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Der Schmied (© Aldebaran66)

Danke an Aldebaran66 dass ich in seinem Namen die Geschichte veröffentlichen darf:

© Aldebaran66
Dieser Text darf nur zum Eigengebrauch kopiert und nicht ohne die
schriftliche Einwilligung des Autors anderweitig veröffentlicht werden.
Zuwiderhandlungen ziehen strafrechtliche Verfolgung nach sich.

In eigener Sache:

Dies ist eigentlich die erste Geschichte, die ich je geschrieben habe.
Ich begann einfach damit und konnte nicht mehr damit aufhören. Jetzt
habe ich sie mal aus der Versenkung geholt, um sie hier einmal
vorzustellen. Ich bin kein Mensch dafür, meine Geschichten in einzelne
Teile zu zerhacken, von daher habe ich sie sofort ganz eingestellt.
Allerdings hab ich sie in mehrere Kapitel unterteilt, damit man sie
ähnlich, wie in mehreren Teilen lesen kann, wenn man möchte.

Der Anfang besteht aus 15000 Wörtern ohne dass etwas darin vorkommt, was
diese Seite ausmacht. Darum habe ich sie ein wenig umgeschrieben und so
angelegt, dass diejenigen die eher auf die saftigen Teile aus sind,
erst ab Kapitel 4 lesen sollten. Ab dort kann man genauso anfangen und
der Story folgen, ohne große Schwierigkeiten zu bekommen.

Ach ja, auch wenn die Geschichte in einer bestimmten Zeit spielt, sind
hier Elemente verbaut, die nichts mit der Zeit zu tun hat. Sie ist also
historisch gesehen nicht korrekt.

Ansonsten wünsche ich jedem Spaß damit, ob von Anfang an oder
mittendrin.

Aldebaran66

Kapitel 1

Meine Kindheit

Ich weiß nicht genau, wann ich geboren wurde, ich weiß auch nicht, wie
der Landstrich hieß, auf dem das Haus meiner Eltern stand. Ich weiß
nur, dass es schon eine ganze Weile her ist. Rückblickend eine Zeit,
von der ich nur noch wenige Erinnerungen habe.

Es muss irgendwann in einem Frühling im Jahre des Herrn 1000 gewesen
sein. So zumindest hatte man es mir später erzählt, es kann aber auch
etwas früher gewesen sein. Zumindest kam das Datum recht gut hin.

Ein neues Jahrtausend war angebrochen, was aber in den Augen der
einfachen Landbevölkerung keinerlei Bedeutung hatte. Zumeist bekamen
sie es auch gar nicht mit und spielte in ihrem anspruchslosen Leben
auch keine Rolle. Nur die Menschen in den Städten, die jeden Sonntag
zur Kirche gingen, wurden von den geistlichen darüber aufgeklärt. Diese
allerdings nutzte das Datum wiederum zu ihrem Vorteil. Sie sahen wie
immer alles mit dunklen Aussichten, riefen das neue Jahrtausend gar als
das Jahrtausend des Weltuntergangs aus. Eine Aussage, die genaugenommen
schon so oft getätigt worden war, dass es nur noch die Leichtgläubigen
beeindruckte. Jeder Ältere unter den Kirchgängern hatte nach diesen
Aussagen schon mehrere Weltuntergänge überlebt. Zu oft war die Drohung
über das bevorstehende Übel schon von der Kanzel gepredigt worden.

All dies bekam ich jedoch nicht mit. Wie schon gesagt, ich wurde auf dem
Lande geboren und war das vierte männliche Kind von insgesamt acht
Geschwistern. Oder anders gesagt, hatte ich zwei ältere Brüder, einen
jüngeren und vier Schwestern. Zumindest war es so, als ich geboren
wurde und hier sind nur die gezählt, die eine Zeit lang überlebten. Da
die Überlebensrate der Kinder nicht hoch war, war es üblich den Kindern
erst an ihrem ersten Geburtstag einen Namen zu geben.

So wurde ich an meinem ersten Geburtstag, oder zumindest um die Zeit,
Martin getauft. Den genauen Tag konnte keiner sagen, selbst das Jahr
ist nicht wirklich bestimmt. Frühling halt. Eine Zeit, die genau
genommen recht gut für die Geburt eines Kindes war. So war die Frau in
der Zeit der meisten Arbeit, wieder voll einsatzfähig.

Mein Geburtshaus, ein Bauernhof lag im nirgendwo, zumindest kam es einem
so vor. Fast nie verirrte sich jemand anderes in unsere Gegend und so
kam es einem vor, als wenn es nur die Menschen gab, die den Hof
bewirtschafteten.

Dies waren neben Vater, Mutter und uns Kindern, noch zwei Knechte und
zwei Mägde. Eine Gemeinschaft, die sich zusammengefunden hatte, um zu
überleben, denn um nichts anders ging es in dieser Zeit, denn diese
waren schlecht. Schon seit Jahren hatte sich das Wetter zum Schlechten
verändert. Es war kälter und feuchter geworden und jedes Jahr musste man um die Ernte fürchten. Gerade die Winter wurden immer länger und so
säte man erst spät, um früher zu ernten. Kam der nächste Winter zu
früh, wurde die Sache bedrohlich.

Von all dem bekam ich die ersten Jahre meines Lebens nicht viel mit. Uns
als Bauern ging es noch relativ gut, da wir als Selbstversorger als
Erstes Zugriff auf die Ernte hatten. In den Städten sah es schon ganz
anders aus. War die Ernte schlecht, hungerten zuerst die Städter.

Wir Kinder wurden uns in den ersten Jahren selbst überlassen, wir
erwirtschafteten nicht und standen damit in der Hierarchie an unterster
Stelle. Wer nicht arbeitete, bekam nur, was übrig blieb.

An oberster Stelle stand natürlich mein Vater, der sich aber um uns
Kinder nicht kümmerte. Wir waren solange wir noch klein waren eher
Ballast in seinen Augen, von daher widmete er sich uns auch nicht. Von
daher blieb er immer ein Fremder für mich und ich kann heute kaum noch
sagen, wie er eigentlich aussah. Er war fast nie da, kümmerte sich um
alles, was anfiel, ob es um die Bestellung der Felder ging oder um die
Viehwirtschaft. War im Winter nichts auf den Feldern zu tun, kümmerte
er sich um alles, was im Winter kaputt gegangen war oder ersetzt werden
musste. Es war auch die Zeit in der mit einem Fuhrwerk öfter für ein
paar Tage wegfuhren, um Geschäfte zu tätigen. Was wir nicht verbrauchten,
wurde zu Geld gemacht, was er allerdings fast alles wieder ausgeben
musste.

Einige Dinge des Lebens konnten wir nicht selber herstellen und musste
erworben werden. Trotzdem blieb doch immer wieder etwas von dem Geld
übrig und wurde irgendwo versteckt. Vater achtete sehr darauf, dass
außer ihm niemand wusste, wo es blieb und selbst meine Mutter kannte
das Versteck nicht.

Mutter war eine ebenso beschäftige Frau und eigentlich war sie immer
schwanger. Doch nicht jedes meiner Geschwister überlebte das erste
Jahr. Besonders als Mutter älter wurde, häuften sich die Fehlgeburten
und hinter unserem Haus standen später mehrere kleine Holzkreuze
zwischen denen unserer Vorfahren.

Nun hätte man meinen können, dass Mutter an zweiter Stelle der
Hierarchie stand, aber das war nicht so. Diesen Platz nahmen unsere
Knechte ein. Zwei eher Grobschlächtige, wenig bis gar nicht gebildete
Männer im besten Alter die über den Erhalt von Kost und Logis etwas
Geld dazubekamen.

Mutter kam an dritter Stelle, danach unsere beiden Mägde, die sich um
alles weitere im Haushalt kümmerten. Sie waren für das Vieh in den
Ställen verantwortlich und die arbeiten im Haus. Vater und die Knechte
waren eigentlich immer draußen. Vom frühen Frühling bis späten Herbst
auf den Feldern. Im Winter im Wald. Sie rodeten jeden Winter einen
weiteren Teil des Waldes, um mehr Fläche für den Ackerbau zu gewinnen.

Erst nach den Mägden kamen wir Kinder dem Alter nach. In genau dieser
Reihenfolge nur umgekehrt wären wir verhungert. Das war kein Gesetz,
sondern eine Überlebensstrategie.

