bewohnung durch sie, denn inzwischen war ihre Infektion als hochgefährlich eingestuft worden. Sie wurden eiligst per Laborfahrzeug in Quarantäne geschickt. Der Preis dafür würde ein relativ einsames Leben sein, denn das alte Anwesen war ziemlich abseits gelegen. Und ziemlich abseits war eine echte Untertreibung, denn die kleine felsige Insel befand sich bald 100 Meilen von der kalifornischen Küste und selbst noch bald fünfzig Meilen westlich von San Nicolas Island entfernt. Es wäre ein hoher Preis für ihre gesellig lebenden Eltern gewesen, aber selbst die Überfahrt dorthin überlebten sie nicht.

Im Nachhinein konnte er ihre Leistung noch besser einschätzen, denn mit siebzehn Jahren diese Verantwortung zu übernehmen, musste nicht leicht gewesen sein. Er wusste das jetzt sehr genau, denn nach ihrem Verschwinden spürte er jetzt auch diese Bürde der Verantwortung. Seine Schwester Gloria war damit, noch bevor sie auf das College gehen konnte, in der Verantwortung für eine achtköpfige Familie. Und sie gab die Hoffnung nicht auf, dass sie geheilt werden konnten. Er verehrte sie dafür.

2 Wo ist Gloria?

Zuerst erschien Michelle alles noch normal. Wie üblich hatte ihre ältere Halbschwester Gloria einen schönen Tag abgewartet, um mit dem Boot nach San Nicolas Island zu segeln. Von dort würde sie auf das Festland übersetzten, um für bis zu drei Wochen Geld zu verdienen. Sie hatte Gloria nie gefragt, was diese auf dem Festland machte. Es war schon schwer genug, selbst auf der Insel gefangen zu sein. Man brauchte nicht noch von der Welt zu hören, die man nicht erreichen konnte. Instinktiv verstand Gloria das wohl, denn sie erzählte nie ungefragt vom Festland. Spätestens nach vier Wochen kehrte sie üblicherweise wieder zurück, wobei sie von dem verdienten Geld besonders begehrte Lebensmittel und Kleidung mitbrachte. Ihre Ankunft war immer ein Festtag für alle.

Als Gloria sich daher nach vier Wochen nicht wieder gemeldet hatte, begann Michelle unruhig zu werden. Das Satellitentelefon sollte wegen der hohen Kosten so wenig wie möglich benutzt werden, aber jetzt rief sie doch die Notfallnummer des Festlandhotels an, die sie ihr gegeben hatte. Nur um dort zu erfahren, dass ihre Schwester Gloria vor knapp drei Wochen bereits dort abgereist war. Jetzt war sie wirklich beunruhigt!

Selbstverständlich sprach sie sofort ihren Halbbruder Michael an, mit dem sie am besten reden konnte. Es war zwar nicht gerne gesehen, wenn Mädchen in den Teil des Hauses gingen, in dem die Jungens saßen, aber dies war eine Ausnahmesituation. Er saß in seinem Zimmer hinter dem Computer. Das hätte sie sich ja denken können. Aber sonst war die einzige andere ältere Person seine Großtante Anja. Sie war in allen praktischen Dingen nicht wirklich ansprechbar, nur bei medizinischen Fragen funktionierte sie wie ein Roboter. Freda war ihr zu arrogant und die beiden Jungens waren ihr als launische Teenager zu unvernünftig. Aber selbst der sonst so besonnene Michael hatte zunächst eine eher unsichere Reaktion: „Mein älterer Cousin Johann würde wissen was zu tun ist.“

Na toll, Johannes war aber nicht da, auch wenn sie das genauso gern wie Michael wünschte. Das alles beruhigte sie auch nicht gerade und weitere Zweifel kamen in ihr hoch: „Wie sollen wir jetzt vernünftige Klamotten bekommen?? Oder die tolle Schokolade?“ Hier beruhigte er sie, denn mit dem Satellitentelefon konnten sie Hilfe anfordern und ihre Vorräte waren auch nicht zu verachten.

Danach fiel ihr auch ein, dass Gloria Freunde auf Catalina Island und dem Festland hatte. Gloria hatte manchmal von ihnen erzählt. Der netteste war sicherlich Peter Fuller. Er hatte schon einmal zusätzliche Medikamente besorgt, die auf einmal am Morgen vor dem Tunnel standen, als Gloria vor drei Jahren diese fürchterliche Grippe hatte. Sie war sich sicher, dass er sie auch diesmal nicht im Stich lassen würde. Sie hatte ihn natürlich noch nie zu Gesicht bekommen, aber bisher nur das Beste über ihn gehört. Er musste Gloria wirklich gerne haben, um so nahe an ihre Quarantäne-Insel heranzukommen, denn es hieß immer dass die Marine sonst den Mindestabstand von drei Kilometern immer einhielt. Sie fragte sich nicht das erste Mal, ob er nicht mehr als nur eine Person im Freundeskreis von Gloria war. Aus Gloria war in dieser Hinsicht leider nichts heraus zu bekommen, obwohl sie schon auf mehreren Umwegen versucht hatte mehr über die Beziehung zwischen den beiden zu erfahren.

