Die Verabredung
Die ganze Woche hatte mich die Nachricht von Heike nicht mehr losgelassen, wodurch ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte. Auf der einen Seite verunsicherte sie mich, doch andererseits fesselte mich die Aussicht, sie als Yvonne wieder zutreffen. Armin tat sich schwer, etwas für eine Lesbe zu empfinden, während Yvonne sich nach Heikes Nähe sehnte. Diese sich abwechselnden Gedanken brachten mich beinahe um den Verstand und daher musste ich unbedingt mit jemanden darüber sprechen. So nahm ich mir für meinen nächsten Besuch im Studio vor, mich Sarah anzuvertrauen.
Wieder im Studio hatte Lena mich gleich bei der Begrüßung schon mit Fragen zum Ausflug auf die Wasen bombardiert. Sie wollte unbedingt wissen, wie es mir auf der Heimfahrt noch ergangen ist. Durch ihre penetranten Fragen, hatte ich ihr am Ende die Sache mit dem Taxifahrer und so gut wie alles über Heike erzählt. Eigentlich wollte ich es nur Sarah beichten, da ich zu ihr das vertrautere Verhältnis aufgebaut hatte. Mit Lena unterhielt ich mich über private Dinge bis zu diesem Tag eher selten und auch nur oberflächlich.
„Unsere Yvonne ist verliebt“, resümierte Lena. Erstaunt über ihre Einschätzung, versuchte ich die Sache ein wenig klein zu reden. „Schatz, glaube mir, Du bist es“. Sie nahm mich an die Hand und führte mich zu Sarah. „Sarah, heute wirst Du für Yvonne ein schickes und Tageslicht taugliches Outfit zusammenstellen“. Sarah wusste nicht sofort, was das zu bedeuten hatte und fragte neugierig nach. „Yvonne wird sich mit einer Frau verabreden und Du wirst sie dafür stilistisch beraten“. Sarah lächelte mich an und bat mich, ihr zu folgen. Obwohl mir wieder einmal nicht klar war, was auf mich zukommen sollte, lief ich ihr ohne weiter nachzufragen hinterher.
Im Büro des Studios setzen wir uns vor dem Computer, wo Sarah gleich anfing, in den geläufigen Onlineshops zu stöbern. „Soll es eher ausgefallen sein oder willst Du Dich lieber etwas zurückhalten“, fragte sie. Ich klärte sie darüber auf, dass ich gar keine Verabredung hatte. „Mach Dir mal nicht so viele Gedanken, das erledigt Lena schon für Dich“. Kurz darauf bemerkte ich Lena neben mir. „Dein Handy“, forderte sie mich auf. Was hatte sie vor? Nachdem ich ihr es nicht gleich gegeben hatte, schaute sie mich nur streng an. Spätestens in diesem Moment war es an der Zeit nachzugeben und so übergab ich ihr mein Smartphone. „Wie heißt Heike mit Nachname“? Das kann sie doch nicht wirklich machen, zumal Heike auch noch im Urlaub war. „Ich schreibe ihr doch nur eine SMS“, versuchte sie mich wieder zu beruhigen, was ihr aber nicht gelang. „Fertig, Heike wird sich über Deine Nachricht bestimmt freuen“. Kaum erhielt ich das Handy zurück, schaute ich nach, was Lena ihr geschrieben hatte.
Liebe Heike,
ich habe mich an den Abend bei Dir sehr wohl gefühlt und würde Dich gerne zu mir zum Essen einladen.
Liebe Grüße
Yvonne
„Wenn Du mich nicht angeschwindelt hast, wird Heike gewiss darauf anspringen“, versprach sie. Doch anstatt mich darüber zu freuen, war ich eher verunsichert. Was wird Heike denken? Ich befürchtete, sie würde mich für zu aufdringlich halten. Diese Vermutung wurde aber umgehend widerlegt, denn sie antwortete keine zehn Minuten später.
Lieb Yvonne,
ich bin ja so froh, dass Du mir mein Verhalten nicht übelgenommen hast und freue mich sehr über Deine Nachricht.
Liebend gerne nehme ich Deine Einladung an. Sag mir einfach wann und ich werde kommen.
LG Heike
PS: kann es kaum erwarten, Dich wieder zu sehen.