Das Leben an sich war einfach. Wie schon gesagt, wir Kinder waren uns
regelrecht selbst überlassen, bis wir in ein Alter kamen, in dem wir
anfingen mitzuarbeiten. Wir Jungen lernten, soweit es unser Alter
zuließ vom Vater, die Töchter von der Mutter. Eine weitere Ausbildung
bekam ich nicht. Es war vorbestimmt, dass mein ältester Bruder den Hof
erben würde. Er bekam von Vater mehr beigebracht. Er war es auch, der
später mit Vater in den weit entfernten Ort fuhr, um alles über
Geschäfte zu lernen. Die anderen Kinder wurden nicht mitgenommen. Für
uns gab es den Hof und nichts als den Hof. Ab einem bestimmten Alter
wurde mit dem Sonnenaufgang aufgestanden, mit dem Untergang macht man
sich für die Nacht fertig. Kerzen waren viel zu teuer und so beendete
die Dunkelheit auch die Tätigkeiten von Mutter und den Mägden.

Im Winter war ehedem nicht viel zu tun. Mutter und die Mägde saßen
hauptsächlich in der riesigen Küche und saßen an den Spinnrädern oder
dem Webstuhl. Das Klappern und Surren der Spindeln und des Webstuhls
kann ich heute noch in meinen Ohren hören. Sie saßen hier, da es der
einzige wirklich warme Ort im Haus war. Der Ofen lief die ganze Zeit,
um darin zu backen oder kochen. Diese Wärme strahlte in den Raum ab.
Wenn wir Kinder noch klein waren, spielten wir hier mit allem, was es
gab.

Es gab nicht viel. Das wenige Spielzeug, das wir hatten, bildete schon
jetzt ab, was aus uns einmal werden sollte. Dieses Spielzeug war
natürlich nicht gekauft, dafür gab es kein Geld und ich weiß auch
nicht, ob man es überhaupt kaufen konnte. Das war wir hatten war von
Veit, einem der beiden Knechte geschnitzt worden. Wenn es draußen
überhaupt nicht mehr ging zu arbeiten, wenn zum Beispiel ein
Schneesturm über das Haus fegte und es sonst nichts zu tun gab. Setzte
sich Veit manchmal zu uns Kindern in die Küche und begann etwas für uns
zu schnitzen. Wir jungen bekamen immer ein Tier geschenkt. Entweder
eine Kuh, ein Pferd oder etwas, was wenigstens so ähnlich aussah. Für
die Mädchen schnitzte er Puppenköpfe, aus denen meine Schwestern dann
aus Stoffresten oder anderem ganze Puppen machten.

Veit war ein Baum von einem Mann. Sehr ruhig und zu uns Kindern immer
sehr freundlich. Ganz im Gegensatz zu Mathes, dem zweiten Knecht. Er
war Hitzkopf, mit nichts zufrieden und konnte mit uns Kindern nichts
anfangen. Aber das musste er auch nicht. Er kam eigentlich nur ins
Haupthaus, wenn der Lohn ausgezahlt wurde. Sonst verbrachte er seine
wenige freie Zeit in der Baracke für die Knechte. Wir Kinder mochten
ihn nicht, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit.

So vergingen die Jahre und ich wuchs langsam heran. Mein Pech war nur,
dass mein Körper nicht so wollte, wie er eigentlich sollte. Er blieb
schwächlich, während meine Brüder zu Kerlen heranwuchsen, die genau das
war, was Vater brauchte. Selbst mein jüngerer Bruder, der zwei Jahre
nach mir geboren wurde überholte mich schon bald in Kraft und Größe.

Meinen Brüdern blieb dies natürlich nicht verborgen und sie begannen
mich, schon bald zu hänseln. Sie meinten, dass ich wie ein Mädchen
aussehen würde und auch so arbeitete. Ging ich mit ihnen in den Wald
Bäume fällen, waren sie es, die die dicksten Bäume aussuchten und in
wenigen Stunden umhauten. Ich bekam nur ein Beil in die Hand gedrückt,
um die Äste und Borke von den Stämmen zu entfernen.

Meine Brüder lachten dann immer über mich und neckten mich, wo es nur
ging. Nicht selten stellten sie mir ein Bein oder mir fiel zufällig
etwas auf den Kopf. Selbst beim Essen machten sie weiter. Wir bekamen
immer etwas mit, damit wir nicht dafür zurücklaufen mussten. Dies wurde
natürlich von dem Ältesten verteilt. Ich bekam natürlich immer den
geringsten Anteil ab, wenn überhaupt. Es kam auch vor, dass einer von
ihnen es mir wegnahm und mit einem Grinsen verschlang. Dieser meinte
dann, dass mein schmaler Körper sowieso nichts bräuchte.

Anfänglich hatte ich noch versucht, mich zu verteidigen, aber das endete
mit einem blauen Auge und gleichfarbigen Flecken am ganzen Körper. Sehr
schmerzhaft und ich schwor mir schon zu dieser Zeit, dass ich nur so
lange bleiben würde, bis ich alt genug wäre, den Hof hinter mich zu
lassen. Doch bis dahin war es noch ein langer Weg. Dachte ich
zumindest.

Ob es an dem wenigen Essen lag oder an meinem Körper selber kann ich
nicht sagen, ich wuchs zwar noch, aber blieb schmächtig, soll heißen
dünn und schwach. Sahen meine beiden älteren Brüder mit sechzehn Jahren
schon wie Männer aus, hatte ich im gleichen Alter noch nichts davon.
Selbst zwei Jahre später hatte sich noch nicht viel mehr verändert.
Selbst mein Bartwuchs war kümmerlich. Nur ein kaum wahrzunehmender
Flaum wuchs an meinem Kinn.

Diese beiden Jahre wurden dann eine wirkliche Tortur für mich. Wäre zu
der Zeit nicht Veit da gewesen, ich weiß nicht, ob ich es überlebt
hätte. Aus irgendeinem Grund war er es, der mich vor alt zu großem
Schaden bewahrte. Mutter konnte und wollte nichts gegen die Drangsal
meiner Brüder tun. Wenn Vater es überhaupt bemerkte, dann war es ihm
egal. Der Stärkste sollte überleben und ich würde nicht derjenige sein.

Veit dagegen war als erster Knecht auf dem Hof, selbst für meine Brüder
nicht zu überwinden. Sein Wort war selbst für sie Gesetz und wurde nur
durch das Wort meines Vaters gebrochen.

Ich weiß nicht, ob es Mitleid gegenüber mir gewesen war, oder Veit sah
in mir etwas anderes als in meinen Brüdern. Er nahm mich sozusagen
unter seine Fittiche, konnte aber nicht immer auf mich aufpassen. Er
brachte mir alles bei, was ich wissen musste und ich hatte so manches
Mal den Eindruck, dass er mehr wusste als Vater. Bevor Vater mit meinem
ältesten Bruder in den Ort fuhr, um Geschäfte zu tätigen, war Veit
mitgefahren. Er war es eigentlich, der zu der Zeit Vater beibrachte,
wie man handelte, wie man sich und seine Wahre auf dem Markt verkaufte.
Veit konnte sogar rechnen und schreiben, was nur die wenigsten
beherrschten.

So kam es, dass er mich oft mitnahm, wenn er die Felder bestellte oder
andere Tätigkeiten verrichtete. Diese Zeit war dann die glücklichste in
meinem bisherigen Leben, an die ich mich erinnern kann. In den Pausen,
die wir machten, brachte er mir das Rechnen und Schreiben bei, wobei
mir das Rechnen mehr gefiel. Er meinte, dass wenn ich schon körperlich
nicht mithalten konnte, doch wenigstens geistig überlegen sein sollte.
Gut, es brachte mir in diesen Zeiten wenig, da in meiner Situation die
Faust immer noch mehr bedeutete als die Feder. Aber Veit meinte, dass
es nicht schaden könnte. Vielleicht würde es mir einmal helfen.

Heute weiß ich, dass ich Veit viel zu verdanken habe. Leider konnte ich
ihm niemals dafür danken.

Dann kam der Tag, der alles veränderte. Dieser fing eigentlich ganz
normal an.

Es war im frühen Herbst des Jahres 1016. Die Ernte war noch schlechter
gewesen, als sie Jahre zuvor. Das Wetter hatte uns vollkommen in Stich
gelassen. Zuerst wollte der Winter nicht enden, selbst im späten April,
fror es noch einmal und ein leichter Schneefall blieb liegen. Die schon
vorbereitete Aussaat konnte nicht erfolgen und so kam erst Mitte Mai
die Saat unter die Erde. Diese verfaulte aber fast ganz, denn nach der
Kälte kam der Regen. Das Wasser stand auf den Feldern und konnte nicht
in dem gesättigten Boden versickern.

Die Feldfrüchte die es trotzdem schafften zu keimen und wachsen, blieben
unter der erwarteten Größe und wurden nur sehr langsam reif. Die
Erträge waren dementsprechend gering, kaum größer als das Saatgut, was
man mühevoll unter die Erde gebracht hatte.