Aber was war mit ihrer Halbschwester bloß geschehen? Wohl um sie zu beruhigen, rief Michael sofort Peter Fuller an. Der wusste zwar auch nicht, wo Gloria war, aber er versprach sofort sich zu erkundigen und er klang überhaupt nicht besorgt. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich mehrere Wochen lang nicht gemeldet hätte. Er sei aber nicht mehr bei dieser Marine-Einheit und wäre daher nicht mehr berechtigt, über ihren Aufenthaltsort Bescheid zu wissen.

Michelle war definitiv geschockt. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass Gloria sich bei der Marine abmelden musste. Es war jedoch durchaus plausibel, da ihre Quarantäne ja von der Marine überwacht wurde. Jetzt fiel ihr auch ein, dass Gloria ja durch den Tunnel musste, der zum kleinen Hafen für das Segelboot führte. Die Marine hatte sichergestellt, dass kein Unbefugter die Insel verlassen konnte und den Tunnel mit einer Identifikationsschleuse versehen. Sie hatten das als überflüssig angesehen, da keiner von ihnen die Gefahr riskieren wollte, die beim Verlassen der Insel drohte.

Es dauerte nicht lang, bevor er zurückrief. Er klang jetzt nicht mehr so optimistisch und in einer merkwürdigen Art kryptisch. Er sagte Gloria wäre wieder in einem längeren Auftrag, ohne zu sagen was es war. Trotz seiner Rückfrage betonte er nur das Wort ‚wieder‘ mit einem missbilligenden Klang in seiner Stimme. Es wäre dringend erforderlich zu checken, ob das Telefon noch in Ordnung sei. Michelle begriff das zunächst nicht, da ihre Verbindung glasklar erschien. Peter betonte jedoch das Wort Telefon noch einmal auf eine Weise, die ihr klar machte, dass er ein anderes meinte, aber dies nicht ausbuchstabieren wollte. Dann trug Peter Michael noch auf zu prüfen, ob der Zugang zum Hafen noch gesichert sei. Sie stupste Michael an, denn ihr fiel ein, dass sie im Tunneleingang ein Telefon gesehen hatte. Sofort bestätigte Michael, dass er den Zugang zum Hafen in der nächsten Stunde prüfen würde. Sofort brach Peter das Gespräch mit einem „Bis dann…“ ab.

Michelle fand den eigenartigen Rückruf von ihm auch beunruhigend. Sie vermutete sofort, dass Gloria’s Freund mehr wusste als er über die Satellitenfunkverbindung erzählen konnte und wollte. Sie war dafür, dass sie sich beide sofort zum Tunneleingang begaben, ohne den anderen Bescheid zu geben. Gesagt — getan. Sie machten sich auf den langen Weg zum Tunnel. In der Mittagssonne den ansteigenden Weg zum Höhleneingang mit dem Fahrrad zu erklimmen, konnte nicht als Vergnügen betrachtet werden. Dieser war jedoch der einzige mögliche Weg zu der Hafenbucht.

Michelle ärgerte sich darüber, dass Michael nicht auf sie wartete. Mit seinem Mountainbike hatte er es natürlich viel leichter als sie mit ihrem schweren und nicht gerade leichtläufigen Hollandrad ohne Gangschaltung. Wie oft hatte sie Gloria schon gebeten, ihr doch auch ein Mountainbike zu beschaffen? Aber Gloria hatte darauf hingewiesen, dass Gerechtigkeit gelten musste. Michael hatte kaum Wünsche für Kleidung oder Kosmetik, dafür hatte er im Ausgleich ein teures Fahrrad bekommen, um ihn zu einer Art von Sport zu animieren, die er akzeptierte.

Die schroffen Felswände machten es unmöglich die Bucht auf einem anderen Wege zu erreichen. Sie wussten dass sich hinter dem verschlossenen und gesicherten Gittertor das graue, altmodische Telefon an der Wand befinden musste. Gloria hatte es ihnen erzählt. Es gab eine Zahlentastatur zum Entsperren der soliden Eingangspforte. Sowohl Michael als auch sie selber hatten Gloria ab und zu zum Tor begleitet, aber nie darauf geachtet, was sie dort eingegeben hatte. Glücklicherweise hatten sie bereits mit dem dritten Rateversuch Erfolg. Das Datum ihrer Ankunft auf der Insel erwies sich als der richtige Treffer.

