7. Kerzenmeer
Kurz vor unserer Trennung wäre es fast doch noch passiert – beinahe wäre Jens der Erste gewesen, mit dem ich geschlafen hätte… Ich klopfte an die Tür seines „Büdchens“. Wie selbstverständlich öffnete er die Tür, ich ging hinein und fiel ihm um den Hals. So, wie ich es von ihm kannte, hatte er nichts oder nur sehr wenige Kleidungsstücke an. Fein, umso weniger musste ich ihm ausziehen! Auch ich hatte mir inzwischen angewöhnt, alle überflüssigen Kleidungsstücke (und das waren bis auf die Unterhose und an kühleren Tagen vielleicht noch ein Shirt eigentlich alle!) gleich abzulegen, wenn ich ihn besuchte.
An diesem Abend hatte Jens seine Couch ganz ausgeklappt, und es offenbarte sich mir ein Doppelbett von mindestens 2 x 2 Metern Größe mit frischer Bettwäsche. Das Schaufenster war durch einen Vorhang verdeckt, die Tür wurde hinter mir gleich verschlossen, und der Raum selbst war nur durch eine Unzahl von Kerzen beleuchtet. Heute sollte es also passieren, er hatte alles vorbereitet und eine ganz besondere Atmosphäre machte sich breit – aber war ich wirklich schon soweit? Wollte ich wirklich mit ihm schlafen, noch bevor ich etwas mit einem Mädchen gehabt hatte? Eigentlich wünschte ich es mir – doch richtig sicher war ich mir noch immer nicht. Wieder dauerte es nicht lange, bis wir uns nackt und mit hoch aufgerichteten Lanzen gegenüber saßen. Ich ahnte, dass er jetzt alles von mir haben wollte… und auch ich wollte ihn endlich ganz für mich haben. Es hat nicht sollen sein. Seine Latte stand deutlich vom Körper ab, als er mit zwei Fingern das kühle Gleitgel in meinem Hintern verstrich, durchfuhr mich ein Schauer. Ich sah im zu, wie er ein Gummi über seinem Schwanz abrollte und auch darauf etwas Gel verteilte. Aber als er endlich in mich eindringen wollte, wollte es uns – trotz intensiver Bemühungen – nicht gelingen. Ich wiederum wäre mit meinen immer noch knapp 16 Jahren gar nicht auf die Idee gekommen, selbst aktiv zu werden. Immer wieder versuchte er, hinein zu kommen, ich spürte deutlich, wie seine Eichel bei mir anklopfte. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gab er auf; seine Erektion ließ nach, und man sah nur ein paar Tropfen glasklarer Flüssigkeit auf seiner Spitze. Er war enttäuscht, das merkte ich ihm an. „Beim nächsten Mal klappt´ s bestimmt“ flüsterte ich ihm zu und streichelte sein Gesicht. Jens schluckte nur und nickte. Ich ging nun fast täglich zu ihm – doch bis auf ein paar wilde Streichel- und Kussattacken hielten wir uns erstmal zurück. Meine Eltern wunderten sich zwar, ich erzählte ihnen was von ´bei den Hausaufgaben helfen` und so. Dass Jens und ich ein Paar sind, verschwieg ich ihnen jedoch.
Dann geriet ich in Streit mit ihm; wir waren zusammen in der Stadt unterwegs, und Jens versuchte immer wieder, meine Hand zu nehmen. Er hätte es sich so gewünscht, dass jeder sehen kann, wie lieb wir uns haben. Ich zog meine Hand aber immer zurück; nach dem –ich weiß nicht wievielten – Versuch schaute ich ihn böse an. „Lass das bitte!“ zischte ich ihn zu ihm herüber. Er gab daraufhin direkt die beleidigte Leberwurst und entfernte sich ein paar Schritte von mir. Zumindest für uns war es doch klar, dass wir zusammen sind – aber das brauchte nicht jeder wissen. Zurück im Büdchen donnerte er gleich los: „Was war das denn vorhin?“ „Das frage ich Dich!“ „Wenn Du nicht mehr mit mir zusammen sein willst, brauchst Du es nur zu sagen!“ keifte er. So ein Quatsch – natürlich wollte ich mit ihm zusammen sein, ich liebte ihn doch – aber ich war einfach noch nicht bereit, mich offen dazu zu bekennen. Er verstand es nicht. Ein Wort gab das Andere, und letztendlich lief ich hinaus und schlug die Türe hinter mir zu. `So ein Ar…` dachte ich nur. Ich lief nach Hause, warf mich in meinem Zimmer auf das Bett und heulte wie ein Schlosshund. Klasse, nun hatte ich beide verloren – Steffi und Jens. Ich fühlte mich so allein….