Hunger war vorprogrammiert und das Selbst bei uns. Im späten Herbst war
unser Vorratsspeicher nicht einmal halb voll, bedeutete also nur die
Hälfte der Menge, die wir für uns benötigten. Doch in unserer Not ging
es uns noch relativ gut. Menschen ohne ein Stückchen Land, hatte es
weitaus schlechter getroffen. Die Preise auf den Märkten explodierten.
Eigentlich hatte keiner mehr etwa abzugeben und das, was noch da war,
war mehr als schlechter Qualität.

Der Hunger hielt Einzug, gefolgt von Krankheiten, die sich über die
geschwächten Körper der Menschen hermachten.

In dieser Zeit war sich jeder der Nächste. Menschen wurden für einen
Leib Brot getötet, wer essen konnte, der überlebte.

Was sollten die Menschen tun. Einige schlossen sich zu Banden zusammen,
waren dazu bereit alles dafür zu tun, um nicht zu verhungern. Andere
schlossen sich den Heeren an die in den Krieg zogen. Sie verdingten
sich als Söldner, lebten von dem, was sie erbeuteten. Gab es gerade
kein Scharmützel an dem sie sich beteiligen konnten, fielen diese
Gruppen ebenfalls über das Land her um sich das zu nehmen, was ihnen
nicht freiwillig gegeben wurde.

Gerade eine dieser Gruppen Landsknechte durchzog die Wälder um unseren
Hof. Irgendwann stießen sie auf den Feldweg, der zu uns führte. Sie
waren etwa zwanzig die mit Keulen, Beilen und Äxten bewaffnet auf
unseren Hof zukamen.

Es war am frühen Abend, einem der wenigen, an dem es einmal nicht
regnete. Veit und ich kamen gerade von einem Rundgang zurück, um
nachzusehen, ob es nicht doch noch auf den Feldern etwas zu retten gab.

Veit sah sie als Erstes und wusste, was die Stunde geschlagen hatte.
Fast ansatzlos rannte er parallel zu den Männern in Richtung Hof und
ich hinter ihm her, konnte ihm aber schon nach wenigen Hundert Metern
nicht mehr folgen. Nur noch im leichten Trab und keuchend vor
Anstrengung blieb ich weit zurück und konnte nur noch sehen, wie Veit
zwischen den Bäumen verschwand.

Die Männer auf dem Feldweg hatten die Bewegung neben ihnen bemerkt und
setzten ihren Weg ebenfalls fort, aber schneller als zuvor. Sie rannten
nicht richtig, etwas langsamer, eben einen Schritt, der sie am Ende des
Laufs noch dazu befähigte, sofort kampfbereit zu sein.

Auch diesem, von ihnen gewohnten Schritt konnte ich nicht folgen und
auch sie verschwanden hinter einer Biegung aus meinem Sichtfeld.

Es war nicht mehr weit, schon hinter der übernächsten Biegung würde man
den Hof sehen können. Dann war es zwar noch ein kleiner Weg über die
Felder bis dorthin, aber bei der Geschwindigkeit sicher innerhalb
kürzester Zeit zu meistern.

Eine viertel Stunde später stand ich am Rand des Waldes und ich konnte
nicht glauben, was ich sah. Vater, Veit, Mathes und meine Brüder
standen so auf dem Vorplatz, dass sie mit dem Rücken zur Hauswand
standen. Die Landsknechte in einem mehr oder weniger geschlossenen
Halbbogen darum.

Die Soldaten riefen immer wieder etwas, was ich aber aus dieser
Entfernung nicht verstehen konnte. Aber das es keine freundlichen Worte
waren, konnte man trotzdem heraushören.

Drohend hoben sie immer wieder ihre Waffen, wobei ich jetzt erkennen
konnte, dass auch Vater und die anderen etwas in den Händen hielten.
Veit hielt eine Forke stoßbereit vor sich, meine Brüder waren ebenfalls
mit Beilen bewaffnet. Mathes hatte sich einen Dreschflegel geschnappt,
wobei das lose Holz am Ende bereits bedrohlich kreiste.

So gesehen war es ein absolutes Missverhältnis. Sechs gegen gut zwanzig.
Der einzige Ausgleich bildete die körperliche Überlegenheit von Vater
und den anderen. An Kraft waren sie den recht schmal wirkenden Soldaten
um einiges überlegen.

Ich war immer noch vollkommen aus der Puste, aber auch wenn ich es nicht
gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, was ich tun sollte. Ich stand
alleine im Rücken der Soldaten und hätte mir höchstens einen Knüppel
besorgen können. Aber ungeübt, wie ich war, hätten die Soldaten mich
wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen. Und wenn doch, sicher nicht
als Gegner.

Die Lautstärke und Bedrohlichkeit der gewechselten Worte wuchs an,
Fäuste wurden in die Richtung der anderen geschüttelt.

Auch wenn ich es nicht glauben wollte, es musste zum Kampf kommen, es
gab gar keine andere Möglichkeit mehr. Dies begann, als einer der
Soldaten, auf einmal vorstürmte. Vielleicht hatte er sich einfach nicht
mehr zurückhalten können, war in der Hitze der Spannung unvorsichtig
geworden.

Mit einem Schrei, den ich bis zu mir hörte, stürmte er los, kam bis auf
zwei Schritte an die Gruppe um Vater heran, um dann seinen nächsten
auszustoßen. Dieser war aber von dem Schmerz gezeichnet, den der
fühlte, als Veit ihm die Mistgabel direkt in den Bauch rammte und ihn
dann mit unheimlicher Kraft in die Höhe hob. Zappeln hing er in der
Luft und sein Schrei endete abrupt, als der Dreschflegel von Mathes
seinen Schädel traf und diesen zertrümmerte.

Es herrschte für einen winzigen Moment Stille. Während die Forke von
Veit wieder gesenkt wurde und der tote Körper von den Zinken rutschte
und auf das Steinpflaster vor dem Haus aufschlug.

Doch kaum kam der Körper zur Ruhe, brüllten die Soldaten auf und gingen
jetzt gemeinsam vor. Ihr halber Ring schloss sich immer mehr und da sie
kampferprobte Männer waren die zu allem entschlossen schienen wurde es
jetzt für die Sechs fast aussichtslos. Trotz der immer größeren Enge
schafften sie es der Forke und dem Dreschflegel geschickt auszuweichen,
auch wenn einer von ihnen noch von dem Dreschflegel an der Schulter
erwischt wurde. Er vor Schmerz auf, denn sein Schlüsselbein wurde
sofort gebrochen. Aber das war dann gleichzeitig für sie das Signal,
anzugreifen.

Vater und die anderen wehrten sich tapfer und so manch einem der
Soldaten wurden schwere Wunden zugefügt, drei sanken zu Boden und
hauchten dort ihre Leben aus. Doch die Übrigen schafften dann, was sie
von Anfang an gewollt hatten. Als einer meiner Brüder als Erstes zu
Boden ging, war der Bann gebrochen. Es dauerte nur noch wenige Minuten,
bis nur noch Vater und Veit, Rücken an Rücken dort standen und von dem
Rest der Soldaten bedrängt wurden.

Aber sie konnten nicht mehr gewinnen, obwohl sie noch einen kleinen
Aufschub bekamen, als Mutter und die Mägde auf einmal aus dem Haus
gestürmt kamen und mit dem Mut der Verzweiflung und langen Messern
versuchten, den Männern Schaden zuzufügen. Dieses kurze Aufglimmen von
Hoffnung versank sofort wieder, denn die Soldaten musste sich nicht
sonderlich anstrengen, diese Bedrohung abzuwehren. Die beiden Mägde
bekamen jeweils einen kräftigen Schlag auf den Kopf, Mutter sank
tödlich von einer Axt getroffen zu Boden.

Ich schrie auf, genauso Vater. Er sah seine Frau sterben und verließ aus
blinder Wut seine noch einigermaßen geschützte Position. Wie ein
Berserker schwang er seine Axt, traf damit den Arm eines Soldaten.
Dieser blieb auf einmal stehen und konnte nicht glauben, dass sein Arm
neben ihm lag. Daher nahm nicht wahr, wie ihn der zweite Hieb den
Schädel spaltete.

Aber genau in diesem Moment war Vater unvorsichtig geworden, seine Wut
und Verzweiflung hatte ihn blind werden lassen. Schon seine nächste
Bewegung blieb im Ansatz stecken, als die Klinge eines Beils seine
Wirbelsäule durchschnitt. Seine Beine knickten unter ihm weg, und
während seine Axt von ihm weg flog, fiel er auf seinen Bauch und blieb
regungslos liegen.

Veit kämpfte noch weiter, obwohl auf verlorenem Posten. Sein
Kampfbrüllen erschallte über die Felder und die restlichen Soldaten
töteten ihn langsam und grausam. Immer wieder brachten sie ihm neue
Wunden bei, bis er immer schwächer wurde. Seine Arme waren zum Schluss
so schwer geworden, dass er nicht einmal mehr die Mistgabel halten
konnte. Sei fiel zu Boden und ich konnte das klappernde Geräusch hören,
als der hölzerne Stiel auf den Steinen aufschlug. Dann sank er in die
Knie, senkte den Kopf und ergab sich in sein Schicksal. Dies kam in
Form einer Axt, die seinen Kopf von seinem Körper trennte. Beides fiel
zur Seite weg und blieb auf dem Pflaster liegen.