Inzwischen waren schon bald zehn Minuten nach der Öffnung des Tores vorbei und sie hatten das Telefon noch immer nicht gefunden, obwohl sie in der Zwischenzeit die Umgebung erkundet hatten. Der weite Höhleneingang führte nach einem Dutzend Metern eines engen, gewundenen Ganges zu einer spiegelnden Glaswand ohne erkennbare Tür. Diese wies einfach keinen Eingang auf, so genau sie sie auch betrachteten. Es war frustrierend, man kam dort nicht hindurch. Es war ganz klar, dass man auf die andere Seite musste, aber das wie war nicht klar. Weder drücken noch schieben noch die Suche nach verborgenen Schaltern half. Michael war genauso frustriert wie sie. Sie wob ihre Hände als ob sie zaubern würde und rief ‚Abrakadabra! ‚, um dann in die Hände zu klatschen. Zu ihrer beider Überraschung wurde die Wand halb transparent, als der Raum dahinter hell erleuchtet wurde. Und dann fuhr die Glaswand hoch und gab ihnen den Zutritt frei.

Sie traten in die kleine Halle ein, die sich Y-förmig zu einem Hauptgang und einer engeren Abzweigung erweiterte. Beide Ausgänge waren durch massive, glänzende Metalltüren verschlossen, wobei diejenige des Hauptganges an ihren Seiten durch eine Art engmaschiges Metallsieb verschlossen war. Der leise Luftzug, der durch dieses Konstrukt strich, roch nach Salz und Algen — er musste von der Meeresbucht stammen. Dann fuhr die Glaswand wieder herunter, aber sie war jetzt auf dieser Seite verspiegelt, was den kleinen Höhlensaal freundlicher, größer und heller erschienen ließ.

In diesem Moment klingelte das Telefon. Beide erschraken unwillkürlich. Zögernd nahm Michelle den Hörer ab. Es war Peter Fuller. Hastig erklärte er, dass dieses Telefon Teil eines abhörsicheren Netzes sei, zu dem er noch Zugang habe. Das Satellitentelefon sei hingegen nicht sicher, weil das Militär auf der Insel elektronische Abhör-Anlagen installiert hätte. Andererseits würde ein Abheben des Telefons nach zehn Sekunden ohne Wahlaktivität automatisch zu einer Verbindung mit dem Marinestützpunkt auf Saint Nicolas führen, was zum augenblicklichen Zeitpunkt eine Katastrophe wäre. Schnell wiederholte er noch einmal, dass sie auf keinen Fall den Telefonhörer abheben sollten, ohne vorher genau instruiert zu sein. Erst dann stellte er Fragen: „Michelle, Du kannst mich Peter nennen. Wer ist noch bei Dir?“

Als er hörte, dass nur Michael bei ihr war, unterstrich er dass sie beide die Kenntnis über seine nächsten Aussagen nicht an die Jüngeren weitergeben sollten. Dann erklärte er in sachlichem Ton, dass die Arbeit von Gloria seit ihrem 21. Lebensjahr auch Aufträge von der Marine beinhaltete. Die letzten Aufträge hätten Bedenken bei ihm ausgelöst, die er auch geäußert hätte. Deshalb wäre er von seiner Funktion aus diesem Bereich der Marine abgelöst worden. Ihm seien weitere Kontakte zu Gloria und ihnen zwar nicht strikt verboten worden, aber man hatte durchblicken lassen, dass dieses nicht die beste Idee sei, wenn er an der nächsten Beförderung interessiert wäre. Er wäre deshalb vorsichtig gewesen und hätte die Kontakte zu Gloria auf das Nötigste beschränkt. Er holte hörbar tief Atem: „Gloria ist in Gefahr, wenn die Aufträge in dieser Art weitergehen.“

Sie sagten nichts. Es hörte sich bedrohlich, aber auch sehr vage an. Gloria hatte nie etwas von Aufträgen und schon gar nicht von gefährlichen erzählt, aber sie hatte eh nur wenig von den Zeiten ihrer Abwesenheit von der Insel berichtet. Was verbarg sich hinter seinen rätselhaften Andeutungen? Michael blickte sie unbehaglich an. Michelle fühlte sich auch nicht besser, aber sie wollte auch mehr wissen: „Was soll das heißen? Welche Aufträge sind gefährlich?“