„Volltreffer“, triumphierte Lena. Sarah hatte zwischenzeitlich weiter im Internet gesurft und auch schon einiges herausgesucht. „Ich denke, Du solltest nicht mit der Tür ins Haus fallen und es langsam angehen“. Ehrlich gesagt, wusste ich noch gar nicht, ob ich es überhaupt dazu kommen lassen wollte. „Wenn Du möchtest kannst Du Deine Träume auch weiter hier im Studio ausleben“, mischte Lena sich in die Diskussion ein. „Es ist sowieso an der Zeit, dass wir den nächsten Schritt machen“. Ich schaute sie nur verwirrt an. „Denkst Du, ich setze Dich hier bis zum Sankt Nimmerleinstag nur als Dienstmädchen ein“? Was denn sonst, war ich aufgrund ihrer Aussage erst recht durcheinander. „Bei aller Liebe, aber wir führen auch ein Unternehmen, was Geld verdienen muss“. Wollte sie etwa meinen Obolus anheben? „Nein, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich Dich das erstmals in eine Session einbauen werde“, erklärte sie. Da sie nicht im Konjunktiv sprach, wurde mir schnell bewusst, wie ernst sie es meinte. Dadurch wurde ich richtig nervös und versuchte herauszufinden, was genau sie vorhatte. „Du erinnerst Dich doch sicherlich an Dein erstes Mal im Studio“? Natürlich, wie könnte ich das jemals vergessen, denn hat es doch mein Leben ziemlich auf den Kopf gestellt. „Es gibt immer wieder Kunden, die sich in einer Session die Beteiligung Dritter wünschen. Du damals doch auch“. Damit sprach sie wohl den einst von mir geäußerten Wunsch an. „Die meisten wollen aber eine Sklavin, wofür Du ja nicht wirklich in Frage kommst. Allerdings werden auch immer häufiger Zofen nachgefragt“. „Und dafür käme ich in Betracht“, stellte ich leicht ungläubig die Frage in den Raum. „Genau“. Obwohl ich inzwischen viele Monate regelmäßig im Studio war, hatte Lena bis dahin nicht im Ansatz über so etwas mit mir gesprochen. „Weil Du eben noch nicht so weit warst“. Auch diesen Hinweis hatte ich in meiner Aufregung nicht zuordnen können. Was hatte sich denn verändert? „Ich baue doch keine Zofe in einer Session ein, von der ich nicht sicher weiß, ob sie damit zurechtkommt. Der Ausflug hat mir aber gezeigt, dass Du inzwischen so weit bist“. Ihr nun komplett zugewandt hörte ich weiter aufmerksam zu. „Ich hatte Dich vorher als Yvonne noch nie so locker und selbstsicher erlebt“. „Unglaublich, wie natürlich Du Dich in der Öffentlichkeit verhalten hast“. Worauf wollte sie eigentlich hinaus? „Du schaffst es endlich komplett in die Rolle von Yvonne zu schlüpfen und Bob völlig auszuschalten. Ohne diese Fähigkeit, wärst Du für eine Session ungeeignet“. Endlich dämmerte es mir. „Du bist aber auch manchmal schwer von Begriff“, schmunzelte sie.
Mit der neuen Situation konfrontiert, stellte ich mir die Frage, was ICH eigentlich wollte. In den letzten Wochen hatte ich zwar ähnliche Phantasien gehabt, aber wollte ich das auch in der Realität? „Mir ist heute jedoch klargeworden, dass ich Dich an Heike verlieren werde“, klang Lena irgendwie traurig. „Aber jetzt ist es wichtiger, Dein Date vorzubereiten“, war sie genauso schnell wieder gut gelaunt und übergab mich an Sarah. „Dann ist es bald an der Zeit Abschied zu nehmen“, kam auch sie mir traurig vor. Warum sprechen denn alle von Abschied? „Es ist immer das Gleiche. Sobald Ihr anfangt Euch außerhalb des Studios zurechtzufinden, ist es nur noch eine Frage der Zeit“. Das klang so, als ob ich nicht die Einzige wäre. „Du bist inzwischen die Dritte“, klärte sie mich auf. „Aber zu keiner hatte ich bisher eine so intensive Freundschaft aufgebaut, wie zu Dir“. Das schmeichelte mir und so bekam ich fast schon ein schlechtes Gewissen. Aber warum? Ich hatte doch gar nicht vor zu gehen! Ich ließ ihre Anmerkung daher unkommentiert im Raum stehen und gemeinsam machten uns daran, ein angemessenes Outfit für den geplanten Anlass zu finden.
Nach langer Suche entschied ich mich schließlich für ein klassisches schwarzes Minikleid. Sehr feminin aber nicht zu übertrieben. Etwa Sexappeal sollte dabei ruhig rüberkommen, dachte ich und wollte es mit Nahtnylons kombinieren. „Das wäre ein Hauch zu viel“, überzeugte Sarah mich davon besser Abstand zu nehmen. Wir legten alles in den virtuellen Warenkorb und gingen zur Online-Kasse. Nachdem ich meine Kreditkarten-Informationen und als Lieferadresse das Studio angegeben hatte, drückte Sarah den Button. Geschafft! Und nächste Woche werde ich Dir beibringen, wie Du Dich am besten dazu schminkst“. Die Zeit war wie im Fluge vergangen und da es bereits nach 22 Uhr war, musste ich mich kurzer Hand von Lena und Sarah verabschieden.
Zuhause las ich mir wieder und wieder den SMS-Verkehr durch und konnte es immer noch nicht fassen, mich als Yvonne verabredet zu haben. Meine innere Anspannung war daher über die nächsten Tage sehr hoch. Zum Glück war ich im Büro ziemlich eingespannt, sodass ich zumindest tagsüber kaum Zeit fand, darüber nachzudenken. Selbst übers Wochenende war ich beruflich unterwegs und verbrachte die größte Zeit mit einem Kunden. Umso aufgeregter war ich, als es endlich wieder aufs Wochenende zuging. Mit Heike hatte ich seither nur einmal geschrieben und mit ihr den genauen Termin ausgemacht. Gleich am Tag ihrer Rückkehr würden wir uns zum Abendessen gegen 20 Uhr in meiner Wohnung treffen.