Was dann folgte, will ich hier nicht weiter erwähnen. Ich saß nur noch
an einen Baum gelehnt, da und hörte später und in der Nacht die
gellenden Schreie der Mägde und meiner Schwestern. Diese endete am
frühen Morgen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, trotzdem wurde es
auf einmal heller. Ich war in einen Halbschlaf verfallen und hatte
vollkommen verweinte Augen, als ich in Richtung Hof sah. Die übrig
gebliebenen Landsknechte hatten jeweils zwei Ochsen vor zwei Wagen
gespannt auf dem sich alles türmte, was für sie von Wert war. Auf dem
einen diverse Dinge aus dem Haus, auf dem anderen unsere Wintervorräte.
Anderes Vieh aus dem Stall hatten sie an die Wagen gebunden oder in
Teilen auf dem Wagen verladen.

Der helle Schein, der sich breitmachte, kam von einigen Fackeln, die sie
an das Strohdach des Hofes hielten, welches sofort Feuer fing und
bereits nach wenigen Minuten, fast vollkommen in Flammen stand.

In dem Schein des Feuers zogen sie dann ab und nur wenig später war ich
alleine. Obwohl die Gefahr vorüber war, blieb ich noch wie gelähmt
sitzen. Ich konnte immer noch nicht fassen, was passiert war. Innerhalb
eines Tages war meine ganze Existenz zerstört worden. Ich war alleine,
denn ich wusste innerlich, dass dort auf dem Hof niemand mehr sein
würde, der sich um mich kümmerte.

Das Feuer war fast heruntergebrannt, als ich mich doch mit wackeligen
Beinen und gesenktem Kopf aufmachte, um zu sehen, was ich noch tun
konnte. Irgendetwas Brauchbares musste noch vorhanden sein.

Schon wenig später stand ich auf dem Vorhof und spürte das harte
Steinpflaster unter meinen Füßen. Die Toten lagen noch vor den
Überresten des Hauses, welches fast nur noch aus wenigen, schwelenden
Balken bestand. Nur der gemauerte Ofen war noch weitgehend intakt,
obwohl der Schornstein in Mitleidenschaft gezogen worden war, denn er
stand nur noch zur Hälfte da. Doch der übrig gebliebene Stumpf sah so
aus, als wenn ein mahnender Finger gen Himmel zeigte.

Im Haus selber war alles zu Asche verbrannt, trotzdem wollte ich nicht
hingehen, den ich befürchtete auf die Überreste meiner Schwestern und
der Mägde zu stoßen. Ich hatte keine, seit dem Abend mehr gesehen.

Hier gab es nicht mehr viel zu holen. Entweder war es verbrannt, oder
nicht mehr zu gebrauchen. Nur eine Schaufel steckte noch mahnend im
Boden, denn Mutter wollte noch das letzte Gemüse vom Acker holen und
Vater hatte sie schon für sie dort hingestellt.

Jetzt diente sie mir dazu, die Toten zu begraben. Die Soldaten hatten
ihre eigenen Opfer mitgenommen. Wahrscheinlich, damit niemand
nachvollziehen konnte, wer sie gewesen waren. Ihre Bekleidung hätte sie
vielleicht verraten.

Als Nächstes ging ich noch einmal zu Vater und den anderen, die noch
immer so dalagen, wie sie gefallen waren. Die Soldaten hatten sich
nicht mehr um sie gekümmert und waren dem Brandschatzen nachgegangen.

In dem Moment, als ich an Vater vorbeiging, hörte ich auf einmal eine
leise, fast nicht zu hörende Stimme. Ich konnte sie kaum hören und
dachte zuerst, ich hätte mich verhört. Doch dann vernahm ich sie noch
einmal uns sah zu Boden.

Vaters Kopf war zur Seite gedreht und ich konnte seine verschmutzen
Lippen sehen, die sich zuckend bewegten.

Sofort ging ich in die Knie und drehte ihn auf den Rücken, wobei ein
mehr als gequältes Stöhnen über seine Lippen kam. Ich ging vor ihn in
die Knie und hob seinen Kopf auf meine Schenkel. Wieder ertönte das
Geräusch und sein Gesicht verzog sich schmerzhaft.

Dann fixierten seine verschleierten Augen meine und er öffnete mit sehr
viel Anstrengung erneut seinen Mund.

Junge! , sagte er und ich meinte trotz seiner Lage ein lächlen zu
sehen, du bist entkommen. Dafür danke ich dem Herrn. Geh von hier
fort. Du kannst nicht hier bleiben. Wohin kann ich dir nicht raten,
aber geh weit weg, hier wirst du nicht lange überleben. Ich werde dich
nicht begleiten können, aber ich möchte, dass du mir jetzt genau
zuhörst.

Im Wald, Richtung Osten, gibt es im Sumpf einen einzelnen, abgestorbenen
Baum. Gehe dort hin und grabe an seiner Südseite. Dort findest du, was
ich erspart habe. Ich kann es nicht mehr gebrauchen. Nimm es und komme
nicht wieder!

Schon die letzten Worte kamen fast nur noch gehaucht, dann merkte ich
auf einmal, sie die Kraft verschwand, die seinen Kopf noch etwas
gehalten hatte und seine Augen brachen. Ein letztes mal stieg sein Atem
aus der Lunge, dann lag er still.

Ich konnte nicht mehr anders. Alles, was ich bis jetzt zurückgehalten
hatte, brach aus mir heraus. Ich schrie den Himmel an und brach dann
über dem toten Körper meines Vaters zusammen.

Als ich wieder zu mir kam, erledigte ich, was getan werden musste. Das
war ich den Toten schuldig. Ich nahm die Schaufel und grub den
restlichen Tag und die ganze Nacht, bis ich nicht mehr konnte. Dann zog
ich die toten Körper zu dem großen Loch und legte einen nach dem
anderen hinein. Leider war das Loch nicht groß genug, aber ich konnte
einfach kein größeres mehr graben. Also legte ich meine Brüder und
Mathes übereinander. Vater, Mutter und Veit lagen dicht aneinander. Die
Erde, die ich so mühsam ausgeschaufelt hatte, kam jetzt zurück, und als
die Sonne aufging, dieses Mal ohne Wolken, war es das Gesicht von Veit,
was als Letztes von der Erde bedeckt wurde.

Wäre doch wenigstens er noch da gewesen.

Zum Schluss fand ich noch zwei Hölzer, die ich mit einem ebenfalls
gefundenen Stück Schnur zusammenband. Das daraus gefertigte Kreuz
zeigte an, dass hier jemand begraben war.

Minutenlang stand ich mit gesenktem Kopf da und wollte keinen weiteren
Schritt machen. Am liebsten wäre ich auf ewig hier stehen geblieben,
aber das war nicht möglich. Also nahm ich die Schaufel, warf sie in
einen Busch und lenkte meine Schritte Richtung Osten.

Als ich Vaters Versteck aushob, kam eine kleine Kiste zum Vorscheinen
die recht schwer war. Der Deckel ließ sich einfach öffnen, denn er war
nicht verschlossen. Darin waren mehr Münzen, als ich jemals in meinem
Leben gesehen hatte. Ich rechnete alles zusammen, konnte aber mit der
Zahl nichts anfangen, da ich nicht wusste, welchen Preis etwas hatte.
Das hatte mir Veit nicht erzählt. Trotzdem wusste ich instinktiv, dass
es sehr viel Geld sein musste. Ich nahm aber nur einige, wenige
verschiedene Münzen heraus und vergrub den Rest wieder. Ich wollte
nicht so viel Geld bei mir haben. Es würde nur Begehrlichkeiten wecken
und mein Leben gefährden. Also vergrub ich den Rest wieder. Ich konnte
ja später zurückkommen und den Rest holen.

Vater hatte mir gesagt, dass ich weit weggehen sollte. Aber wohin? Außer
dem Hof und die Felder kannte ich nichts, hatte noch nicht einmal das
Dorf gesehen, wohin Vater ab und zu fuhr und selbst das, wusste ich
nicht, wo es lag. Auf dem Weg wollte ich auch nicht laufen, da ich
befürchtete, dass die Soldaten noch nicht weit genug weg waren. Ich
wollte nicht noch einmal auf sie treffen.

Ich hatte einmal davon gehört, dass es im Süden wärmer sein sollte.
Hinter einer breiten Bergkette sollte ein Land liegen, wo es den
Menschen besser ging als hier.

Da ich es nicht anders wusste und es gerade Mittag war, setzte ich meine
Füße in die Richtung der Sonne in Bewegung und schon nach ein paar
Hundert Schritten, war ich auf unbekanntem Boden.