Es dauerte einen Moment, bis Peter antwortete. „Ich bin ihr Führungsoffizier gewesen und habe die schleichende Verschiebung der Auftragsschwerpunkte nicht gutheißen können, aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Wir müssen so schnell wie möglich herausfinden, welchen Auftrag sie jetzt hat und wo sie heute steckt. Ich kann und darf meinen Nachfolger nicht fragen. Daher können wir das nur heimlich herausfinden, wenn wir Hinweise in ihren Unterlagen finden.“

Führungsoffizier? Hundert Fragen stellten sich bei ihr ein, aber bevor sie überhaupt nur eine einzige davon stellen konnte, erklang die drängende Stimme von Peter Fuller wieder. „Es ist sehr wichtig zu wissen, was sie vor vier Wochen vorgehabt hat. Alles andere ist nebensächlich. Zumindest einer von Euch beiden muss in den mit dem roten Kreis versehenen Kontakttrakt gehen, wo sie hoffentlich einen aktuellen Teil ihrer Unterlagen hat. Der Zugang wird durch ein Computersystem gesichert, das unter anderem die völlige Desinfektion in der Schleuse kontrolliert. Die Angst vor der Infektion ist immer noch groß bei dem Wartungspersonal der Navy, das hier jeden Vormittag vorbeikommt, aber die sind jetzt sicherlich weg. Vielleicht kann Michelle sich ja als Freda anmelden…“

Sie öffnete die schwere Tür, die rechts in dem gekennzeichneten Gang eine winzige Kabine öffnete, die an den Seitenwänden nur einige Kleiderhaken und eine Computertastatur mit einer kleinen LCD-Leiste auf dem nackten Metall der weiterführenden Tür aufwies.

„Eine Desinfektion?? Was heißt denn das? Mehr als ein paar Sekunden in dieser engen Schleuse sein?“, sie klang alarmiert. Dann äußerte sie sich sehr entschieden: „Mich kriegen da keine zehn Pferde rein!“

Sie hatte laut genug gesprochen, um von Peter klar verstanden zu werden. Jedenfalls ließ seine Reaktion nicht auf sich warten. „Michael, dann musst Du hineingehen. Und erzähl‘ mir jetzt nicht, dass Du auch klaustrophobische Zustände bekommst, wenn Du nur kurz in einer antiseptischen Dusche stehst. Beim Computer gibst Du als Identifikation ‚agentin2′ ein, alles klein geschrieben. Das galt für Gloria, für die Du hineingehst. Es gibt aber keine Videoüberwachung, also ist das egal. Das Passwort ist dazu ‚sub2X‘, nur das X groß. Präg‘ es Dir ein!“

Michelle war erleichtert, wenn sie sich auch etwas schuldbewusst fühlte. Eigentlich wäre es naheliegender gewesen wenn sie hineingegangen wäre, aber sie hasste es in engen dunklen Räumen quasi gefangen zu sein. Sie konnte es zwar zur Not aushalten, aber es war immer eine Überwindung.

2.1 In der Anlage

Achselzuckend übergab Michael das Telefon an Michelle und begab sich in den engen Vorraum. Dumpf hörte er Peter’s Stimme aus dem Telefonhörer klingen, die Michelle ermahnte ihm zu sagen, dass er sich völlig entkleiden musste für die Dusche. Als ob er nicht selber wüsste, was eine komplette Desinfektion bedeutet!

Dann kam noch der verspätete Rat vorher seine Kleidung in die kleine Klappe zu geben, die zwar erst 30 Minuten später zur Verfügung stehen würde, da sie auch desinfiziert werden würde. Allerdings würde auf der anderen Seite auch Kleidung zur Verfügung stehen. Zuletzt kamen noch Hinweise auf das zu wählende Zimmer und das zu benutzende Telefon. Bei fast geschlossener Eingangstür gab er ihr daraufhin seine Garderobe zur Aufbewahrung, da er keine Lust hatte eine halbe Stunde nackt auf seine Kleidung zu warten.

Nach der Eingabe der Identifikation öffnete sich die Metalltür zur Desinfektionsanlage. Es war in der Tat eine ungemütliche Zelle, deren winzige Ausmaße und dunkelgraue Farbe eine sofortige Beklemmung verursachten. An der unangenehm niedrigen Decke befand nur ein eine schwache Leuchte, deren trübes Licht das Ablaufgitter im Boden kaum beleuchtete. Die Wände waren mit Spritzdüsen reichlich bestückt. Er konnte Michelle’s Bedenken jetzt gut verstehen, als die Tür zuschnappte und es still wurde.




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