Meine Eltern waren nicht daheim; Paps musste noch arbeiten, und meine Mom war bei einer Nachbarin zum Kaffee eingeladen. Ziel- und planlos lief ich durch die leere Wohnung; Doch das alles befriedigte mich nicht – ich konnte mich einfach nicht beruhigen. Heute kann ich mich nicht mehr erinnern, warum ich es tat: ich ging an unsere Hausbar, und nahm die Flasche mit dem Cognac heraus. Mit zitternden Händen schüttete ich mir ein Glas ein – und kippte es auf ex hinunter. Schon besser! Noch ein Glas, diesmal nicht mehr in einem Zug – aber das hatte schon gereicht. Auf der Couch im Wohnzimmer schlief ich ein. Zuerst kam meine Mutter nach Hause – ich wurde wach, als ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Sch… – die Flasche steht ja noch auf dem Tisch! Doch es war schon zu spät – längst hatte meine Mom den Alkohol gerochen und die Cognac- Flasche entdeckt. Nun gibt’s ein Donnerwetter! dachte ich. Doch nein – sie setzte sich zu mir, und fragte nur: „Was ist los?“ Heulend erzählte ich ihr alles – außer, dass Jens und ich beinahe miteinander geschlafen hätten. Sie zog mich an sich, ganz fest, und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Papa erzählen wir wohl lieber nichts davon, oder?“ Ich schüttelte heftig den Kopf und lächelte sie dankbar an.
Als Paps heimkam, waren die „Spuren“ beseitigt – dafür hatte Mom gesorgt. Das Glas war gespült und stand wieder im Schrank – auch die Flasche war dorthin verschwunden, wo sie ursprünglich stand. Auf den Rat meiner Mutter hin putzte ich mir gründlich die Zähne, wusch mein Gesicht, und steckte schließlich noch ein Kaugummi in den Mund. Er erfuhr es nicht. Doch natürlich merkte auch er schnell, dass ich unglücklich war und es mir nicht wirklich gut ging; aber er sprach mich nicht darauf an. Hatte Mom es ihm doch erzählt? Mit Steffi traf ich mich noch ein paar Mal im Eiscafe um die Ecke, und wir quatschten. Doch wieder zu ihr zurück wollte ich nicht – und auch sie schien kein Interesse daran zu haben. Hatte sie was gemerkt? Bei einem unserer Treffen verriet sie sich dann doch: „Ich wusste es doch, dass Du mit Jens was hast!“ fauchte sie mich – wie aus heiterem Himmel – an. Ich zuckte zusammen – woher wusste sie das? Auch das verriet sie mir. Eine ihrer Freundinnen hatte Jens und mich gesehen, wie wir in seinem „Büdchen“ verschwanden, und Steffi diese Beobachtung auch prompt erzählt. Echt klasse! Weiber! Es war dann auch unser letztes Treffen – ich war so enttäuscht von ihr.
Im Club sah man mich nur noch einmal, denn als ich dort ankam (ohne Steffi und auch ohne Jens), erntete ich komische Blicke von der Seite, und niemand wollte so recht etwas mit mir zu tun haben. Alle um mich herum tuschelten; einzelne Gesprächsfetzen kamen auch bei mir an; besonders deutlich meinte ich aber das Wort „schwul“ gehört zu haben. Super – irgendjemand hatte es hier also auch erzählt! Das war zuviel – so schnell ich konnte, lief ich die Treppe hinauf und aus dem Gemeindehaus auf die Straße. Dort blieb ich stehen und sah mich um – niemand war mir gefolgt. Endlos traurig trottete ich nach Hause, und schloss mich in mein Zimmer ein. Weder meine Mutter noch mein Vater fragten an diesem Abend, warum. Nun ging ich nur noch hin und wieder sonntags zum Gottesdienst; damit mich möglichst keiner bemerkte, war ich immer einer der Letzten, bevor das Portal sich schloss, und saß in der hintersten Reihe. Dennoch hatte ich ständig das Gefühl, dass die Anderen aus der Gruppe mich anstarrten – nur unser Pfarrer lächelte mir freundlich zu. Nach dem Gottesdienst war ich dann schnell wieder verschwunden. Später traf man mich auch dort nicht mehr an – weder „Der da oben“ noch unser Pfarrer konnten mir helfen, da war ich mir sicher. Was soll ich also in der Kirche?? Wenn ich Jens gelegentlich mal sah, wendeten wir sofort die Blicke voneinander ab und gingen uns aus dem Weg.