Als ich mich auf einer Lichtung noch einmal umdrehte, sah ich nur noch
ein wenig weißen Rauch über die Wipfel der Bäume steigen. Dann verließ
ich endgültig meine Heimat, meine Jugend und mein altes Leben.

Kapitel 2

Der Köhler

Wälder, soweit das Auge auch reichte nur unterbrochen durch Sümpfe, die
man zumindest in der Nacht umgehen musste. Doch selbst am Tag war es
besser, einen Bogen darum zu machen. Das Auge konnte getäuscht werden,
denn so manche grüne Fläche war nur von Torfmoos bewachsen und machte
einen friedlichen Eindruck. Doch darunter lag der tot. Zäher, klebriger
Schlamm ließ einen einsinken, und wenn man sich dagegen wehrte, sank
man noch tiefer hinein. Man starb nicht an Ertrinken, man starb an
Erschöpfung. Zu dieser Zeit war die Feuchtigkeit darunter kalt und der
Körper kühlte schnell aus. Kam einem Niemand zur Hilfe, war das Ende
nicht fern.

Schrie man verzweifelt, konnte man nur darauf hoffen, dass der, der kam,
einem auch helfen wollte. Doch es kam genauso oft vor, dass dieser
andere Ziele verfolgte. Jetzt starb man nicht nur, sondern wurde
manchmal schon davor oder oftmals danach ausgeraubt. Es gab Menschen,
die nur darauf warteten, dass man im kühlen Morast verreckte. Danach
warf man eine Schlinge über den leblosen Körper und zog ihn heraus.
Dann nahm man ihm alles, was er hatte, wirklich alles, denn die Zeit
war hart. Den nackten Körper warf man zurück in das Moor oder ließ ihn
einfach liegen, damit die Tiere des Waldes den Rest besorgten.

Ich hielt mich von den Straßen fern. Wenn ich auch wenig Geld bei mir
hatte, es hätte fielen Menschen gereicht mir für dieses die Kehle
durchzuschneiden. Stattdessen lief ich durch die Wälder, immer auf der
Hut und so leise wie möglich. Genug zwielichtiges Gesinde durchzog die
Einöde auf der Suche nach Nahrung.

Jetzt im Sommer, der sich inzwischen dem Ende zu neigte, bestand meine
Hauptnahrung aus Pilzen, die jetzt vermehrt aus dem Boden kamen. Veit
hatte mir beigebracht, welche genießbar waren, alle anderen ließ ich zu
meinem Bedauern stehen.

Ab und zu fand ich auch noch einige wilde Beeren, die ich wie die Pilze
roh verzehren konnte. Feuer wollte ich nicht machen, zu schnell hätte
man mich oder meinen Standort erkennen können.

Veit hatte mir auch beigebracht, wie man Fallen stellte und ich
versuchte es immer wieder, aber ich hatte keine Zeit dafür, von daher
fing ich nie etwas. Ich wollte möglichst schnell und weit nach Süden,
über die hohen Berge die man mir beschrieben hatte, denn der nächste
Winter kam bestimmt. Berge, ein Wort, was ich kannte, aber eigentlich
nicht wusste, was es war. Man hatte mir erklärt, dass eine Art Hügel
wäre, nur wesentlich höher. Vorstellen konnte ich es mir nicht. Vor
allem nicht, da diese aus Stein sein sollten. Bei uns in der Gegend gab
es auch einen Hügel, aber der war aus Erde. Man erzählte sich, dass
dort längst verstorbene Menschen begraben wären und in bestimmten
Nächten kämen deren Geister heraus, um auf dem Hügel zu feiern. Als ich
Kind war, konnt man mich damit wirklich erschrecken.

Am zehnten Tag meiner Wanderschaft war ich bereits sehr ausgezehrt und
kam nur noch langsam voran. Die rein wenige, pflanzliche Nahrung
enthielt wenige Nährstoffe und mein Körper hatte nur geringe Reserven.
Menschen hatte ich die ganze Zeit nicht ein einziges Mal gesehen. Nur
einmal meinte ich in einiger Entfernung, Stimmen zu hören. Aber sicher
war ich mir nicht. Ich machte einen Bogen darum.

Dann traf ich auf einmal auf einen Trampelpfad. Kaum zu erkennen, aber
er war da. Außerdem roch ich verbranntes Holz. Irgendwo in der Nähe
mussten also Menschen sein. Ich suchte mir einen Baum, den ich
jederzeit wiederfinden würde, und vergrub den größten Teil des Geldes,
welches ich bei mir hatte. Nur drei Münzen behielt ich. Eine große,
wertvoll aussehende und Zwei kleinere, von denen ich eine ganze Anzahl
dabei hatte. Erst dann folgte ich dem Pfad und dem Geruch, der immer
intensiver wurde.

Wenig später trat ich auf eine Lichtung, in deren Mitte ein kleines,
windschiefes Häuschen stand. Es war schon etwas älter, wurde aber,
soweit ich das beurteilen konnte, immer wieder ausgebessert. Die
verschiedenen Farben der Schindeln verrieten dies sehr gut. Link und
rechts vor dem Haus waren zwei halbkugelförmige Aufschüttungen
errichtet worden, aus denen der Qualm stieg, den ich schon zuvor
gerochen hatte. Dazu war an der einen Seite des Hauses eine weit
überstehende Überdachung gebaut worden, unter der jede Menge Holz
aufgestapelt war, dessen länge und dicke immer etwa gleich war.

Veit hatte mit erzählt das in den Wäldern Köhler zuhause waren. Zumeist
einsame, wenig umgängliche Menschen, denen man nachsagte, dass sie mit
dunklen Mächten in Verbindung standen. Nicht umsonst waren sie im
dunklen Wald. Veit meinte dazu aber lachend, dass sie nicht wegen der
dunkeln Mächte im Wald waren, sondern wegen der Bäume. In der Stadt
hätten sie wohl kaum ihrem Gewerbe nachgehen können.

Trotzdem hatte er gemeint, dass Menschen, die lange alleine im Wald
lebten, sicher seltsam wurden oder es schon immer waren. Wer wollte
sonst freiwillig dort hausen.

Ich blieb einen Moment stehen und betrachtete die ganze Sache und
überlegte mir, ob ich nicht auch dieses Mal einen großen Bogen darum
herummachen sollte. Aber mein Innerstes entschied sich dagegen, denn
ich fühlte mich einsam und wollte endlich mal wieder die Stimme eines
Menschen hören.

Gerade als ich auf das Haus zugehen wollte, ging die Tür auf. Ein vom
Alter gebeugter Mann mit einem gewaltigen Bart trat aus der Tür und
ging ohne Eile zu einem der beiden Holzkohlemeiler. Hier prüfte er
anscheinende die Luftzufuhr und korrigierte diese ein wenig. Dann
schlurfte er zum anderen Meiler und vergewisserte sich auch hier, ob
alles in Ordnung war.

Als er dies erledigt hatte, sah er einmal gen Himmel, schüttelte seine
Kopf und ging zum Haus zurück. Er ging aber nicht hinein, sondern
setzte sich auf eine Bank, die neben der Tür stand. Dort blieb er
sitzen, ohne sich weiter zu bewegen.

Ich dachte mir, dass dies der richtige Zeitpunkt wäre, mich ihm zu
nähern. Ich konnte ja nicht wissen, das es bei ihm keinen guten
Zeitpunkt gab.

Ob er mich schon gleich sah, oder erst, als ich schon fast bei ihm war,
kann ich nicht sagen, aber auf einmal schallte mir ein
unmissverständlicher Satz entgegen.

Keinen Schritt mehr weiter Junge. Ich habe nichts und will auch nichts.
Sieh zu das du wieder verschwindest.

Ich blieb wie angewurzelt stehen. Ich hatte ihm nichts getan, darum
konnte ich nicht verstehen, dass er mich so anging. Doch ich erinnerte
mich an die Worte von Veit.

In den wenigen Augenblicken, die ich etwas näher bei ihm stand musterte,
ich ihn genauer. Seine Kleidung war verwahrlost, überall mit Löchern
versehen, die zumeist Brandlöcher waren. Genauso wie sein Bart. Sicher
schon jahrelang nicht mehr geschnitten, aber mehrfach versengt worden.
Die Haut runzelig und vom Wetter gegerbt. Was allerdings gar nicht zu
diesem Bild passte, waren seine wasserblauen, sehr lebhaften Augen, die
mich genau taxierten und unter der breiten Krempel seines Hutes
hervorstarrten.

Obwohl ich merkte, dass ich nicht gerade willkommen war. Dachte ich mir,
dass ich mich im vorstellen sollte, und trat noch einen Schritt vor.
Das war dann ein Fehler. Unter mir brach die Erde weg und ich fiel in
ein Loch, was etwas zwei Mal so tief war, wie ich groß. Ich schrie auf
und prallte schon wenig später mit voller Wucht auf den Boden auf, der
knietief Unterwasser stand.

Noch einmal schrie ich auf, denn ich verdrehte meinen linken Fuß bei dem
Aufprall so sehr, dass ich wegrutschte und mit meinem gesamten Körper
im Wasser landete.

Fauliger Geruch von vergammelnden Blättern und anderem traf meine Nase,
wobei ich gar nicht wissen wollte, was dort sonst noch vor sich hin
verrottete. Dann durchzuckte mich ein stechender Schmerz im Fußgelenk.
Dabei wusste ich genau, dass dies kein gutes Zeichen war.

Ich wollte aufstehen, glitschte jedoch wieder weg und schaffte es erst
beim dritten Versuch. Allerdings konnte ich nur auf dem rechten Fuß
stehen, denn wenn ich mit dem linken auftrat, durchzuckte mich wieder
dieser unheimlich starke Schmerz. Ob das Gelenk gebrochen war, wusste
ich nicht, aber verstaucht auf alle Fälle.

Dann sah ich nach oben und konnte das Gesicht des Köhlers erkennen, der
über den Rand der Grube gebeugt nach unten sah.

Habe ich dir nicht gesagt, du sollst keinen Schritt näher kommen? ,
rief er herunter und schüttelte mit seinem Kopf. Nichts als Ärger hat
man mit solch dummen Menschen wir dir. Ihr tut nie das, was man euch
sagt. Ich weiß schon, warum ich hier alleine wohne!

Dann verschwand sein Gesicht und nur wenige Augenblicke später flog das
Ende eines Seils herunter. An diesem Seil hangelte ich mich unter
großer Mühe herauf und schaffte es mich über den Rand der Grube zu
wuchten.

Der Köhler saß währenddessen wieder auf seiner Bank und half mir nicht
dabei. Er hatte nur das Seil an einen Pfosten vor seinem Haus geknotet
und wartete darauf, dass ich aus der Grube kam.

Ich sollte wirklich spitze Pfähle auf den Grund der Grube stellen. Dann
erledigt sich das mit euch gleich für alle Male. Von mir aus könnt ihr
dort unten verrotten.

Daraufhin stand er auf und ging in sein Haus. Ich blieb nass wie ich war
draußen.

Es wurde langsam Nacht und sehr warm war es ebenfalls nicht. Schon
schnell fing ich an zu frieren, denn in der nassen Bekleidung kühlte
man schnell aus.

Ich wollte nicht bei dem Köhler klopfen, denn es war klar, dass er mir
nicht gerade gut gesonnen war. Also humpelte ich auf einen der Meiler
zu und prüfte, ob dieser vielleicht ein wenig warm war.

Und richtig, die Außenfläche war merklich wärmer. Also zog ich mich so
weit aus, wie es ging, und breitete meine Bekleidung darüber aus. Dann
lehnte ich mich selber gegen die Erde, damit ich mich selber ebenfalls
wärmen konnte.

Es war nicht wirklich warm und in der Nacht fror ich gewaltig. Lag ich
mit dem Bauch gegen den Hügel, wurde binnen weniger Augenblicke mein
Rücken kalt, lag ich mit dem Rücken dagegen, war es anders herum. Aber
zum Glück regnete es wenigstens nicht.

Als der Tag hereinbrach, hatte ich kaum meine Augen zu gemacht und war
unheimlich müde. Dafür war aber meine Bekleidung getrocknet und nur ein
wenig Feuchtigkeit vom Morgentau war noch auf der Oberfläche zu fühlen.
Also zog ich diese so schnell wie möglich an, wobei mir egal war, dass
sie von dem Wasser in der Grube fürchterlich stank. Bei Gelegenheit
würde ich sie in einem Bach waschen, und solange ich nicht unter
Menschen kam, war das nicht so wichtig. Ich wollte nicht erfrieren.

Gerade als ich mich wieder angezogen hatte, ging die Tür auf und der
Mann kam aus dem Häuschen. Er sah mich sofort und sagte mit einer
Stimme, die seinen Groll nicht verheimlichen konnte: Du bist ja immer
noch da. Soll ich dich in die Grube werfen? Dieses Mal werfe ich dir
aber kein Seil zu. Kannst dann selber zusehen, wie du da wieder raus
kommst. Wenn nicht, Pech gehabt!

Ich glaubte es ihm wirklich und wäre sofort gegangen, wenn ich es
gekonnt hätte. Mein Fußgelenk war in der Nacht auf das doppelte
angeschwollen und schon beim leichtesten Auftreten waren die Schmerzen
kaum noch auszuhalten.

Ich sah ihn flehend an und er mich teilnahmslos. Seine Augen gingen zwar
ein paar Mal an mir herunter und blieben an meinem kranken Gelenk
hängen, trotzdem blieb sein Blick hart.

Bitte! , sagte ich zu ihm, könnt ihr mir einen Stab geben, damit ich
mit abstützen kann. Dann werde ich sofort von hier verschwinden!

Mürrisch sah er sich um und sah ein etwa passendes Holzstück bei dem
aufgestapelten am Haus.

Langsam ging er dort hin, überprüfte ihn gewissenhaft und mit Sorgfalt
darauf, das herhielt und warf mir diesen vor dir Füße. Dann ging er zum
Haus zurück und setzte sich wieder auf die Bank.

Nur mit großer Mühe konnt ich mich auf einem Bein so weit
herunterbeugen, dass ich den Stab greifen konnte, doch als ich dann
wieder aufrecht stand, war er eine große Hilfe für mich.

Ich sah den Köhler noch einmal an, drehte mich dann um und humpelte in
die Richtung zurück, aus der ich gekommen war. Ich würde dem
Trampelpfad folgen müssen, denn durch den Wald konnte ich nicht weiter
kommen. Umgefallene Bäume und Unterholz würde ich so nicht mehr
überwinden können.

Ich war noch nicht weit gekommen, als ich mit meinem gesunden Fuß auf
einen wackeligen Stein trat und ins Straucheln geriet. Um mich
abzufangen, trat ich mit meinem anderen Fuß auf und schrie auf, während
ich auf den Boden fiel. Tränen rannen mir über das Gesicht und ich
konnte einfach nicht mehr. Die lange Nacht, mein ausgezehrter Körper
und die Schmerzen ließen mich einfach liegen. Ich war am Ende meiner
Leistungskraft.

Wenigs später sah ich über mir den sich schüttelnden Kopf des Köhlers.
Er sprach mehr zu sich selber als zu mir: Immer dieser Ärger, warum
kann man mich nicht in Frieden lassen. Da geht man in den Wald um ruhe
vor den Menschen zu haben und was passiert? Sie finden einen selbst
hier. Muss ich denn an das Ende der Welt gehen und mich über den Rand
stürzen, damit ich endlich allein bin?

Während er weiter vor sich hinmurmelte, beugte er sich über mein krankes
Bein und tastete es mit seinen mit dicken Schwielen behafteten Fingern
ab. Doch hatte ich zuerst gedacht, dass er nur grob damit umgehen
konnte, hatte ich mich getäuscht. Seine Finger fuhren nur leicht über
die Schwellung und drückte mal hier, dann mal dort leicht dagegen.
Immer wenn mir der Schmerz zu stark wurde, stöhnte ich auf und er ließ
wieder locker.

Tja, Jungchen, damit wirst du nicht weit kommen, zwar nichts gebrochen,
aber laufen wirst du eine Zeit lang nicht mehr. Was meinst du was ich
mit dir anfangen soll? Ich könnte dich in eine Siedung bringen, wo man
dich wahrscheinlich ausrauben und umbringen wird. Hast Glück, dass du
so dünn bist, dann werden sie dich wenigstens nicht auffressen.

Ich könnte dich auch hier und jetzt umbringen und ins Unterholz werfen,
dann wäre ich dich los ohne den weiten Weg ins Dorf zu machen.

Um ehrlich zu sein, es klang bei ihm nicht danach, als wenn er einen
Scherz machte. Ich traute es ihm wirklich zu, hätte aber in meinem
Zustand wenig, bis gar nichts gegen ihn ausrichten können. Mein Leben
lag sozusagen in seinen großen, schwieligen Händen.

Man konnte wirklich sehen, wie er am überlegen war und mir schwante
nichts Gutes. Wer würde mich vermissen? Keiner!

Hmmmm! , machte er und sah mir dabei direkt in die Augen, wenn man
wenigstens was mit dir anfangen könnte. Aber in dem Zustand bist du zu
nichts zu gebrauchen. Ich sagte ja schon. Nur Ärger. Wäre besser
gewesen, wenn du einen Bogen um mich herum gemacht hättest!

Wenn er gewusst hätte, was ich selber überlegt hatte, dann hätte er mir
sicher vorgehalten, dass ich die falsche Entscheidung getroffen hatte.
Also hielt ich lieber meinem Mund.

Hmmm , machte er wieder, ich kann dich hier leider nicht liegen
lassen, will nicht immer an einer verwesenden Leiche vorbeigehen
müssen. Zu viele Fliegen. Ich werde gleich wiederkommen, weglaufen
kannst du ja nicht mehr!

Dann stand er auf und eigentlich erwartete ich, dass er mit einer Axt
oder etwas Ähnlichem zurückkommen würde, um mich zu töten und zu
zerlegen. Aber da hatte ich mich getäuscht. Er kam mit einer Schubkarre
wieder und hob mich darauf, als wenn ich nichts wiegen würde. Dann
schob er mich zum Haus. Davor hob er mich wieder aus der Schubkarre und
trug mich ins Haus.

Hier war es mehr als dunkel, denn das Haus hatte keine erkennbaren
Fenster. Nur ein Paar Aussparungen, die mehr wie rechteckige Löcher
aussahen, brachten ein wenig Licht in das innere. Die einzigen
Möbelstücke, die darin standen, waren ein großes Bett, ein Tisch mit
zwei Stühlen und eine Art Regal. Sonst war nur noch ein Kochkamin in
der gegenüberliegenden Außenwand, an dem ein Kessel an einer Kette über
einem Feuer hing.

Was mir dabei allerdings sofort auffiel, war, dass es recht streng roch.
War mir schon aufgefallen, dass er selber nicht grade duftete, war es
hier kaum zum Aushalten. Es war ein sehr muffiger Geruch, der
allerdings von einem feinen Essensgeruch unterstrichen wurde. Wenn ich
es heute beschreiben sollte, wäre der Geruch von nassem Hund wohl am
ehesten vergleichbar. Allerdings ein Hund, der noch nie gebadet hatte.

Trotzdem fing mein Magen sofort an zu knurren, denn wie schon gesagt,
war da ein feiner Essensgeruch, der sich in meine Nase schlich.

Der Mann sah mich an, als er das Knurren hörte.

Es ist wirklich nicht mein Tag. Erst fällst du mir wegen deiner
Dummheit in die Grube, dann nehme ich dich sogar noch mit in mein Haus
und jetzt muss ich dich auch noch durchfüttern. Schlechter kann kein
Tag werden! Jetzt wo ich dich schon mitgenommen habe, kann ich dich
jawohl schlecht verhungern lassen. Da hätte ich dich ja gleich auf dem
Weg liegen lassen können.

Er sah sich einmal um und legte mich dann doch in das große Bett. Dann
schlurfte er zum Kessel, nahm eine nicht gerade sauber aussehende
Holzschale und füllt mit einer Kelle etwas von dem Inhalt des Kessels
hinein. Es dampfte gewaltig und war sicher sehr heiß. Dann nahm er noch
einen Holzlöffel und kam zu mir zurück.

Vorsichtig, ist heiß, mach mir mein Bett nicht schmutzig!

Dabei dachte ich mir nur, dass das gar nicht so einfach war. Das Bett
sah jedenfalls nicht so aus, als wenn es oft hergerichtet wurde. Aber
das war mir in diesem Moment vollkommen egal. Ich roch nur die Suppe
und ich wunderte mich, was alles darin war. Zuhause bestand eine Suppe
fast nur aus Wasser mit wenig Geschmack. Hier war das vollkommen
anders. Diese war dick, mit viel darin und roch unheimlich würzig. Das
kam wahrscheinlich von den vielen Kräutern, die ich darin schwimmen
sah. Zu meiner größten Überraschung befanden sich sogar größere Stücke
Fleisch mit einem ordentlichen Fettrand darin. So etwas kannte ich
sonst nur an besonderen Tagen. So einer war heute aber sicher nicht.

In diesem Moment war mir das Datum aber auch vollkommen egal. Hier war
endlich mal wieder etwas zu essen, warm und mit großer Energie darin.
Genau das, was mein Körper jetzt brauchte.

Klar verbrannte ich mir doch bei dem ersten Löffel den Mund, aber ich
schluckte es trotzdem herunter, ohne mit der Wimper zu zucken. Bei dem
zweiten Löffel pustete ich dann doch lieber darüber. Schon wenig später
hatte ich die Schüssel bis auf den letzten Tropfen geleert und ein
wohlig warmes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Fast im
gleichen Moment fielen mir die Augen vor Erschöpfung zu und ich
gelangte in einen traumlosen Schlaf.

Ich bekam nicht mehr mit, dass sich ein leichtes Lächeln in das Gesicht
des Köhlers stahl und das er mich noch mit einer Decke zudeckte. Dann
verließ er das Haus.

Irgendwann wachte ich wieder auf. Es war dunkel und ich musste mich erst
einmal wieder orientieren. Durch die kleinen Luken kam kein Licht, also
musste es in der Nacht sein. Was sich allerdings noch verändert hatte,
war, dass ein lautstarkes Schnarchen durch das Haus ging. Es erklang
neben mir und so wurde mir klar, dass sich der Köhler irgendwann neben
mich gelegt hatte und jetzt schlief.

Ich glaubte nicht mehr daran, dass es etwas Schlimmes mit mir vorhatte,
denn dann hätte er es sicherlich längst getan. Also fühlte ich mich
seit Tagen das erste Mal wieder sicher und schloss meinen Augen. Wieder
schlief ich sofort friedlich ein.

Erst spät am nächsten Morgen wachte ich wieder auf und fühlte mich
endlich wieder einmal ausgeschlafen. Am liebsten wäre ich aus dem Bett
gesprungen, aber mein Bein hielt mich davon ab. Der Köhler war längst
wieder aufgestanden und nicht mehr im Haus. Er hatte mir aber den Stab
ans Bett gestellt, damit ich aufstehen konnte. Also erhob ich mich
vorsichtig und humpelte zur Tür. Draußen holte ich in der frischen Luft
einmal tief Atem und setzte mich auf die Bank.

Ich saß noch nicht lange dort, als der Köhler aus dem Wald kam. Er hatte
eine Axt über der Schulter hängen und ging ruhig auf dem Weg entlang.
Kurz vor der Grube, die er wieder so perfekt getarnt hatte wie zuvor,
ging er zwei Schritte zur Seite und kam dann direkt auf das Haus zu.

Bist ja immer noch hier! , waren seine ersten Worte. Geschlafen hat
er, gegessen hat er. Was will er noch mehr? Ich bin für sein Leben
nicht verantwortlich. Soll er doch sehen, wo er bleibt!

Martin! , sagte ich, mein Name ist Martin. Ich möchte mich bei euch
bedanken. Hier habt ihr mein ganzes Geld. Bitte nehmt es, ihr habt es
verdient!

Junge, wenn ich dein Geld hätte haben wollen, dann hätte ich es mir
genommen. Behalte es selber. Ich kann in diesen Zeiten nur wenig damit
anfangen. Was sollte ich schon davon kaufen? Die Menschen beginnen
Ratten als Delikatesse zu verkaufen und man muss aufpassen, dass man
diesen Viechern nicht zu sehr ähnelt. Es könnte sonst schlimm
ausgehen.

Euch scheint ja das Problem nicht zu stören. Euer Topf ist gut
gefüllt! , meinte ich in seine Richtung und er grummelte vor sich hin.

Nein, mich geht es nichts an. Menschen sind mir zuwider und ich kann
für mich alleine leben. Der Wald gibt mir alles, was ich brauche. Meine
Suppe ist nur so dick, weil die Menschen meine Ruhe respektieren. Sie
machen große Umwege um mich herum, damit sie mir nicht begegnen. Darum
ist mein Wald noch voller Leben, aber das wird nicht mehr lange so
sein. Der Hunger treibt sie in meine Nähe.

Wenn ihr kein Geld braucht und andere Menschen auch nicht mögt, warum
stellt ihr dann Holzkohle her?

Junge, sei froh, dass du noch lebst. Stell keine Fragen, wenn es so
bleiben soll. Du kommst ungebeten in mein Leben und solltest dich mit
den Antworten zufriedengeben, die ich dir gebe.

Ich beschloss, am besten meine Klappe zu halten. So würde ich jedenfalls
besser über die Runden kommen.

Obwohl ich nur eine Belastung für den Köhler war, durfte ich tatsächlich
noch ein wenig bei ihm bleiben. Allerdings brachte er eine wenig Stroh
in das Häuschen, auf dem ich jetzt schlafen durfte. Sein Bett war ihm
vorbehalten.

Ehrlich gesagt lag ich auch lieber in dem Stroh, denn bei seinem Bett
war ich mir nicht sicher, was dort sonst noch mit schlief.

Die Schwellung am Fußgelenk schwoll langsam ab und schon eine Woche
später konnte ich ohne Stock laufen. Während der Köhler mal wieder im
Wald verschwunden war, ging ich nach draußen und dachte, dass ich mich
etwas nützlich machen konnte. Ich fand eine Säge, den dazu benötigten
Sägebock und diverse Stämme, die gesägt werden mussten.

Also nahm ich an einem anderen, schon gesägtem Stück Holz Maß und begann
mit der Arbeit. Die Sage war gut und scharf, von daher ging die Arbeit
recht gut von der Hand.

Etwa zwei Stunden später wollte ich wieder einen Stamm holen und
erschrak fürchterlich, als ich mich umdrehte und der Köhler nur zwei
Schritte hinter mir stand. Dabei hatte er seine Axt geschultert und
stand einfach nur da. Er sah auf den inzwischen groß gewordenen Haufen
frisch gesägtem Holz und nickte nur einmal. Dann sagte er nur noch:
Hinter dem Haus ist noch eine Axt, stapeln kannst du es dann da
vorne. Dabei zeigte er mit einer Hand auf die Stelle, an der er das
frische Holz haben wollte. Dann drehte er sich um und ging ins Haus.

Ein paar Augenblicke später kam er wieder aus dem Haus und hatte zwei
große, dampfende Schüsseln Suppe in der Hand. Damit setzte er sich auf
die Bank. Die eine behielt er, die andere stellte er neben sich. Ich
ging noch leicht humpelnd zu ihm hin, nahm die Schüssel und setzte mich
neben ihn. Dann löffelten wir sie langsam aus, ohne ein Wort zu sagen.

Junge, wo kommst du eigentlich her? , fragte er auf einmal und ich
erzählte ihm mein Leben von Anfang an. Er saß nur da und sein Gesicht
zeigte keinerlei Regung. Als ich dann nach einer Stunde fertig war,
sagte er nur: Ja, schlimme Zeiten! , und stand auf.

Dann nahm der die Schüsseln und meinte nur noch. Du hast noch zu tun.
Das Holz stapelt sich nicht von alleine. Wer essen will, muss dafür
arbeiten. Bis jetzt war es eigentlich noch keine volle Schüssel wert,
also strenge dich mehr an oder geh.

Obwohl mir schon alle Knochen wehtaten, ging ich zurück, hackte die
letzten Baumscheiben kleiner und schaffte es bis zum Abend alles noch
zu stapeln. Dann ging ich ins Haus, legte mich auf das Stroh und
schlief fast augenblicklich ein. Mich störte nicht einmal das dröhnende
Schnarchen des Köhlers.

Nachts wachte ich einmal auf, als ich hörte, wie die Tür auf und wieder
zu ging. Ich schlich an eine der Luken, um zu sehen, was er draußen
machte. Obwohl nur der Mond die Dunkelheit etwas aufhellte, konnte ich
sehen, wie er zu den Meilern ging und diese kontrollierte. Hier und da
stach er mit einem Stock neue Löcher in die Beschichtung, andernorts
verstopfte er sie wieder. Eine Wissenschaft für sich.

Nächsten Tag nahm er mich mit in den Wald. Nicht weit weg war er gerade
dabei, ein Stück zu roden. Während er die Bäume fällte, was in einer
bemerkenswerten Geschwindigkeit geschah, machte ich mich über die Äste
und Borke her. Das konnte ich, hatte es lange geübt. Der Köhler verlor
kein Wort darüber, nahm es als gegeben hin.

Irgendwann gegen Mittag machten wir eine kleine Pause. Dazu saßen wir
auf einem der Baumstümpfe und der Köhler holte so etwas wie Brot aus
einer Tasche. Woher dies kam, wusste ich nicht, war aber fast steinhart
und man musste es erst kräftig mit Speichel vermischen, damit es
überhaupt essbar wurde. Dann schmeckte es auch nach etwas. Er musste es
irgendwo lagern, denn in dem Haus selber hatte ich es nicht gesehen.

Wir saßen schweigend da, bis er auf einmal meinte: Deine Leute hatten
keine Erfahrungen damit, wie man kämpft. Sie hatten also keine Chance!

Es war eine reine Feststellung und ich brauche einen Moment, bis ich
seinen Worte auf meine Lebensgeschichte bezog.

Nein, hatten sie nicht! , meinte ich und starrte in die Luft, während
ich hinter meinen Augen die Bilder sah, wie sie gekämpft hatten.

Manchmal sollte man lieber flüchten!

Ist das dann nicht feige? , fragte ich uns sah den Köhler von der Seite
an. Er drehte seinen Kopf in meine Richtung. Was willst du? Dumm und
tot oder feige und leben?

Meine Leute waren nicht dumm! , meinte ich trotzig zu ihm. Sie haben
gekämpft, bis sie nicht mehr konnten!

Trotzdem tot, das hat ihnen auch nichts gebracht. Schau dich an. Du
lebst noch und warum?

Ich sah den Köhler entgeistert an. Wollte er wirklich damit sagen, dass
ich feige gewesen war?

Weil ich zu schwach für einen Kampf gewesen bin. Darum, aber nicht weil
ich feige gewesen bin!

Siehst du, du hast deine Chance abgewogen und dich nicht abschlachten
lassen. Darum lebst du noch.

Ich sah schweigend auf meine Füße und überlegte einen Moment. Ich wusste
in meinem Inneren, dass er recht hatte, wollte es aber nicht glauben.

Trotzig antwortete ich ihm mit etwas Verzögerung: Was wisst ihr schon
davon. Ihr seid ein Köhler, ihr braucht nicht zu kämpfen. Ihr habt
nichts, was man euch wegnehmen kann. Euer Leben will keiner haben!

Das war der Moment, dass ich vom Baumstamm flog und auf dem Waldboden
aufschlug. Der Köhler hatte mich unerwartete von der Seite erwischt und
mir seine Faust direkt ins Gesicht geschlagen.

Junge , sagte er ganz ruhig und blieb auf dem Baumstamm sitzen,
beurteile niemals einen Menschen, nach dem wie der aussieht oder was
er tut. Es kann das Letzte sein, was du tust.

Mit dieser störrischen Ruhe brachte er mich in Rage, genauso das Er es
nicht lassen konnte, mich Junge zu nennen.

Ich heiße Martin und nicht Junge , versuchte ich möglichst gefährlich
zu sagen und sah ihn dabei genauso wild an. Dann rappelte ich mich auf.

Für mich heißt du Junge. Männer heißen Martin. Du bist dieses
kraftvollen Namens nicht würdig. Den must du dir erst einmal
verdienen!

Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so sauber. Dort
saß ein Mann, dessen besten Tage schon vorbei waren und vom Leben
gezeichnet. Ich hingegen war in den letzten Tagen wieder zu Kräften
gekommen und stinksauer auf ihn.

Ich sollte gerade auf ihn einstürmen, als er meinte: Du solltest dazu
wenigstens einen Knüppel benutzen. Mit den blanken Fäusten zu kämpfen,
bis du nicht gewohnt. Deine Hände sehen nicht danach auch, dass sie das
lange durchhalten. Außerdem erhöht es deine Reichweite und
Schlagkraft.

Ich hörte seine Worte und kam gar nicht darauf, dass es eine
Aufforderung dazu war, noch tiefer in den Schlamassel zu geraten, als
ich schon darin steckte.

Schon sah ich mich nach einem entsprechenden Ast um und fand ihn auch
gleich. Ich dachte nur, dass er schön dumm sein musste, mir diesen
Hinweis zu geben. Immerhin war es ja gegen seine Position.

Mit dem Knüppel in der Hand stürzte ich mich auf ihn und lag schon
wenige Augenblicke wieder auf dem Boden. Als ich auf ihn zugestürmt
war, hatte ich zu viel Schwung drauf gehabt, und da er einfach schnell
zur Seite wegrutschte, ging mein Schlag ins Leere. Dieser Schwung
übertrug sich aber auf meinen Körper und riss mich mit über den Stamm.
Dieser brachte mich dann zum Stolpern und zu Fall.

Ich rappelte mich wieder auf und wollte mich erneut auf ihn stürzen.
Doch er saß nicht mehr auf dem Stamm, sondern stand einfach nur so da
und schüttelte seinen Kopf.

Junge, du wirst dir nur wehtun. Lass es lieber und nimm dein kleines
Beil. Vielleicht schaffst du es ja, einen dünnen Baum zu fällen. Ich
glaube, ich habe am Rand des Waldes so einen gesehen. Allerdings ist
der so dünn, dass der dort lebende Biber schon einen Bogen drum gemacht
hat. Versuchte dich erst einmal an diesem. Richtige Bäume schaffst du
noch nicht!

Er verhöhnte mich. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich
sprang mit hoch erhobenem Knüppel über den Stamm, auf dem wir gesessen
hatten, und war schon fast bei ihm, als mich sein vorgestreckter Fuß i




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